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Norddeutsche Verbraucherzentralen
Gute Beratung kaum noch möglich

Beratungen zu Ernährung, Versicherungen, Schuldentilgung und Energie - örtliche Verbraucherzentralen bieten Hilfe gegen ein geringes Entgelt an. Doch in Schleswig-Holstein ist dieses Angebot in Gefahr, denn vor allem norddeutsche Verbraucherzentralen sind unterfinanziert.

Von Maike Strietholt | 06.11.2014
    "Im Augenblick sieht es so aus, dass die Verbraucherzentrale für das nächste Jahr mit einer Deckungslücke von 86.000 Euro rechnet."
    Stefan Bock, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, beschreibt die aktuelle Finanzsituation. Mit den 699.000 Euro Landeszuschuss kommt die Institution nicht annähernd aus - sie muss sich mit Drittmitteln behelfen:
    "Das sind Mittel vom Bund, unterschiedliche Ministerien, das sind Mittel für Schuldnerberatung, von Kommunen. Das sind alles kleine Bausteine, die wir einsetzen konnten, damit in diesem Jahr keine Deckungslücke auftaucht, aber diese Einnahmen haben wir im nächsten Jahr nicht."
    Denn diese Drittmittel fließen nur für eine begrenzte Zeit. Langfristig planen lässt sich damit also nicht. Gut einplanbar sind hingegen Landesmittel. Aber die machen zur Zeit nur 30 Prozent des Budgets aus - mit der Folge, dass auch die Arbeit von eigentlich fest angestellten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mit Drittmitteln querfinanziert werden muss:
    "Das heißt, wir haben Mitarbeiter, die im Laufe eines Jahres auf eine Vollzeitstelle kommen, aber dann mit dem kommenden Jahr auf eine Teilzeitstelle zurückfallen. Das ist natürlich nicht befriedigend für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, insbesondere auch nicht wenn man an so etwas wie Altersvorsorge denkt."
    Und auch auf die Beratungsarbeit hat der hohe Anteil an Drittmitteln Auswirkungen:
    "Die Differenz, wenn wir sie nicht schließen können bis zum Jahresende, wird dazu führen, dass wir gegebenenfalls Öffnungszeiten reduzieren müssen, um Kosten einzusparen - und das sind in erster Linie Personalkosten."
    Zahl der Zweigstellen reduziert
    Dabei wird die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein dem Beratungsbedarf bereits jetzt schon nicht gerecht: Nachdem vor gut zehn Jahren die Zahl an Zweigstellen von 23 auf fünf reduziert wurde, bleibt heute jede dritte Telefonanfrage zunächst unbeantwortet. Einwohnerreiche Regionen wie Pinneberg oder Neumünster haben gar keine Beratungsstelle mehr. Geschäftsführer Stefan Bock kritisiert die Finanzierungssituation ganz grundsätzlich:
    "Verbraucherarbeit, wie wir sie machen, ist unseres Erachtens nach eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Und die Verantwortung dafür trägt das Land. Projektmitteln können keine Grundlage sein, um eine solche Institution am Leben zu halten, das geht nicht."
    Auf eine Aufstockung des Fördertopfes möchte sich das schleswig-holsteinische Wirtschaftsministerium jedoch zunächst nicht festlegen. Das Land Schleswig-Holstein wolle definitiv eine starke Verbraucherzentrale, eventuell müssten dafür aber 'alte Zöpfe' abgeschnitten werden. Staatssekretär Frank Nägele – es sei so, dass:
    "Sich über die Jahre da ein System entwickelt hat, das auf alten Kommunikationsformen aufbaut, auf alten Formen der Präsenz und aus unserer Sicht dringend einmal intensiver überprüft werden muss. Weil zu Zeiten von Amazon und den berüchtigten Finanzprodukten andere Dienstleistungen möglicherweise gefragt sind, als sie das vor 20 Jahren waren."
    Auch Hamburger Verbraucherzentrale hat ein Finanzproblem
    Für das kommende Jahr ist ein einmaliger Zuschuss von 42.000 Euro angekündigt, eine Unternehmensberatung soll dann in den nächsten Monaten evaluieren, wie eine zukunftsfeste Finanzierung aussehen kann und ob beispielsweise Doppelstrukturen vorliegen. Die schleswig-holsteinische Verbraucherzentrale steht mit ihrem Finanzproblem keineswegs allein da: Im benachbarten Hamburg beispielsweise beträgt der Anteil der Landesförderung aktuell nur 14 Prozent. Vor einer Unterfinanzierung wie im nördlichen Nachbarland sei man auch hier nicht sicher, sagt Geschäftsführer Günter Hörmann:
    "Wenn wir etwas Neues anfangen wollen, müssen wir Projektmittel beantragen oder wir müssen es durch Eigeneinnahmen finanzieren - durch Beratungsentgelte oder Entgelte für Publikationen - das heißt, der Verbraucher muss es am Ende zahlen."
    Die Hamburger Verbraucherzentrale kassiert inzwischen rund ein Drittel ihrer Einnahmen selbst, also über Gebühren oder Verkaufserlöse. Das geht eigentlich nicht, sagt Geschäftsführer Hörmann:
    "Weil wir bei bestimmten Zielgruppen - arme Verbraucher, Senioren, Migranten, junge Leute - nicht kostendeckende Beratungsentgelte nehmen können, das heißt da muss man eine staatliche Förderung haben."