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Nordchinesische Provinz Hebei trocknet aus

China ist weltweit betrachtet mittlerweile der größte CO2-Emittent. Chinas Regierung hat allen Grund sich Sorgen zu machen: Insbesondere im Norden des riesigen Landes sind die Folgen der Klimaerwärmung bereits jetzt gravierend.

Von Philip Bilsky | 26.11.2010
    Viele sind von Namuhuas Schafen nicht mehr übrig. In dem kleinen Stall hat sie gerade noch elf Stück. Früher waren es über 100.

    "Die Schafe sind enorm schädlich für den Boden. Sie zerstörten die Grasnarbe. Deswegen hat die Regierung die Zahl der Schafe begrenzt."

    Namuhua trägt eine dicke Jacke, um sich gegen den Wind zu schützen. Ihre schwarzen Haare hat sie zu einem Zopf gebunden. Sie ist 48 Jahre alt und gehört zur nationalen Minderheit der Mongolen. Zusammen mit ihrem Mann bewirtschaftet Namuhua einen kleinen Hof in der Provinz Hebei im Norden Chinas. Die Gegend kämpft mit Wassermangel und zunehmender Verwüstung. Zu viele Schafe - fürchtet die chinesische Regierung - würden die ohnehin schon angeschlagene Vegetation weiter schädigen.

    Namuhua macht sich auf den Weg zum nahe gelegenen Anguli-See. Der war lange Zeit einer der großen Seen in Nordchina - mit einer Fläche von rund sieben Quadratkilometern, das entspricht fast 1000 Fußballfeldern. Doch viel ist von dem See nicht mehr übrig. Seit einigen Jahren ist er so gut wie ausgetrocknet.

    "Es ist ganz anders als in meiner Kindheit. Vor zehn Jahren war hier noch alles voller Wasser. Es gab viele Fischer. Sogar aus dem Süden sind sie hierher gekommen. Jetzt gibt es hier nichts mehr - ohne Wasser kann einfach nichts existieren."

    Wo früher gefischt wurde grasen jetzt Pferde. So weit das Auge reicht sieht man nur Gestrüpp und sandigen Boden. Von dem einst mächtigen See sind nur noch einige Pfützen übrig. Der ausbleibende Regen ist eine Folge des Klimawandels, glauben chinesische Wissenschaftler. Sollte nichts gegen die Erd-Erwärmung getan werden, dürfte sich dieses Problem weiter verschärfen. Mit jedem Grad Temperaturanstieg steigt der Wasserbedarf um rund zehn Prozent, so die Schätzung. Eine enorme Herausforderung. Nicht nur für die Provinz Hebei, erklärt Ma Chaode, Wasserexperte des WWF in Peking.

    "Betroffen sind vor allem die Regionen im Nordwesten und im Norden Chinas. Dort ist der Wassermangel ein Riesenproblem. Wie in Xinjiang der Inneren Mongolei oder den höher gelegenen Lössregionen. Der Wassermangel schadet nicht nur dem Ökosystem. Er beeinflusst direkt das Leben der Menschen."

    Gemeinsam mit der chinesischen Regierung hat die Umweltorganisation Studien über die Folgen des Klimawandels in China durchgeführt. Der Wassermangel ist eines der drängendsten Probleme. Aber er ist nur ein Beispiel von vielen.

    "Wetterextreme werden zunehmen, die Gletscher im Ursprungsgebiet des Yangtse-Flusses werden schneller schmelzen, Grasflächen weiter abnehmen. Auch Katastrophen wie die Überschwemmungen und die Dürren in diesem Jahr haben mit dem Klimawandel zu tun."

    Wie auch in anderen Ländern treffen solche Katastrophen die Armen der Gesellschaft am härtesten. Menschen wie die Bäuerin Namuhua. Die sieht für sich und ihre Familie keine Zukunft in der Region.

    "Schafe dürfen wir nicht mehr hüten. Und sonst kann man ja auch nicht viel machen. Ich schlafe in letzter Zeit sehr schlecht, weil ich ständig darüber nachdenken muss, wie es weitergehen soll."

    Vielleicht müssen sie die Gegend verlassen - so wie schon viele vor ihnen.