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Nordatlantik bleibt Europas Warmwasserheizung

Klima.- In Hamburg beginnt die Abschlusskonferenz zweier Forschungsprojekte, die sich mit dem Klimawandel im Nordatlantik befassten. Eine Entdeckung: Nordeuropa wird immer noch durch die sogenannte meridionale Umwälzbewegung im Nordatlantik gewärmt. Ein überraschender Befund!

Von Volker Mrasek | 24.09.2012
    Wie war das noch in Roland Emmerichs Hollywood-Drama "The day after tomorrow"? New York versinkt in Eis und Schnee, weil der Golfstrom abbricht und nicht mehr länger Wärme aus dem tropischen Atlantik in höhere Breiten transportiert. Klimaforscher bezweifeln schon länger, dass so etwas in nächster Zeit passieren könnte. Jetzt ist es praktisch amtlich:

    "Dieses Eiszeit-Szenario wie in dem Film, das ist abgeblasen. Das bleibt abgeblasen. Wir sehen im Augenblick kein Anzeichen, dass so etwas da ist oder bevorsteht."

    Vier Jahre lang haben sich Klimaforscher aus ganz Europa intensiv mit der Meereszirkulation im Nordatlantik beschäftigt. Darunter auch Detlef Stammer, Professor für Ozeanografie und Fernerkundung an der Universität Hamburg. Die Projekte laufen jetzt aus. Es gibt aber schon grünes Licht für Anschlussvorhaben:

    "Jeweils zwei davon sind nationale Projekte. Die anderen beiden sind EU-Projekte, also europäisch finanzierte Projekte."

    Die Experten sprechen heute von der meridionalen Umwälzbewegung im Nordatlantik. Sie schließt den Golfstrom mit ein. In dem System strömt warmes Oberflächenwasser nach Norden und kaltes Tiefenwasser nach Süden zurück. Nach den Projektergebnissen läuft dieses marine Förderband noch immer sehr stabil und wärmt Nordeuropa. Ein überraschender Befund! Denn anderen Studien zufolge schien es schon ins Stottern geraten zu sein.

    "Ich denke, eine der Aussagen, die wir wirklich treffen können, ist: Über den Beobachtungszeitraum, den wir jetzt abdecken können, hat sich keine substanzielle Abschwächung des Systems ergeben. Es gab Veröffentlichungen, die gesagt haben: Seit 1950 oder '60 bis heute hat sich die meridionale Umwälzbewegung um 30 Prozent reduziert. Wir wissen inzwischen viel mehr. Und wir sehen im Augenblick keine Anzeichen für wirklich eine abrupte Änderung."

    In den genannten Studien seien aus einzelnen Messungen unzulässigerweise Ganzjahrestrends konstruiert worden, so Ozeanograf Stammer.

    Was sich allerdings ändert, das ist die Meerestemperatur:

    "Das gesamte System erwärmt sich. Und da spreche ich über 2000 Meter Tiefe! Die Zirkulation reagiert da gar nicht so stark drauf, aber die Transporte von Wärme einfach ändern sich ziemlich stark."

    Die Temperatur zählt zu den drei Faktoren, die die nordatlantische Umwälzpumpe antreiben und steuern. Die beiden anderen sind der Salzgehalt des Wassers und die Windströmungen über dem Ozean. In absoluten Zahlen scheint die Erwärmung des Ozeans zwar sehr gering zu sein, ...

    "Wir sprechen da über ein Zehntel Grad oder etwas weniger. Aber im Sinne von Transporten, auch in Wärme setzt sich das schon sehr stark in große Zahlen um. Also, im Sinne von Temperatur- oder Salzschwankungen sind die Klimaänderungen klein, aber groß in ihrer Bedeutung."

    Dabei muss man auch noch berücksichtigen, dass der Nordatlantik von Natur aus wechselhaft ist. So gibt es offenbar einen langfristigen Zyklus, dem das Strömungssystem folgt. Auch das eine Erkenntnis aus den Projekten.

    Diese natürliche Schwankung habe die Form einer Sinuskurve, sagt der Ozeanograf Johann Jungclaus vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Die nordatlantische Umwälzpumpe werde zunächst stärker und dann wieder schwächer – das Ganze über einen Zeitraum von 70 bis 80 Jahren:

    "Zwischen einem Minimum und einem Maximum kann das Auswirkungen für die Temperatur im Nordatlantik haben, die dann auch ausstrahlen nach Europa, von etwa bis zu einem halben Grad. Auch in der Luft."

    Doch im Detail ist noch immer zu wenig über Europas Warmwasserheizung und ihre Betriebszustände bekannt. Umfangreiche Messungen im Ozean gibt es erst seit wenigen Jahren. Aber immerhin: Die Klimaforscher konnten jetzt zwei Schlüsselregionen im System identifizieren: die Labrador-See und die Dänemarkstraße westlich beziehungsweise östlich von Süd-Grönland. Dort soll das Strömungssystem in den Folgeprojekten jetzt genau observiert werden. Die Instrumente dafür sind schon installiert.