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„Omas gegen Rechts“ aus Wien
Rebellische Rentnerinnen

Mit Buttons, roten Wollmützen und Aktionen im öffentlichen Raum protestieren in Österreich die "Omas gegen Rechts" - seit einem Jahr schon. Die Aktivistinnen brechen mit Klischees, bieten der Regierung Kurz kreativ Paroli und eröffnen bei der Vienna Art Week ein "Oma Café".

Von Paul Lohberger | 19.11.2018
    Caroline Koczan, Susanne Scholl und Monika Salzer (v.l.n.r) während der Pressekonferenz zum Thema Omas gegen Rechts am Montag, 12. November 2018, in Wien. | - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER / www.picturedesk.com
    "Wir sind eine politische Kraft" - Caroline Koczan, Susanne Scholl und Monika Salzer (v.l.n.r.) während der Pressekonferenz zu "Omas gegen Rechts" (APA / HERBERT PFARRHOFER / www.picturedesk.com)
    Eine schwarzgekleidete Dame spielt Klavier, eine ältere Frau mit Pagenkopf und Halbbrille singt im Vordergrund. Bei den letzten Zeilen macht die Sängerin eine Handbewegung, die kurz gegelte Haare andeutet, wie sie der fesche jung Kanzler Kurz trägt. Caroline Koczan heißt die Sängerin aus dem Internet-Video. Nicht nur wenn sie das Oma-Lied singt, gibt sich die Schauspielerin kämpferisch:
    "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir das Klischee brechen wollen - wir sind nicht die strickenden Braven hinterm Herd, die Apfelstrudel backen und Kinder versorgen, sondern wir sind eine politische Kraft."
    "Wir machen dem Staat ein Geschenk"
    Die Rede ist von den "Omas gegen Rechts". Ein Jahr gibt es diese Initiative nun, mit Präsenz in den sozialen Netzwerken und einer professionellen Pressekonferenz im feinen Café Landtmann zum Jubiläum.
    Eine weitere der drei anwesenden Damen ist Monika Salzer, eine Pastorin im Ruhestand:
    "Das macht unseren Erfolg aus, dass wir nicht für uns oder für unsere Pensionen auf die Straße gehen oder für unsere Interessen, sondern das wir eigentlich, diesem Staat ein Geschenk machen und sagen, wir sind zwar alt, aber nicht so alt, und wir wollen uns für die kommenden Generationen, unsere Kinder und Enkelkinder, einsetzen.
    Susanne Scholl: "Wir sind eine Art Zeitzeugen, auch wenn wir zweite Generation sind, auch wenn wir nach dem Krieg geboren sind, haben wir doch die Geschichten unserer Eltern übernommen, und unserer Großeltern. Und es ist unsere Aufgabe, immer wieder laut zu schreien und zu sagen: Das sind Dinge, die nicht mehr passieren dürfen."
    Das wäre unbedingt nötig angesichts der aktuellen Politik, die laufend die Demokratie untergräbt, meint die Autorin und frühere ORF-Journalistin Susanne Scholl. Sie kam nach dem Krieg in Wien zur Welt, ihre Eltern hatten sich in der Emigration kennengelernt. Die Großeltern kamen durch nationalsozialistische Verfolgung um. Umso sensibler sieht die Doyenne der österreichischen Auslandskorrespondenten die zunehmende Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung. Die "Omas gegen Rechts" sind eine betont überparteiliche Initiative, die für den Sozialstaat und für Frauenrechte kämpfe. So steht es in ihrem Manifest. Sie formierte sich als Facebook-Gruppe - mit aktuell 3.500 Followern.
    Auftritt auf der Vienna Art Week
    Susanne Scholl: "Wir wollen nicht in der virtuellen Welt bleiben und einfach irgenswelche Smilies posten und uns irgendwo dran hängen, sondern wir wollen uns in der realen Welt zusammentreffen und sichtbar werden, und die soziale Kälte, die da immer mehr einzieht, irgendwie unterwandern."
    Real in Erscheinung traten die Omas erstmals in Wien im Dezember 2017, als sie sich einer Demonstration gegen die Regierung Kurz von der ÖVP und seinem Koalitionspartner, der populistischen FPÖ, anschlossen. Seither gehen sie immer wieder auf die Straße. Auch bei den im Oktober gestarteten Donnerstagsdemos sind die "Omas gegen Rechts" dabei.
    Caroline Koczan: "So als zivilgesellschaftliche Gruppe haben wir einen wichtigen Ort, einen wichtigen Ort und dieser Ort ist die Straße. Die Straße ist nicht besetzt durch Regierungsmitglieder oder andere Menschen, sondern die Straße ist der Ort, wo wir uns treffen können und wo wir gemeinsam sagen können: Es reicht!"
    Bei der heute startenden Kunstwoche "Vienna Art Week" eröffnen die rebellischen Rentnerinnen das "Oma-Café" - ein Dialogforum im Wiener Museumsquartier. Geplant sind Gespräche, Lesungen und Aktionen mitten im urbanen Dreieck zwischen Style, Kunst und Kultur.
    "Schwerpunkt ist politische Debatte"
    Monika Salzer: "Am Anfang war die große Versuchung, sich in viele Kunstprojekte einzugliedern, und wir haben dann entschieden: Das ist nicht unser Schwerpunkt. Unser Schwerpunkt ist die politische Debatte, und über Kunst ist die nicht immer leicht zu führen, weil sie dann schon eine Übersetzung hat."
    Natürlich hören auch die Omas Hate Speech von Identitären und Rechten. Doch selbst deren Attacken im Netz halten sich in Grenzen, der Zuspruch überwiegt: Mittlerweile haben sich Ableger der "Omas gegen Rechts" auch in deutschen Großstädten gegründet - und auch ein paar Opas haben sich dazugesellt.
    Caroline Koczan: "Den Omas ist es gelungen, als politische Kraft ernst genommen zu werden - mit einem Augenzwinkern, denn jeder Mensch hat eine Oma, und jeder Mensch hat auch Vertrauen, meistens zu dieser Oma, weil die Lebenserfahrung hat - und mit dieser Lebenserfahrung können wir natürlich auch punkten."
    Monika Salzer: "Ich denk mir einfach, wir sind jenseits der Sorge, es könnte uns was passieren. Das macht uns sehr stark."