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Notizen aus Berlin
Glück muss man haben

Der erste Höhepunkt des Berlinale-Auftakttages: Die Pressekonferenz, in der sich die internationale Wettbewerbsjury vorstellt. Dabei kommt nicht nur Weltpolitik zur Sprache. Sondern, mit Jury-Mitglied Olafur Eliasson auch die Frage danach, wer im Kino eigentlich wen anschaut.

Von Maja Ellmenreich | 09.02.2017
    67. Internationale Filmfestspiele in Berlin, 09.02.2017. Internationale Jury: Wang Quan'an, Diego Luna, Maggie Gyllenhaal, Julia Jentsch, Paul Verhoeven, Dora Bouchoucha Fourati, Olafur Eliasson.
    67. Internationale Filmfestspiele in Berlin - die internationale Jury: Wang Quan'an, Diego Luna, Maggie Gyllenhaal, Julia Jentsch, Paul Verhoeven, Dora Bouchoucha Fourati, Olafur Eliasson. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Glück muss man haben: In der Eröffnungspressekonferenz sitze ich zufällig neben einer niederländischen Kulturjournalistin. Sie weiß natürlich genau, wie man den Namen des Juryvorsitzenden, des "Basic Instinct"- und "Robocop"-Regisseurs Paul Verhoeven, richtig ausspricht: "Pohl Verhufn". Ein paar Mal übe ich unter ihrer muttersprachlichen Anleitung. Schon dreht sich ein Filmkritikerkopf aus der Vorderreihe um:
    "Wie bitte? Wie heißt der genau?" Während noch die klanglichen Feinheiten geklärt werden, betreten die Mitglieder der Fachjury den Konferenzsaal – einer nach dem anderen, brav im Entenmarsch, als wären sie auf dem Weg zum Schulausflug. Aber mit Kinderkram hält man sich nicht lange auf. Ein russischer Journalist beklagt, dass wieder kein russischer Film im Wettbewerbsprogramm sei. Habe man was gegen die russische Filmkunst? Gebe es vielleicht politische Gründe dafür…Syrien etwa?
    Kein russischer Film im Wettbewerbsprogramm?
    Die Jury habe nicht das Wettbewerbsprogramm zusammengestellt, erläutert Anatol Weber als Moderator und möchte zurück zur Tagesordnung gehen. Doch schnell beweist Paul Verhoeven mit seinem jungenhaften Charme, dass er sich darauf versteht, mit drei kurzen Worten die Spannung aus der Luft zu fischen: Mit "I like Eisenstein!" erklärt er der russischen Filmkunst und ihrem berühmtesten Protagonisten kurzerhand seine Liebe. Julia Jentsch legt noch eins drauf: Sie möge russische Schauspielerinnen und Schauspieler. Und dann – ganz der Chefdiplomat – heißt Olafur Eliasson den russischen Journalisten im Namen aller herzlich willkommen.
    Der Film schaue die Kinobesucher an, erklärt Eliasson.
    Er stimmt kurze Zeit später nochmals einen geradezu präsidialen Ton an, als er erklärt, es sei ein Irrglaube zu meinen, man schaue sich einen Film an. Nein, der Film schaue uns, die Kinobesucher, an, erklärt Eliasson. Als Zuschauer fühle man sich gesehen – ein allzu menschlicher Wunsch. Kunst sei schließlich da, jedem Menschen das Gefühl zu geben, ein Teil dieser Welt zu sein, so Eliasson. Für den Bruchteil einer Sekunde herrscht Stille im Saal. Da ist schon passiert, wozu Anatol Weber am Ende der Pressekonferenz eigentlich nicht mehr aufzufordern braucht: "Let’s fall in love with our jury!"