Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Nordkoreas Regime "braucht den Propagandaerfolg"

Bei dem vom nordkoreanischen Regime angekündigten Raketenstart will Norbert Eschborn, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul, nicht an ein ziviles Projekt glauben. Pjöngjang gehe es vielmehr darum, Stärke zu demonstrieren und das Drohszenarium - vor allem gegenüber den USA - zu verstärken.

Norbert Eschborn im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 12.04.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Will die nordkoreanische Führung tatsächlich nur einen Wettersatelliten in die Erdumlaufbahn bringen, wie sie selber behauptet, oder geht es vielmehr um den Test einer Interkontinentalrakete, die auch mit einem Atomsprengkopf bestückt werden könnte und die bis nach Alaska reichen könnte? Feststeht: Bis Montag soll die entsprechende Rakete gezündet werden.

    Am Telefon begrüße ich Norbert Eschborn, er ist der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul. Schönen guten Morgen!

    Norbert Eschborn: Hallo, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Eschborn, Pjöngjang behauptet ja, es gehe nur darum, einen Wettersatelliten in die Erdumlaufbahn zu bringen. Wie glaubhaft ist die Darstellung des nordkoreanischen Regimes?

    Eschborn: Also ich glaube das nicht und ich möchte mich der Deutung des in Ihrem Bericht zitierten japanischen Offiziers anschließen.

    Heckmann: Wie kommen Sie dazu, zu Ihrer Schlussfolgerung? Weshalb ist das auszuschließen, dass es wirklich nur um so ein ziviles Projekt geht?

    Eschborn: Nun, also ich denke, die Argumente, die in dem Bericht genannt wurden, sind schlüssig und glaubwürdig. Das Regime braucht den Propagandaerfolg, gerade jetzt, wenige Tage vor dem großen Feiertag, wo ja des Staatsgründers Kim Il Sung, des Großvaters des jetzigen ersten Mannes gedacht wird, und ich sehe auch eigentlich keinen Grund, warum man sich jetzt mit so Dingen wie einem Satelliten beschäftigen sollte, wenn man doch der Welt und vor allem dem Verhandlungspartner USA zeigen kann, was man alles an Trumpfkarten in der Hinterhand hat, um eigene Positionen – sei es in friedlichen Verhandlungen oder auch bei Drohgebärden – durchzusetzen.

    Heckmann: Was trauen Sie denn den nordkoreanischen Technikern zu? Glauben Sie, dass dieser Test erfolgreich verlaufen wird, und was würde das bedeuten für die regionale Stabilität?

    Eschborn: Also ich bin selbst kein technischer Experte und kann das schlecht beurteilen, aber wenn Sie mich so fragen aufgrund dessen, was bekannt ist, traue ich den nordkoreanischen Technikern sehr viel zu. Es gibt ja die Theorie, dass sie unter anderem in den letzten ein, zwei Jahren schon einmal in Nordkorea Atomtests für den Iran durchgeführt haben. Dass sie technologisch wissen was sie tun, das glaube ich ganz bestimmt, und darin liegt ja auch die Sorge der Amerikaner und Südkoreaner begründet.

    Heckmann: Auch Peking zeigte sich besorgt, aber zurückhaltend. Welche politischen Folgen, Herr Eschborn, könnte dieser Abschuss der Rakete haben, zum Beispiel für die Atomgespräche mit Nordkorea?

    Eschborn: Also im Verhältnis Peking-Pjöngjang stimmt ja auch vieles nicht. Pjöngjang ist so, um das Bild zu verwenden, wie der pubertierende Sohn der Familie, mit dem die Eltern nicht mehr wissen, was sie noch anfangen können, der nicht auf Weisungen hört, der nicht auf Drohung reagiert, der macht was er will und der einfach unberechenbar ist. Ich habe mit diesen Sechs-Parteien-Gesprächen persönlich nie viel anfangen können, weil ich das Verhandlungskonzept nicht für besonders gut halte, das eigentlich davon ausgeht, dass die anderen fünf Parteien Nordkorea steuern, während die Realität so aussieht, dass Nordkorea alle anderen fünf Parteien steuert. Insofern glaube ich nicht, dass das jetzt ein geeignetes Instrument ist, um auf diesem Problemfeld der regionalen Sicherheit in Nordostasien Fortschritte zu machen.

    Heckmann: Wenn Sie sagen, Herr Eschborn, dass Nordkorea die anderen Partner bei diesen Gesprächen steuert, dann dürfte Pjöngjang eigentlich kein Interesse daran haben, dass die Atomgespräche nicht wieder aufgenommen werden.

    Eschborn: Das weiß ich so nicht. Pjöngjang ist immer auf der Suche nach Mitteln, um die Aufmerksamkeit insbesondere der USA auf sich zu lenken, und jedenfalls nicht als nur isolierte Nation dazustehen, die es ist, aber zumindest dann auch als isolierte, aber machtvolle Nation mit Drohmitteln wahrgenommen zu werden. Ich sehe da schon einen qualitativen Unterschied und Nordkorea kann sehr gut weiterleben, ob die Atomgespräche jetzt stattfinden oder nicht. Das scheint mir kein Problem zu sein, denn die Versorgungslage ist zwar sehr schwierig und die Bevölkerung ist in der Tat sehr verarmt, aber das Leidensniveau der Menschen, die Leidensfähigkeit ist sehr hoch nach dem, was ich gesehen habe, und ich glaube, da bedarf es noch einiger Erschwernisse, bis dort von innen heraus das so nicht mehr weitergeht, wie es im Moment läuft.

    Heckmann: Also das Regime steht recht stabil da. – Kurz vor dem Test ist der neue Machthaber Kim Jong Un zum ersten Sekretär der Arbeiterpartei ernannt worden, also sozusagen zum Parteichef. Jetzt die Meldung, dass er auch der Vorsitzende der zentralen Militärkommission ist und ordentliches Mitglied des Politbüros. Festigt Kim Jong Un also weiter seine Macht?

    Eschborn: In der Tat. Ich glaube, das ist ein länger anhaltender Prozess. Der wird trotz dieser jetzt vorgenommenen Ernennungen auch noch nicht abgeschlossen sein, sondern eine Zeit lang noch andauern. Wir leben ja – und das gilt für Nord- und Südkorea – in einem gesellschaftlichen Umfeld, wo Lebensalter und Seniorität schon noch sehr wichtige Faktoren sind, und er wird auch noch eine Zeit lang auf seine Verwandten dort, seine Tante und deren Mann, die ja in den obersten Führungsgremien vertreten sind und als seine älteren Mentoren wirken, angewiesen sein.

    Heckmann: Und er ist und er wird sein der starke Mann in Nordkorea?

    Eschborn: Mittelfristig glaube ich das schon. Und wenn es Veränderungen geben wird, dann werden wir uns so lange gedulden müssen, bis das eintritt und er weitgehend selbstständig agieren kann, oder zumindest selbstständiger, als das jetzt noch der Fall zu sein scheint.

    Heckmann: Der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung Korea in Seoul, Norbert Eschborn, war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Eschborn, ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Eschborn: Schöne Grüße nach Deutschland!

    Heckmann: Danke Ihnen auch und einen schönen Tag und für die schlechte Tonqualität bitten wir um Verständnis.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.