Freitag, 19. April 2024

Archiv

Norwegen
Nobelpreis-Komitee setzt Vorsitzenden ab

Es ist ein beispielloser Schritt des Komitees, das den Friedensnobelpreis vergibt: Bei einer Sitzung in Oslo setzte das Gremium kurzerhand seinen Vorsitzenden ab. Eine Begründung gab es nicht. In die Amtszeit von Thorbjørn Jagland waren mehrere umstrittene Entscheidungen gefallen.

03.03.2015
    Der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Thorbjorn Jagland (l.), verkündet die Träger des Friedensnobelpreises in Oslo am 10. Oktober 2014.
    Thorbjørn Jagland (l.) verkündete die Träger des Friedensnobelpreises 2014. (picture alliance / dpa / Vegard Wivestad Grott)
    Das norwegische Nobelkomitee hat seinen Vorsitzenden Thorbjørn Jagland abgesetzt. Norwegische Medien in Oslo berichteten, dass Jagland während einer Sitzung des Gremiums seines Postens enthoben wurde, ohne dass zunächst Details oder Gründe genannt wurden. Jagland hat nun den Rang eines einfachen Mitglieds im Nobelkomitee inne. Die Entscheidung vom Dienstag kommentierte Jagland im Sender NRK mit den Worten, er müsse sich dieser "beugen".
    New Chair of the Norwegian Nobel Committee, responsible for selecting #NobelPeacePrize Laureates: Kaci Kullmann Five http://t.co/UXw2YP0FGR— The Nobel Prize (@NobelPrize) 3. März 2015
    Eine derartige Degradierung hat es in der mehr als hundertjährigen Geschichte des Gremiums, das für die Vergabe des Friedensnobelpreises zuständig ist, noch nicht gegeben. Nachfolgerin wird den Berichten zufolge seine bisherige Stellvertreterin Kaci Kullmann Five. Sie wollte sich bei einer Pressekonferenz nicht zu den Gründen äußern, warum Jagland nicht erneut zum Vorsitzenden gewählt wurde. Five erklärte lediglich, es habe "breite Übereinstimmung innerhalb des Komitees" gegeben, dass "Jagland sechs Jahre lang ein guter Vorsitzender gewesen" sei.
    Umstrittene Entscheidungen
    Die Entscheidungen des Nobelkomitees unter Jaglands Vorsitz hatten sowohl bei Kommentatoren als auch bei früheren Nobelpreisträgern Kritik ausgelöst. Umstritten war gleich zu Beginn von Jaglands Amtszeit im Jahr 2009 die Auszeichnung Barack Obamas, der gerade erst US-Präsident geworden und in zwei Kriege in Afghanistan und im Irak verstrickt war.
    Ein Jahr später führte die Auszeichnung des chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo zu Streit zwischen China und Norwegen - die Beziehungen beider Länder liegen seither praktisch auf Eis. 2012 sorgte die Preisverleihung an die Europäische Union für Kritik, unter anderem weil sich die Staatengemeinschaft zu diesem Zeitpunkt in einer der schwersten politischen und wirtschaftlichen Krisen ihrer Geschichte befand. In der Kritik stand Jagland auch wegen seiner zusätzlichen Funktion als Generalsekretär des Europarats.
    Die fünf Mitglieder des Nobelkomitees werden vom norwegischen Parlament bestimmt. Seit den Wahlen 2013 wird das Land von einer Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten geführt.
    (pg/tzi)