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Norbert Röttgen "hatte wirklich eine zweite Chance verdient"

Dass man mit Norbert Röttgen einen Hoffnungsträger der Partei politisch fast vernichtet habe, mache sie betrübt, sagt die stellvertretende Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU, Michaela Noll. Für sie ist die Art und Weise der Kanzlerin im Umgang mit Röttgen nicht nachvollziehbar.

Michaela Noll im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 18.05.2012
    Tobias Armbrüster: Nach dem Rauswurf von Norbert Röttgen aus dem Amt des Bundesumweltministers steckt die CDU mitten in einer Kurs- und Personaldebatte. Darf die Bundeskanzlerin einen Minister einfach so abservieren, welches Bild hinterlässt das bei den Wählern und ist der liberale Flügel in der Union jetzt geschwächt? Vor allem die CDU in Nordrhein-Westfalen ist natürlich in Unruhe angesichts dieser Fragen, ausgerechnet der mitgliederstärkste Landesverband verliert eine Stimme am Kabinettstisch von Angela Merkel.
    Und am Telefon ist Michaela Noll, sie ist Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU, schönen guten Tag!

    Michaela Noll: Guten Tag!

    Armbrüster: Frau Noll, ist das eine schwarze Woche für Ihren Landesverband?

    Noll: Ich würde das schon so sehen. Ich glaube sogar für mich – ich bin ja jetzt seit zehn Jahren im Deutschen Bundestag – die härteste Woche, die ich jetzt mal je erlebt habe. Der Sonntag war schon bitter und als unser Landesvorsitzender und Spitzenkandidat an die Presse gegangen ist und sagte, es tut richtig weh ... Es hat ihm wehgetan, aber ich glaube, es hat unserem ganzen Landesverband sehr wehgetan.

    Armbrüster: War die Entscheidung von Angela Merkel denn dann am Mittwoch richtig, Bundesumweltminister Norbert Röttgen zu entlassen?

    Noll: Ob die Entscheidung richtig war, das ist für mich im Moment nicht das Thema. Für mich ist das Thema, wie gehen wir mit unseren Spitzenpolitikern, unseren Hoffnungsträgern um? Ich muss dazu sagen, ich habe diese Nachricht bekommen mitten in einer Veranstaltung und ich war fassungslos. Ich habe gesagt, du hast schon viel erlebt in der Politik, aber die Art und Weise, wie das in einer Minute 36 Sekunden abgewickelt wurde, hat mich zutiefst berührt, hat mich betroffen gemacht und ich habe es auch bis heute noch nicht weggesteckt, weil ich einfach denke, jemand, der über 15, 20 Jahre Politik gemacht hat fürs Parlament und engagiert war, innerhalb von einer Minute 39 Sekunden zu sagen, das war’s ... Das hat er eigentlich in der Art und Weise nicht verdient.

    Armbrüster: Was hätte Angela Merkel anders machen sollen?

    Noll: Ich finde, sie hätte das einfach auch in Ruhe angehen sollen. Ich kann einfach die Vorgehensweise in dem Punkt nicht nachvollziehen. Ich denke, er hatte wirklich eine zweite Chance verdient, er hat ja gesagt, er will seine ganze Kraft in die Ausübung des Amtes als Umweltminister reinstecken. Wir haben noch ein Jahr in der Legislaturperiode vor uns, die Energiewende ist jetzt am Laufen und ich finde, die Chance hätte man ihm geben müssen.

    Armbrüster: War denn Norbert Röttgen nicht zu stark geschwächt durch dieses Wahldebakel am Sonntag?

    Noll: Gut, dieses Wahldebakel war natürlich ein Debakel, aber ich sage mal, man soll es nicht nur an ihm festmachen. Ich halte es schon für richtig und angebracht, dass wir uns jetzt erst mal wieder finden, damit wir wieder eine Basis kriegen, einen Neuanfang starten. Das setzt eine Analyse voraus. Allein es ihm anzuheften, zu sagen, er hat zwar die Verantwortung komplett auf sich übernommen, ich habe selber aber am nächsten Tag schon dem Geschäftsführenden erklärt, auch ich trete zurück als stellvertretende Landesvorsitzende beziehungsweise ich werde nicht mehr kandidieren. Weil, ich möchte einfach, dass die CDU in NRW wirklich zur alten Stärke zurückkommt, und das kriegen wir nur dann hin, wenn wir wirklich uns hinsetzen, Analyse machen und nach vorne schauen. Und deswegen glaube ich, dass das alles eine relativ schnelle Reaktion war. Und mich macht es einfach sehr betrübt, weil er einer unserer Hoffnungsträger ist. Und jemand wirklich, sage ich mal, durch so eine Vorgehensweise politisch fast zu vernichten, ist etwas, was ich einfach nicht nachvollziehen kann.

    Armbrüster: Das heißt, wenn ich das so auf den Punkt bringen darf: Sie üben hier deutliche Kritik an der Bundeskanzlerin und ihrer Entscheidung?

    Noll: Ich übe deutliche Kritik ganz einfach deshalb, weil, wir sind die C-Partei, und wenn man das C wirklich einer großen Bedeutung beimisst – und das tue ich –, dann ist die Frage, wie gehen wir miteinander um? Und ich glaube, an der Stelle sind wahrscheinlich Fehler gemacht worden.

