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Nö, also Frauenfußball? Ach komm!

Die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Deutschland hat nicht alle Hardcore-Anhänger des Männersports zu Fans gemacht. Auch nicht den Kritiker Jürgen Roth. Der bekennende Feind dieses Sports zieht Bilanz.

Von Jürgen Roth | 16.07.2011
    Noch schöner als Fraueneishockey ohne Bodycheck und mit Gesichtsschutz ist Frauenfußball. Frauenfußball – das eingelöste Versprechen, hier und jetzt, unter unser aller Sonne, dass die Welt ihrer Vervollkommnung entgegenstrebt, dass sich der Homo sapiens zum sanftmütigen, rücksichtsvollen Wesen entwickelt. Frauenfußball ist gelebte Ernst Blochsche Utopie, ist die endgültige und irreparable, Quatsch: irreversible Durchsetzung der Prinzipien der großen Französischen Revolution, ist die Synthese aus kantianischer Sittlichkeit und antikisch-neomoderner Grazie, ist, um nicht länger damit hinterm Berg zu halten: einwandfrei tipptopp und bombengerade enorm prima.

    Nö, also Frauenfußball? Ach komm!

    Mögen beispielsweise im Spiegel solch abgrundtief verächtliche, pottenhässliche Sätze stehen wie: "Die Damen spielen Manndeckung. Alle Frauen und Mädchen – bundesweit sollen es mehr als eine Million sein, weltweit rund dreißig Millionen – reden Männerfußball, wenn sie Fußball spielen" – so spielen, egal, was sie reden oder über sie geredet wird, bundesweit mehr als eine Million Frauen, weltweit rund dreißig Millionen Frauen doch einen Fußball, der fraulicher, unverwürgter, gefühlsbetonter, erquickender ist als das obsolete, überdrehte, vergammelte, zu den Bergkämmen des Harz stinkende viril-virale Pendant, das uns mit seinen immer gleichen Grätschen und Reinwuchter- und Rumpöbeleien geschlechtsparitätisch derart penetrierend-penetrant und perhorreszierend auf die Eier und Eierstöcke geht, dass wir nun ausgesprochen gerne Tag für Tag selbst die WM-OK-Chefin Steffi Jones ihren smarten Seich daherschmarren hören und entzückt dem ganzen glitschigen Gewäsch von der fraulichen Zukunft des Weltfußballs lauschen und dabei mit Krämpfen zu kämpfen haben ...

    Halt, Moment, Unfug. Nur gar zu unverbesserliche und indolente und grunzidiotische Figuren wie ich, nein, stop!, wie Rudi Assauer, Berti Vogts, Bandito Benedetto 16, Margot Käßmann, Hugh Hefner, die Wildecker Herzbuben und – sehr früh bereits! – Hitler tadeln den fraulichen Umgang mit dem Ball. Dito etwas unmaßgeblichere Zeitgenossen wie ich, Mann! Blödsinn!, wie Barack Obama, Prinz Philip, Graf Eucharius Casimir, Roberto Blanco, Reinhard Stopfel und Leonid Breschnew schütteln die verwirrten Häupter, ob des das abendländische Ideal der Helena in die Wiese stampfenden Waschbrettbauches der deutschen Nationaloffensivkraft Simone Laudehr oder ob der Terminatorstatur der brasilianischen Weltfußballerin mit dem martialischen Namen Marta.

    Nein, da muss die Kirche im Stall und die Kuh auf dem Dach bleiben: Harald Braun, der mehrere Bücher über Männerfußball zu verantworten und offenbar nicht mehr alle Murmeln im Kasten ... Mist! So rum: Harald Braun jauchzt im Telekom-Magazin "Entertain", Marta könne "mehr mit ihrem Spielgerät anfangen als achtzig Prozent aller männlichen Bundesligaspieler", selten habe er "so eine brillante Synthese aus Tempo, Technik und Effektivität" gewahrt, und er freue sich wie Wuffi auf die Hundewaffel auf die "gemischten Grill- und Fußballhappenings" und "einen netten Anlass, schwarz-rot-goldene Fähnchen zu schwenken". Und wer darf die Schlaaand-Kotze hinterher wieder wegwischen? Unsere wackeren Müllwerker dürfen.

    Goutieren wir also so oder so auf YouTube ein Video über ein Damensoccermatch in den USA. Goutieren wir zarte Fausthiebe in den Rücken der Gegnerin, eine am Haarschopf zu Boden gerissene Spielerin, Tritte in Magengruben, Quergrätschen mit Knöchelquetschungen, Schläge in weiche Gesichtszüge und etliche filigrane Fragilitäten mehr – mit Spitzenmann Harald Braun zu maunzen: "Spitzensport auf höchstem Niveau".