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Notstand am Mittelmeer

Umwelt. - Wasser wird ein Kernproblem des 21. Jahrhunderts werden. In vielen Gegenden werden sich die Probleme verschärfen, in anderen werden sie überhaupt erst entstehen. Der Internationale Expertenrat für Klimawandel hat auf der Welt-Wasser-Woche in Stockholm einen entsprechenden Bericht vorgestellt.

Von Volker Mrasek | 21.08.2008
    Es ist nicht nur so, dass in vielen Weltregionen heute Wasserknappheit herrscht. Die Lage wird in den kommenden Jahrzehnten noch ernster werden. Weil die Weltbevölkerung kräftig weiter wächst und ihren Wasserbedarf kontinuierlich steigert. Aber auch, weil der Klimawandel voranschreitet und dabei den globalen Wasser-Kreislauf verändert.

    "Die Klimamodelle stimmen darin überein, dass die Niederschlagsmengen insgesamt zunehmen. Aber man muss da regional differenzieren. Mehr Regen lassen die meisten Simulationen in hohen Breiten erwarten, in der Arktis, und auch in den feuchten Tropen. Zurückgehen dürfte die Niederschlagsmenge dagegen in den trockenen tropischen Gebieten."

    Nigel Arnell ist Direktor des Walker-Instituts für Klimasystemforschung an der Universität Reading in England. Außerdem zählt er zum Kreis der Experten, die an den Sachstandsberichten des Welt-Klimarates IPCC mitschreiben. In Stockholm präsentierte der Geograph und Hydrologe jetzt die Kern-Ergebnisse des neuen IPCC-Reports über Klima und Wasser. Demnach droht den trockenen und halbtrockenen, den ariden und semiariden Zonen der Erde eine noch größere Wasserknappheit. Arnell:

    "Aus den Niederschlags-Szenarien können wir ableiten, wie sich die Wasserführung der Flüsse verändern wird. Dabei zählt der Mittelmeer-Raum zu jenen Weltregionen, in denen rückläufige Abflussmengen am wahrscheinlichsten sind. Das betrifft Südeuropa, Nordafrika, den Mittleren Osten und auch angrenzende Teile Zentralasiens."

    In Stockholm konfrontierte Klimaforscher Arnell die Kongress-Teilnehmer mit einer bunten Weltkarte. Sie stammt aus dem neuen IPCC-Report. Südamerika, Südafrika und Teile Australiens leuchten auf ihr in einem tiefen Rot. Die Farbe signalisiert Gefahr, sprich: deutlich weniger Wasser in der Zukunft. Als größte rote Zone auf der Weltkarte sticht aber eindeutig der Mittelmeer-Raum heraus. Arnell:

    "Mitte des Jahrhunderts könnten die Abflussmengen im Mittelmeer-Raum 20, 30 oder sogar 40 Prozent niedriger sein als heute. Zu den am stärksten betroffenen Flüssen zählen der Ebro in Spanien, die Rhone in Süd-Frankreich und viele italienische. Denken Sie an die jüngsten Dürren in Spanien. Durch den Klimawandel werden sie noch viel intensiver und häufiger werden."

    Auf die Mittelmeer-Anrainer kommen also enorme Herausforderungen zu. Haufenweise neue Talsperren aus dem Boden stampfen, um genügend Wasser für künftige, supertrockene Sommer vorzuhalten - das werden sie kaum können. Unumgänglich ist es daher, weniger Wasser zu verbrauchen - in der Landwirtschaft, im Weinbau, in Industrie und Haushalten. Der neue Report des IPCC geht auch auf Fragen der Energiegewinnung ein. So planen viele Länder neue Wasserkraftwerke. Sie gelten eigentlich als klimaschonend. Schließlich verfeuern die Anlagen keine fossilen Energieträger, um Strom zu erzeugen. Doch auch Wasserkraftwerke können dem Klima schaden, wie Nigel Arnell in Stockholm erläuterte:

    "Im manchen Regionen können Wasserkraftwerke eine ganze Menge Methan freisetzen, ein Treibhausgas. Das liegt daran, dass große Naturflächen überspült werden müssen, um die Wasser-Reservoire dieser Anlagen anzulegen. Die ursprüngliche Vegetation wird dann zersetzt. In den Tropen, bei hohen Wassertemperaturen, entsteht dabei sehr viel Methan. Die Emissionen können so stark sein, als würde das Wasserkraftwerk Kohle verbrennen."

    Der Exekutivrat der Welt-Klimakonvention hat auf diese neue Erkenntnis bereits reagiert: Er strich große Wasserkraftwerke vorläufig aus der Liste von förderwürdigen Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern.