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NPD-Verfahren
Die Risiken und Gefahren eines Verbots

Das NPD-Verbotsverfahren wird diesmal voraussichtlich nicht an dem Einsatz von Informanten des Verfassungsschutzes in der Partei scheitern. Aber selbst wenn es zum angestrebten Verbot kommt - was würde es bringen? Beobachter und Experten sehen schwarz.

02.03.2016
    Das Verfassungsgericht bei der Fortsetzung der Verhandlung über ein NPD-Verbot
    Das Verfassungsgericht bei der Fortsetzung der Verhandlung über ein NPD-Verbot (picture alliance/dpa/Marijan Murat)
    Tag zwei beim NPD-Verfahren in Karlsruhe. In der Deutschlandfunk-Sendung "Zur Diskussion" kommen die Beobachter des Prozesses, Gudula Geuther (Deutschlandradio) und Christian Rath (taz), sowie der freie Journalist Sebastian Weiermann, ein Beobachter der Neonaziszene, und Matthias Klemme vom NDR in Greifswald zu Wort. Die ersten Verhandlungstage haben die Teilnehmer der Runde teilweise überrascht, haben Bemerkenswertes zutage gefördert, haben Weichen gestellt: So hätten die Richter erstaunlich "heftigen Widerstand" gegen die Verbotsargumente gezeigt, sei dem NPD-Anwalt Peter Richter ein "Bubenstück" gelungen, erlebe man ein anderes Verfahren als 2003, beim ersten, gescheiterten Anlauf zu einem Verbot. Und eines, das viele kritische Aspekte mit sich bringe.
    So stellt taz-Korrespondent Christian Rath den Prozess grundsätzlich in Frage: Nach dem eigenen Scheitern - beispielsweise bei einem Verhindern der NSU-Verbrechen - gehe es dem Bundesrat "nur noch um eine Gesichtswahrung". Und er finde "es schlimm, dass das Verfassungsgericht da mitmacht". Eigentlich müsse Karlsruhe die Hürden für ein derartiges Verfahren höher legen. Denn bei einem NPD-Verbot drohe eine "Verbotskaskade" - und Verbote seien einer Demokratie "nicht förderlich".
    "Klima der Angst"
    Matthias Klemme vom NDR ist zudem skeptisch, ob sich mit einem Zerschlagen der NPD auch das Problem des Rechtsextremismus auflöst: So verfüge diese Szene in Mecklenburg-Vorpommern über Strukturen, auf die die NPD-Mitglieder wieder zurückgreifen könnten. In dem Land sei "alles aufgebaut, um die Ideologie unter die Menschen zu bringen", so Klemme, der zudem von seinen Erfahrungen mit einem "Klima der Angst" berichtet.
    Sebastian Weiermann erinnert im Zusammenhang mit den Vorfällen von Heidenau im vergangenen Jahr, wo ein NPD-Aufruf in einer rassistischen Randale vor einer Flüchtlingsunterkunft mündete, an ein weiteres Problem: Dadurch, dass es keine V-Leute mehr innerhalb der NPD gebe, wisse man in einem Fall wie diesem nicht, von welcher Parteiebene aus der Aufruf gesteuert wurde.
    Und für wie wahrscheinlich halten die Beobachter ein tatsächliches Verbot? Ein zentraler Baustein des Verbotsantrags ist die Frage: Reicht die Ideologie aus, eine Partei zu verbieten? Er erlebe in Mecklenburg-Vorpommern eine "völkisch nationale Partei" mit "vielen Parallelen" zur NSDAP, so Matthias Klemme. Auch die NPD wolle eine Volksherrschaft errichten. Und er habe "nichts gehört, dass das Gericht Konkretes über Gefahren verlangt hat", so Christian Rath. Deshalb könne es sein, dass den Richtern "abstrakte Gefahren" - wie ein denkbares Machterlangen in bestimmten Regionen - ausreicht.
    Kein Scheitern an der V-Leute-Frage
    Ein NPD-Verbot wird beim zweiten Anlauf vor dem Bundesverfassungsgericht voraussichtlich nicht am Einsatz von V-Leuten in der Partei scheitern. Das Gericht sei zu der vorläufigen Einschätzung gekommen, dass keine Verfahrenshindernisse vorliegen, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle beim zweiten Tag der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe.
    Die rechtsextreme Partei steht seit Dienstag zum zweiten Mal auf dem Prüfstand des höchsten deutschen Gerichts. 2003 war der Verbotsantrag wegen des Einsatzes von Spitzeln des Verfassungsschutzes bis in die oberste NPD-Führungsebene hinein gescheitert.
    (bor/ach)