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NRW-Finanzminister vertraut Schweizer Banken nicht

Die Besteuerung deutscher Vermögen in der Schweiz kontrollierten künftig diejenigen, die "in der Vergangenheit die Steuerhinterziehung systematisch mit ermöglicht haben", sagt NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). Die Schweizer Banken nämlich. Das sei einer der großen Fehler am neuen Abkommen mit der Schweiz.

Norbert Walter-Borjans im Gespräch mit Friedbert Meurer | 22.09.2011
    Friedbert Meurer: Man muss die Kavallerie nicht ausreiten lassen, die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt. Das könnte ein Zitat von John Wayne sein, ist es aber nicht, sondern von Peer Steinbrück als Bundesfinanzminister. Und seine Indianer leben auch nicht in den USA, sondern in der Schweiz. Deren Regierung, Sie erinnern sich sicher, beschwerte sich damals heftig, hat aber gestern mit der Bundesregierung ein Steuerabkommen beschlossen. Deutsche sollen an der Steuerflucht gehindert werden, das ist das Anliegen der deutschen Seite. Ab 2013 sollen sie jetzt über 26 Prozent Abgeltungssteuer auf Zinsen zahlen, wenn sie ihr Geld in der Schweiz angelegt haben. Das Geld wird dann allerdings anonym nach Deutschland überwiesen, man weiß also nicht, wer genau sein Geld da angelegt hat. Und es soll Nachzahlungen in Milliardenhöhe geben. Das alles ist ein hübsches Sümmchen für den Fiskus, aber die Deutsche Steuergewerkschaft protestiert heftig.

    O-Ton Thomas Eigenthaler: "Das Abkommen ist löchrig wie ein Schweizer Käse und meiner Meinung nach ist kein Abkommen besser als dieses Abkommen.

    Meurer: Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft gestern Abend im Interview hier bei uns. Am Telefon begrüße ich jetzt den Finanzminister Nordrhein-Westfalens, Norbert Walter-Borjans von der SPD. Guten Morgen, Herr Walter-Borjans.

    Norbert Walter-Borjans: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Halten Sie den Vertrag mit der Schweiz auch für löchrig wie ein Schweizer Käse?

    Walter-Borjans: Ja, auf jeden Fall. Und bei allem, was Sie eben gesagt haben, vor allen Dingen, was Peer Steinbrück gesagt hat, kann ich nur zustimmen. Es gibt nur einen kleinen Unterschied: In den Western war ich früher immer auf Seiten der Indianer und in diesem Fall kann man das, glaube ich, nicht unbedingt von denen behaupten, die sich ihren Pflichten hier entzogen haben und meinen, ihre Schäfchen ins Trockene gebracht zu haben.

    Meurer: Also wollen Sie hier auch wieder die Kavallerie jetzt herausholen?

    Walter-Borjans: Da unterscheiden wir uns auch ein bisschen. Ich benutze nicht ganz so martialische Begriffe. Ich kann aber sehr gut nachvollziehen, was Peer Steinbrück da meint und was er sagt, und ich glaube, auch die klare Botschaft an diejenigen, die hier Infrastruktur in Anspruch nehmen, die hier die Sicherheit unseres Landes genießen, die ihre Kinder in die Schulen bringen und die ein hohes Vermögen haben und das Vermögen dann in ein anderes Land bringen, um sich ihren Pflichten zu entziehen, die können nicht mit Freundlichkeit rechnen.

    Meurer: Aber die Steuerflüchtlinge, Herr Walter-Borjans, die ihr Geld in der Schweiz angelegt haben, die werden jetzt künftig Steuern auf Kapitaleinkünfte bezahlen von 26,45 Prozent. Wenn sie ihr Geld in Köln oder Düsseldorf anlegen, müssen sie 25 Prozent Abgeltungssteuer bezahlen. Wo ist da der Unterschied?

    Walter-Borjans: Sie müssen hier auch über 26 Prozent bezahlen, weil es gelten dann dieselben Regeln. Es sind die 25 Prozent plus dem Soli, den wir alle bezahlen müssen.

    Meurer: Okay! Aber unterm Strich ist es dann das Gleiche?