    Armbrüster: Wie kommt denn dieser Umgang, den Sie da beschreiben, wie kommt der bei der Basis der CDU an?

    Noll: Bei der Basis der CDU, was ich höre, ist, die Menschen sind fassungslos. Ich habe sehr viele Telefonate geführt, ich höre das aber auch bei den Bürgern, die einfach sagen, mit dieser Reaktion hat keiner gerechnet. Und da ist auch sehr viel Unverständnis. Und ich versuche auch, mit der CDU-Basis zu reden, dass ich denen genau so sage, diese Fassungslosigkeit, die ihr empfindet, empfinde ich auch so, und ich hoffe einfach, dass wir nächste Woche – da haben wir wieder Sitzungswoche – einfach mal die Sache in Ruhe besprechen können. Ich glaube nicht, dass es uns weiterbringt, irgendwelche Fronten zu verhärten, sondern wir wollen ja gemeinsam kämpfen für ein gemeinsames Ziel. Da muss man aber miteinander kämpfen und nicht gegeneinander.

    Armbrüster: Nun haben viele Beobachter gesagt, am Mittwoch, als die Bundeskanzlerin ihre Entscheidung verkündet hat, da sei sie ausgesprochen nervös gewesen. Haben Sie auch den Eindruck, dass hier möglicherweise der Kanzlerin oder bei der Kanzlerin oder generell bei der CDU-Spitze im Bund der Eindruck entsteht, uns läuft langsam die Zeit davon, wir müssen schnellere Entscheidungen treffen?

    Noll: Also, dass die Erwartungshaltung da ist, dass ... sage ich mal, dass wir agieren und ich sage mal, die Zeit, so wie sie jetzt ist, nicht nur, dass sie schnelllebig ist, auch das, was an den Märkten passiert, setzt uns ja extrem unter Druck, da ist eine Erwartungshaltung an der Bevölkerung und wir müssen liefern, so. Dass das, sage ich mal, die Kanzlerin extrem belastet und sie dadurch auch ... Wie jetzt zum Beispiel, der G-8-Gipfel, es ist ja nicht so, dass das Geschäft sich jetzt nur auf Berlin fokussiert, sondern sie ist ja auch international unter der Beobachtung. Dass wir liefern müssen, das ist nachvollziehbar, aber ich glaube einfach, wir sind ein gutes Team, wenn wir auch uns teamfähig darstellen. Und das ist eben die Frage, wie gehen wir geschlossen miteinander um? Und ich möchte gerne, dass wir einfach da noch mal drüber nachdenken, ob wir wirklich ... ob das unsere Handschrift ist oder ob wir da nicht auch ein bisschen mehr Menschlichkeit zeigen sollten.

    Armbrüster: Frau Noll, wie soll Ihr Landesverband, die CDU in NRW, wie soll er diesen Machtverlust in Berlin nun kompensieren?

    Noll: Nun ja, ich sage mal, es wird ja jetzt darüber nachgedacht, wer der Nachfolger wird auch von Peter Altmaier, es sind diverse Namen ja gespielt worden. Aber alles Weitere habe ich jetzt keine Sachkenntnis, das heißt, ich würde jetzt nur spekulieren. Und ich denke, dass wir nächste Woche ein bisschen weiter sind. Das ging alles jetzt so schnell, deswegen müssen wir gucken, dass wir auch entsprechend, sage ich jetzt mal, in der Spitze vertreten sind. Aber ich denke, da wird die Kanzlerin auch eine Lösung finden.

    Armbrüster: Aber Sie fordern durchaus da eine Entschädigung in Berlin?

    Noll: Ja, ich finde, wir sind der größte Landesverband, wir sind eine starke Truppe, jetzt unabhängig von dem Wahlergebnis. Daran müssen wir intern arbeiten, aber ich denke schon, dass wir auch entsprechend, dass wir uns in der Spitze wiederfinden müssen.

    Armbrüster: Hat diese Entscheidung, Norbert Röttgen zu entlassen, und dieser Wegfall sozusagen jetzt von Norbert Röttgen, hat der den liberalen Flügel in der CDU geschwächt?

    Noll: Den liberalen Flügel geschwächt? Nein ...

    Armbrüster: ... Röttgen galt ja immer so ein bisschen als so ein Mittelsmann auch zwischen CDU und Grünen.

    Noll: Ja, das ist richtig, aber ich sage mal, Peter Altmaier, den ich ja nun wirklich auch sehr, sehr schätze als hoch intelligenten, loyalen, wirklich liebenswerten Kollegen, extrem sachkompetent, der ist genau so liberal in seiner Einstellung und steht auch für diesen Kurs. Also, deswegen sage ich mal, Norbert Röttgen war einer von den Spitzenpolitikern, der diesen Kurs geht, aber wenn Norbert Röttgen, wie gesagt, in der Funktion nicht mehr ist, gibt es aber andere, die diesen Kurs auch fortsetzen werden. Also, das sehe ich jetzt nicht als das große Problem.

    Armbrüster: Sagt Michaela Noll, sie ist stellvertretende Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU und sitzt für ihre Partei außerdem im Deutschen Bundestag. Besten Dank für das Gespräch, Frau Noll!

    Noll: Gern geschehen, alles Gute, Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.