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Nofretete geht auf Reisen - oder auch nicht

In der Diskussion um eine mögliche Leihgabe der Nofretete-Büste von Berlin nach Ägypten fordert die Geschäftsführerin des Vereins Cultur Cooperation einen anderen Umgang mit fremden Kulturgütern. Wenn man wirklich gleichberechtigte Beziehungen aufbauen wolle, brauche man einen einschneidenden Bewusstseinswandel. Dieser bedürfe weniger juristischer als politischer und ethischer Antworten, sagte Anja Kuhr.

Moderation: Doris Schäfer-Noske | 17.04.2007
    Doris Schäfer-Noske: Nofretete sei die schönste Botschafterin Ägyptens in Deutschland, hat der ägyptischen Staatspräsident Mubarak mal gesagt. In den vergangenen Tagen sind aber immer wieder Stimmen laut geworden, die diese Botschafterin - zumindest für begrenzte Zeit - in ihre Heimat reisen lassen wollen. Die Bundesregierung lehnt eine solche Ausleihe ab. Und der Direktor des Ägyptischen Museums in Berlin, Dietrich Wildung, hat darauf verwiesen, dass es gar keine offizielle Anfrage aus Ägypten gebe. Der Chef der ägyptischen Altertümerverwaltung, Sahi Hawass, will nun aber nächste Woche einen entsprechenden Antrag stellen. Ausgelöst hat den neuerlichen Streit um Nofretete eine Kampagne, die eigentlich erst übermorgen der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte. Cultur Cooperation heißt ein gemeinnütziger Verein, der sich seit 1986 für den internationalen Kulturaustausch einsetzt. Und für die Kampagne "Nofretete geht auf Reisen" bekommt er auch Geld von der EU. Anja Kuhr ist die Geschäftsführerin des Vereins. Und ich habe sie gefragt, warum denn Nofretete auf Reisen gehen soll.

    Anja Kuhr: Ja, mit dem Streit über den Verbleib der Büste der Nofretete greifen wir ein Thema auf, das zunächst mal nahezu alle europäischen Länder betrifft, es geht nämlich um die Frage des Umgangs mit fremden Kulturgütern, die vor langer Zeit auf häufig zweifelhafte Weise in unsere Museen gelangt sind, wo sie aber noch heute selbstverständlich als Teil des eigenen Kulturbesitzes betrachtet werden. Und in Berlin beharrt man halt sein 95 Jahren darauf, dass man einen legitimen Besitztitel an der Büste der Nofretete besitzt. Das Ziel der Kampagne, die wir jetzt machen, besteht darin, dass wir eine Debatte darüber anstoßen wollen, wie heute faire Lösungen in solchem Streitfall aussehen können. Letztendlich geht es darum, dass wenn wir wirklich gleichberechtigte Beziehungen in Zukunft aufbauen wollen, es offenbar eines einschneidenden Bewusstseinswandels bedarf. Und genau diesen Prozess möchten wir mit der Kampagne fördern.

    Schäfer-Noske: Wie könnte denn eine Dauerlösung Ihrer Meinung nach aussehen?

    Kuhr: Also entscheidend finde ich zunächst mal, dass man über Lösungen nachdenkt, sei es, dass man die Büste abwechselnd in Berlin oder in Kairo zeigt oder vielleicht auch dann in anderen Städten, wenn das möglich ist. Entscheidend ist meines Erachtens in dieser Auseinandersetzung, dass es hierbei nicht um Besitztitel geht. Es geht also nicht um die juristische Frage, die auch jetzt immer wieder aus Berlin thematisiert wird, sondern die Frage, wo die Büste sich aufhält, ist eine politische Frage, in gewisser Weise auch eine ethische, aber in jedem Fall verlangt sie eine politische Antwort.

    Schäfer-Noske: Das heißt, Sie haben eigentlich keine Zweifel an dieser juristischen Rechtmäßigkeit dieses Erwerbes der Büste. Der wurde ja 1913, soweit ich weiß, vertraglich festgehalten.