    Walter-Borjans: Ja, und insofern muss ich auch sagen, es gibt ja Gutes und Schlechtes an dem Abkommen. Das erste, was man mal wirklich kritisieren muss, ist, dass wir es erst seit gestern Abend nach der Unterzeichnung als Länderfinanzminister kennen, obwohl die Länder zur Hälfte an den Einnahmen beteiligt sind und eben auch zur Hälfte mit betrogen worden sind. Der zweite Punkt ist: Es ist richtig, jetzt in der Schweiz so zu besteuern wie bei uns auch. Nur wer kontrolliert es? Es kontrollieren diejenigen, die zum Teil in der Vergangenheit die Steuerhinterziehung systematisch mit ermöglicht haben. Es sind Schweizer Banken. Und wenn sie sehen, dass in den vergangenen Tagen eine große Bank 150 Millionen Euro an die Staatsanwaltschaft bezahlt hat beziehungsweise bereit ist, sie zu zahlen, um gegen neun Beschäftigte, die systematische Hinterziehung mitbetrieben haben, die Verfahren einzustellen, dann können sie sich doch vorstellen, dass das Vertrauen in diese Institutionen, jetzt zu prüfen, zu kontrollieren, ob die Steuern richtig bezahlt sind, nicht gerade groß ist. Und das ist schon einer der großen Fehler meines Erachtens an diesem Abkommen.

    Meurer: Wenn Sie den Schweizer Bankiers misstrauen, wie soll man es denn machen?

    Walter-Borjans: Also es gibt mehrere Verfahren. Das eine ist, irgendwo fängt es immer bei der Bank an, wo das Geld liegt. Das zweite ist, dass der Schweizer Staat natürlich seine Unterstützung gewähren muss in diesem Punkt, und das sage ich auf einer ganz partnerschaftlichen Grundlage. Auch die Schweiz hat ja Interessen gegenüber Deutschland und die Schweizer Banken werben damit, dass sie zehn Prozent zum Steuereinkommen der Schweiz beitragen. Das gönne ich ihnen, aber das sollen sie mit Geld tun, das dann in den Staaten, aus denen es kommt, auch anständig versteuert worden ist.

    Meurer: Mal anders gefragt: Wenn gewährleistet ist, dass wirklich in der Schweiz scharf darauf geachtet wird, dass deutsche Gelder versteuert werden, dann würden Sie ja sagen?

    Walter-Borjans: Das wäre eine Nachbesserung, die notwendig wäre, die für die Besteuerung in der Zukunft eine richtige Grundlage wäre. Da kann man nichts gegen sagen, wenn in der Schweiz liegendes Geld so versteuert werden muss wie in Deutschland.

    Meurer: Ein anderer Punkt ist die Anonymität. Stört es Sie, dass man so gnädig sein will, die Steuerflüchtlinge nicht beim Namen kennen lernen zu wollen?

    Walter-Borjans: Ich sage es noch mal: Mich interessiert, dass diejenigen ihrer Steuerpflicht nachkommen, die ihr Geld außerhalb der Bundesrepublik Deutschland angelegt haben. Das Verfahren im Einzelnen will ich nicht bestimmen. Nur es von denjenigen machen zu lassen, die in der Vergangenheit mitbetrogen haben? Und dann auch: Wenn Sie sich mal so jetzt die ersten Grundzüge dieses Abkommens angucken, dann stellen Sie fest, dass die Schweiz großen Wert darauf legt, dass in Verdachtsfällen nur sehr beschränkt nachgeprüft werden kann, was denn da im Einzelnen war. Die Zahl ist festgelegt, es wird eine paritätische Kommission eingerichtet aus Schweizern und Deutschen, die erst mal darüber befinden, ob sie einem Verdächtigen überhaupt nachgehen dürfen. Das geht nicht! Ansonsten geht es mir jetzt nicht darum, in der Schweiz den gläsernen Sparer zu machen, den wir in Deutschland nicht haben.

    Meurer: Also Sie wollen keine Strafe? Sie wollen nicht, dass die Steuerflüchtlinge bestraft werden, die sollen nur ihre Steuern bezahlen?

    Walter-Borjans: Die sollen ihre Steuern bezahlen, und das ist ja das, was wir für die Zukunft ansprechen. Wir haben ja auch noch eine Vergangenheit, und da stört mich sehr - und das hat auch viel damit zu tun, ob wir die Menschen überhaupt mitnehmen können, die sich das jetzt anhören -, wenn jemand besser davonkommt, wenn er über Jahre sein Geld nicht versteuert hat gegenüber dem, der seine Steuern brav bezahlt hat oder der sich in der Zwischenzeit einfach eines Besseren hat belehren lassen und sich selbst angezeigt hat, dann ist das kein gutes Zeichen. Dann ist die Botschaft, jeder, der ehrlich Steuern bezahlt, ist eigentlich verrückt, das zu tun.

    Meurer: Norbert Walter-Borjans, Finanzminister Nordrhein-Westfalens (SPD), bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk zum Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Herr Walter-Borjans, besten Dank und auf Wiederhören.

    Walter-Borjans: Gerne, Herr Meurer.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.