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Nord-West-Oelleitung GmbH
Drehscheibe für den deutschen Rohöl-Import

Ein großer Teil des Rohöls, das Deutschland erreicht, kommt in Wilhelmshaven an. Dort betreibt die Nord-West-Oelleitungsgesellschaft den größten deutschen Ölhafen. Der sinkende Preis für den Rohstoff drückt aber die Stimmung.

Von Godehard Weyerer | 14.02.2014
    Öktanker beim Einfahren in einen Hafen
    Jedes Jahr machen mehr als 200 Tankschiffe in Wilhelmshaven fest. (picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck)
    Die schmale, fast 700 Meter lange Zufahrt, die die Löschbrücke draußen im Meer mit dem Festland verbindet, ist gerade breit genug für ein Auto. Unter dem Steg verlaufen die Rohre, durch die das Erdöl von den Schiffen in die riesigen Tanks an Land gepumpt wird. An der 1,2 Kilometer langen Brücke können drei Tanker gleichzeitig abgefertigt werden. Heute ist es nur ein Schiff. Schichtmeister Rolf Wachowiak kontrolliert den Lösch-Vorgang.
    "Das ist die Bonita, die bringt Öl aus Russland. So, jetzt warten wir, bis er irgendwann fertig wird. Das dauert, je nachdem wie die Schiffspumpen pumpen. In der Regel sagen wir so um 20 Stunden."
    106.000 Tonnen Rohöl bringt der Tanker nach Deutschland. Über drei blaulackierte Verladearme kommt das Öl an Land. Die Kreiselpumpen im Schiffsbauch laufen auf Hochtouren. Zu hören sind sie auf der Brücke nicht. Die Bonita liegt fest vertäut und rührt sich keinen Zentimeter vom Fleck.
    "Sobald wir merken, es kommt schlechtes Wetter, wir kriegen Sturm, sich das Schiff doch bewegt, dass es weggedrückt wird, dann bringen wir zusätzliche Leinen aus."
    Eine Milliarde Tonnen Rohöl wurde in den vergangenen 56 Jahren im Ölhafen Wilhelmshaven gelöscht und floss durch die angeschlossenen Pipelines zu den Raffinerien in Nord- und Westdeutschland. Jörg Niegsch ist seit 2011 Geschäftsführer der Nord-West-Oeleitung GmbH, die Ölhafen, Tanklager und Pipelines betreibt:
    "Im Februar 1956, also genau vor 58 Jahren, wurde die Entscheidung für Wilhelmshaven getroffen, alternativ wurde auch ein neuer Petroleumhafen in Rotterdam diskutiert. Es ging also Rotterdam versus Wilhelmshaven. Obwohl die Wassertiefe damals mit zwölf Metern für 40.000 Tonnen-Schiffe, das waren damals die Schiffe, die man damals betrachtet hat, in Wilhelmshaven und Rotterdam nahezu identisch war, hatte Wilhelmshaven gegenüber Rotterdam den Riesenvorteil, dass die Wassertiefe deutlich ausgebaut werden kann."
    Laufen die megagroßen Tanker Wilhelmshaven an, wird notfalls die Liegewanne ausgebaggert. Oft kommt das nicht vor. Meist haben die Schiffe in Rotterdam einen Teil ihrer Ladung bereits gelöscht. Rotterdam ist Europas größter Umschlagplatz für Rohöl geblieben, Wilhelmshaven seit nunmehr 56 Deutschland einziger Einfuhrhafen. Auf dem 170 Hektar großen Betriebsgelände stehen 35 kreisrunde, weiß lackierte Tanks - alle 13,5 Meter hoch. 1,6 Millionen Kubikmeter Öl haben hier Platz:
    "Die Tanks dienen als Zwischenlager, um die Mengen aus einem Tanker relativ schnell aufzunehmen, um danach ganz, ganz langsam, dafür kontinuierlich über die Pipelines an die Raffinieren abzugeben."
    Vier Raffinerien werden versorgt
    Von Wilhelmshaven aus werden eine Raffinerie im Emsland, zwei in Gelsenkirchen und jeweils eine in Köln-Godorf und in Wesseling versorgt. Sieben Tage dauert die Reise des Erdöls bis nach Köln. In den Raffinerien wird daraus in erster Linie Benzin und Diesel hergestellt. An der Zapfsäule schlagen das Löschen, die Zwischenlagerung des Erdöls und das Weiterleiten in den Pipelines vielleicht mit einem halben Cent zu Buche, schätzt Geschäftsführer Jörg Niegsch.
    Zu 90 Prozent arbeitet die Nord-West-Oelleitung GmbH im Auftrag ihrer Gesellschafter Shell, BP, Ruhr Oel und Holborn, einer Hamburger Raffinerie. 150 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von jährlich rund 40 Millionen Euro. Die restlichen zehn Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen mit der sogenannten Krisenbevorratung. Kein Relikt aus Zeiten des Kalten Krieges, sondern eine Vorgabe des Gesetzgebers, für 90 Tage genügend Rohöl in Reserve vorzuhalten. In der Nähe von Wilhelmshaven liegen unter Tage riesige Salzstöcke, die als Kavernen dienen. Dort lagern in bis zu 5.000 Metern Tiefe 15 Millionen Tonnen Erdöl, ohne sich mit dem Salz zu vermengen.
    "Wir lagern das Rohöl ein, in der Regel liegt das Öl dann 10, 15 oder mehr Jahre und kommt dann eins zu eins unverändert mit den selben Eigenschaften da wieder raus."
    In Deutschland werden pro Jahr rund 100 Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet. Über Pipelines aus Rotterdam, Triest, Marseille und aus Russland kommt der Rohstoff ins Land und zu 20 Prozent über die Anlage in Wilhelmshaven.
    Dort, wo der Zufahrtsweg auf die Löschbrücke trifft, steht das Brückenhaus. Im ersten Stock ist der Arbeitsplatz von Schichtmeister Rolf Wachowiak - Schreibtisch, zwei Bildschirme, ein Funksprechgerät. Rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr laufen die Tanker Wilhelmshaven an.
    "Unsere Statistik, da sehen wir, wie oft der hier da war. Die Bonita war sechs Mal hier, zum ersten Mal 2006."
    277 Tankschiffe machten 2012 in Wilhelmshaven fest; letztes Jahr wurden noch 233 im Ölhafen gelöscht. Rückläufig sind auch die Umschlagszahlen - von 21,5 Millionen Tonnen Rohöl fielen sie auf 18,1 Millionen Tonnen. Der Ölmarkt ist ein schrumpfender Markt. Raffinerien wurden bereits geschlossen. Nur die modernsten Anlagen bleiben im Markt, sagt Jörg Niegsch, der Geschäftsführer der Nord-West-Oelleitung GmbH. Die Raffinerien, die sein Unternehmen versorgt, zählt er dazu.