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Novelle der Düngeverordnung
Zugeständnis an die Landwirte

Besonders in Regionen mit intensiver Landwirtschaft und großen Viehbetrieben überschreitet die Nitrat-Konzentration den erlaubten Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Trinkwasser deutlich. Ob die geplante Novelle der Düngeverordnung für sauberes Wasser sorgt, bleibt umstritten.

Von Stefan Maas | 23.12.2014
    Ein Landwirt in Niedersachsen bei Hoopte bringt Gülle aufs Feld.
    Die Bundesländer können in Gebieten mit mehr als 50 Milligramm Nitrat je Liter Grundwasser zukünftig die zusätzliche Nachdüngung auf 10 Prozent des ermittelten Düngebedarfs begrenzen. (picture alliance / dpa)
    Lange haben Umwelt- und Landwirtschaftsministerium miteinander gerungen. Um Umweltstandards- und Regeln, die dafür sorgen sollen, dass das Trinkwasser durch das Nitrat in Gülle weniger belastet wird - und die Interessen der Landwirte, die sich um ihre Erträge sorgen, wenn es schärfere Regeln dafür gibt, wann und wie viel der tierischen Fäkalien sie auf die Felder spritzen dürfen.
    Dass die Bundesregierung so lange gebraucht hat, den Entwurf für die Neuregelung zu erarbeiten, habe wohl auch damit zu tun gehabt, sagt Bernhard Krüsken, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, "dass die EU-Kommission sich sehr früh auf einen radikalen Standpunkt festgelegt hat. Und Deutschland da nicht mitgehen wollte."
    Die EU-Kommission hatte von Deutschland, das die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie lange nicht umgesetzt hat, unter anderem bundesweite, feste Obergrenzen dafür gefordert, wie viel Nitrat in Form von Gülle im Jahr pro Hektar ausgebracht werden darf. Denn wenn zu viel Gülle als Dünger gespritzt wird, dann können die Böden nicht alle Nährstoffe aufnehmen. Der Überschuss gelangt ins Grund- und damit ins Trinkwasser. Der Bauernverband hatte immer wieder gegen diese einheitlichen Obergrenzen argumentiert:
    "Das kann so nicht sein. Wir müssen eben standort- und bedarfsgerecht düngen können. Je nachdem was Kultur und Bodenart hergeben, kann es dann mal weniger, aber auch mal mehr sein."
    Überdüngung im Stallumfeld
    Für Reinhild Benning, Agrarexpertin beim BUND, ist das Problem oft weniger die Frage wie viel Nährstoffe die angebaute Ackerfrucht braucht, als wie viel Gülle zum Beispiel bei der Massentierhaltung anfällt. Denn die muss ja irgendwie entsorgt werden:
    "Ein Megastall produziert sehr viel Gülle. Der Abtransport ist entsprechend kostenaufwendig." Häufig beobachten wir, dass aus Kostengründen die Gülle direkt um den Stall ausgebracht wird. Und somit eine Überdüngung im Stallumfeld geschieht."
    Im jetzt vorliegenden Entwurf hat man sich statt auf die geforderten bundesweit einheitlichen Obergrenze auf "bedarfsgerechte Obergrenzen" geeinigt. Ein Zugeständnis an die Landwirte. Zukünftig sollen in die Obergrenze von 170 Kg Stickstoff pro Hektar aber alle organischen und organisch-mineralischen Düngemittel einbezogen werden, einschließlich pflanzlicher Gärrückstände. Die Bundesländer können in Gebieten mit mehr als 50 Milligramm Nitrat je Liter Grundwasser zukünftig die zusätzliche Nachdüngung auf 10 Prozent des ermittelten Düngebedarfs begrenzen.
    Die Mindestabstände für die Stickstoff- und Phosphatdüngung in der Nähe von Oberflächengewässern wie Seen und Flüssen sollen ausgeweitet werden. Ebenso die Zeiten, in denen keine Gülle auf die Felder gefahren werden darf.
    Keine Verbesserung für den Gewässerschutz
    Dem BUND geht das alles nicht weit genug. Das seien keine Verbesserungen für den Gewässerschutz, erklärt Reinhild Benning. Unzufrieden ist sie auch damit, dass mit der neuen Verordnung die sogenannte "Hoftorbilanz" nicht so eingeführt werden soll wie sie unter anderem der BUND gefordert hat. Dabei sei die wichtig:
    "Diese erfasst nach einem Bruttoraster alle Nähstoffe, die auf den Hof kommen. Das sind etwa Futter- und Düngemittel, Tiere, Jungtiere, die zugekauft werden. Und es bilanziert auf der anderen Seite: Was verlässt den Hof wieder. Zum Beispiel Getreide, Fleisch, Milch."
    Bleibt bei dieser Rechnung viel Stickstoff auf dem Hof zurück, ist der entweder in die Luft oder in den Boden gegangen. Beides schlecht für die Umwelt. Dafür müssten die Landwirte geradestehen, fordert Benning.
    Der Bauernverband hatte sich stets gegen eine solche Hoftorbilanz ausgesprochen, weil sie in der Praxis nicht funktioniere, sagt Bernhard Krüsken:
    "Selbst wenn ich die betriebliche Nährstoffbilanz ausgeglichen habe, und habe einen Mix aus leichten Standorten und ertragsstarken Standorten, kann ich trotzdem lokal Überdüngung produzieren."
    Im vorliegenden Entwurf wird nun eine Rechtsverordnung für eine Gesamt-Betriebsbilanz angekündigt, die ab 2018 schrittweise die bisherigen Dokumentationspflichten ersetzen soll. Die Regelung soll zunächst nur für Betriebe mit mehr als 2.000 Mastschweineplätzen und 3 Großvieheinheiten je Hektar gelten.
    Die Bundesländer und Verbände haben bis Ende Januar Zeit Stellung zum Entwurf zu nehmen. Im kommenden Frühjahr soll die nachgearbeitete Version vom Kabinett verabschiedet werden.