    Kuhr: Also der berühmte Gert von Paczensky hat, glaube ich, 1984 in seinem legendären Buch "Nofretete will nach Hause" nachgewiesen, dass durchaus auch die damalige Grabteilung unter rechtlichen Aspekten anzuzweifeln ist. Das ist aber nicht unser Thema. Und selbst die Ägypter, die heute ja keine Restitution mehr verlangen, sondern explizit um eine Ausleihe bitten, sind offenbar bereit, sich damit abzufinden. Ich denke, im Vordergrund steht jetzt eine ganz andere Frage, nämlich die: Werden wir in Zukunft mit den Ägyptern kooperieren und sind wir bereit anzuerkennen, dass es natürlich möglich sein müsste, dass junge Ägypter nicht nach Berlin reisen müssen, um dieses bedeutende Werk ihrer eigenen Kulturgeschichte zu sehen, sondern es einmalig möglich ist, sie auch in Ägypten auszustellen.

    Schäfer-Noske: Wenn nun die Nofretete mal in Berlin, mal in Ägypten oder anderswo gezeigt würde, da werfen Ihnen ja nicht nur die Politiker sondern auch Kunstexperten Naivität vor. Die Kritiker argumentieren aus konservatorischer Sicht und sagen, die Nofretete kann man nicht so einfach ab- und aufbauen, ohne dass da schwere Schäden entstehen. Was entgegnen Sie denen?

    Kuhr: Also zunächst mal ist es so, dass die verantwortlichen Berliner Museumsmitarbeiter diese Büste permanent in der Stadt transportieren. Also gegen einen Transport der Büste spricht offenbar gar nichts, auch nicht in Zukunft, denn sie soll ja 2009 in das dann fertige neue Museum auf der Museumsinsel erneut umziehen. Ich hätte mir auch gewünscht, dass der Kulturstaatsminister, den wir ja aufgefordert hatten, eine Ausleihe anzubieten und der jetzt sagt, aufgrund der Zweifel, die Fachleute geäußert haben am konservatorischen Zustand der Büste, würde er auf keinen Fall einer Ausleihe zustimmen. Ich hätte es mir gewünscht, wenn er zunächst gesagt hätte, es gibt offenbar Bedenken. Ich finde, wir müssen diese Bedenken prüfen lassen, das heißt also, auch in Anbetracht der Bedeutung dieser Büste ist es doch zu erwarten, dass er zumindest ein Gutachten einfordert von internationalen Experten, um sich selbst ein Bild zu machen, um dann auf einer seriösen Grundlage entscheiden zu können.

    Schäfer-Noske: Dann wird ja auch immer angeführt, die Zustände in den ägyptischen Museen seien weit von den Standards in deutschen Museen entfernt. Also auch da könnte der Büste der Nofretete Schaden zugefügt werden.

    Kuhr: Fakt ist, dass sich gerade in Kairo in den letzten Jahren sehr viel getan hat. Frau Dr. El Saddik, die lange in Köln gelebt hat und heute Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo ist und ebenfalls im letzten Jahr um eine Ausleihe gebeten hat, ist, glaube ich, jemand, die sich in der internationalen Museumswelt sehr gut auskennt und die keinesfalls bereit wäre, eine solche Ausleihe zu fordern, wenn sie nicht genau wüsste, dass ihr Museum imstande ist, die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu bieten.

    Schäfer-Noske: So zwischen den Zeilen hört man den Kritikern auch immer wieder, wenn jetzt die Nofretete erst einmal in Kairo wäre, dann wäre es ja vielleicht schwierig, sie wieder nach Deutschland zurückzuholen. Es würde ihnen auch keiner garantieren, wird da oft angeführt.

    Kuhr: Also zunächst mal haben sowohl Frau Dr. El Saddik als auch Herr Hawass mitgeteilt im Rahmen der Anfragen und Bitten nach einer Ausleihe, dass selbstverständlich der ägyptische Staat alle Garantien dafür übernehmen wird vertraglich, dass die Büste bei einer Ausleihe wieder zurückkehrt. Meines Erachtens besteht überhaupt kein Grund, daran zu zweifeln, und ich bitte auch all diejenigen, die solche Äußerungen machen, mal darüber nachzudenken, welche Signale wir damit eigentlich an die ägyptische Bevölkerung senden.