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Notration unter der Wüste

Umwelt.- Abu Dhabi ist eines der trockensten Länder der Erde, verzeichnet zugleich aber einen extrem hohen Trinkwasserverbrauch. Über 90 Prozent davon stammen aus Meerwasserentsalzungsanlagen. Sollten diese einmal ausfallen, säße Abu Dhabi schon nach drei Tagen völlig auf dem Trockenen. Mit deutscher Hilfe wird nun ein riesiger Not-Speicher angelegt.

Von Lucian Haas | 23.08.2011
    Rub al Khali heißt übersetzt das "leere Viertel". Es ist die größte Sandwüste der Erde, deren östlichen Ausläufer bis nach Abu Dhabi reichen. Selten einmal fällt dort ein Tropfen Regen. So erscheint es auf den ersten Blick verwunderlich, dass gerade in dieser Region derzeit das weltweit größte unterirdische Trinkwasserreservoir entsteht. Doch Peter Menche, Projektleiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Abu Dhabi, weiß genau, warum er der Führung des Emirates gerade diese Gegend als Standort empfohlen hat, um entsalztes Meerwasser zu speichern:

    "Wir haben den Glücksfall, dass wir in diesem Gebiet einen Grundwasserkörper haben, der in seinem oberen Bereich über Trinkwasserqualität verfügt. Das heißt, wir leiten Trinkwasser in Trinkwasser ein."

    Die Idee, Grundwasservorräte künstlich mit Trinkwasser anzureichern, ist nicht neu. Weltweit wird an vielen Orten in der Regel gereinigtes Abwasser auf Rieselfeldern ausgebracht, wo es dann versickert und später wieder aus dem Untergrund gefördert werden kann. Doch das Projekt in Abu Dhabi, das bis Februar 2012 fertiggestellt werden soll, sprengt alle bekannten Dimensionen. 26 Millionen Kubikmeter Wasser sollen in den kommenden drei Jahren in den sandigen Wüstenuntergrund geleitet werden.

    "Das Versickerungsprinzip ist ganz einfach. Es wird nichts injiziert, sondern das Wasser wird herbeigeführt über Rohrleitungen, die gebaut werden müssen. Wir heben im Versickerungsgebiet drei große Versickerungsbecken aus, die mit Kies gefüllt werden. In diesen Kiesfüllungen befinden sich sogenannte semipermeable PVC-Rohre, durch die das Wasser durchläuft und dann ganz simpel per Schwerkraft in den Untergrund und den bestehenden Grundwasserkörper einfließt."

    Knapp 90 Prozent des versickerten Wassers werden sich laut den Berechnungen der GIZ-Experten später wieder zurückgewinnen lassen. Das würde ausreichen, um Abu Dhabi nicht mehr nur drei, sondern 90 Tage lang mit Trinkwasser versorgen zu können. Der Notfallspeicher ist mit immensem Aufwand verbunden. Neben den Versickerungsbecken werden 150 Kilometer Pipelines von den Meerwasserentsalzungsanlagen an der Küste in die Wüste gebaut, dazu vier große Pumpstationen, 200 Brunnen zur späteren Förderung des Wassers und eine autarke Stromversorgung für das ganze System. 500 Millionen US-Dollar sind dafür veranschlagt. Das sei aber weitaus günstiger als eine Lösung mit oberirdischen Wassertanks, so Peter Menche.

    "Tanks einer Größenordnung herzustellen, die 26 Millionen Kubikmeter fassen - das wäre eine ungeheure Anzahl von Tanks. Die Kosten, allein die Gestehungskosten für die Tanks, lägen bei circa einer Milliarde US-Dollar. Das zweite: Diese Tanks müssen regelmäßig gereinigt, sie müssen betrieben, sie müssen gewartet werden. Sehr viele dieser Wartungsarbeiten fallen natürlich bei dem System, das wir vorgeschlagen haben, weg. Und das Dritte, das darf man auch aus geopolitischer Sicht nicht vergessen: Oberirdische Anlagen wie Wassertanks sind hervorragende strategische Ziele."

    Die neue Anlage ist gut geschützt. Die Versickerungsbecken samt Pipelines sind im Sand vergraben. Für die Regierung von Abu Dhabi war das ein wichtiges Kriterium. Schließlich ist die Region politisch nicht die stabilste. Bei einem kriegerischen Konflikt stellt die Wasserversorgung gerade in Wüstengebieten einen besonders neuralgischen Punkt dar. Ähnliche Sorgen gibt es in den Nachbarländern. Entsprechend wächst auch dort das Interesse an der Grundwasser-Speicherlösung.

    "Meine Kollegen und ich sind zu Handelsreisenden im Sinne der Aufklärung über unser Projekt geworden. Besonders großes Interesse herrscht im Emirat Katar, das angefangen hat, ähnliches zu planen. Aber auch in Saudi-Arabien, und in Ansätzen auch in Kuwait und im Oman."

    Im Zuge der Projektplanungen in Abu Dhabi hatten die Scheichs noch eine andere Sorge: Könnte das aufwendig versickerte Trinkwasser nicht unterirdisch ins Nachbarland Saudi Arabien abfließen? Messungen der GIZ-Wasserfachleute brachten aber Entwarnung: Das Wasserdepot liegt in einem unterirdischen Sandsteinkessel wie in einer Suppenschüssel gefangen. Damit ist sicher: Abu Dhabi wird seinen mühsam aufgepäppelten Grundwasserschatz behalten.

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