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Bioakustik
Piranhas am Geräusch erkennen

Piranhas nagen ihre Beute in Sekunden bis aufs Skelett ab: Um die Raubfische im Amazonas ranken sich viele Mythen. Viele davon gehören ins Reich der Horrormärchen. Doch nun haben Biologen eine faszinierende Entdeckung gemacht - Piranha-Arten lassen sich an ihren Geräuschen identifizieren.

Von Frank Grotelüschen | 19.12.2018
    Ein männlicher, erwachsener Piranha (Pygocentrus nattereri) zeig seine Zähne in Brasilien.
    Kanadische Wissenschaftler haben die Laute von Piranhas mit Unterwasser-Mikrofonen untersucht (picture alliance / Imagebroker)
    Vor einiger Zeit am Oberlauf des Amazonas in Peru: Mit einem Boot erkunden Francis Juanes und sein Team den Fluss. Als die Forscher Spezialmikrofone ins Wasser lassen, stoßen sie auf ungewöhnliche Sounds.
    "Fische können auf mehrfache Weise Geräusche machen. Da wären vor allem die sogenannten Schallmuskeln, mit denen sie auf die Schwimmblase schlagen wie auf eine Trommel. Dann machen ihre Kiefer Geräusche, zum Beispiel beim Fressen. Und außerdem geben sie Luftblasen von sich, etwa aus dem Maul und den Kiemen."
    Reichhaltige Klangbeute im Amazonas
    Francis Juanes ist Biologieprofessor an der University of Victoria in Kanada. Da sich Schall im Wasser hervorragend ausbreitet, kann - wenn viele Fische gleichzeitig am selben Ort sind - ein regelrechtes Unterwasserkonzert ertönen. Ihre akustische Amazonasexpedition bescherte Juanes und seinem Team eine reichhaltige Klangbeute.
    "Wir konnten 561 Individuen aufnehmen, insgesamt 64 Arten. In 23 Tagen kamen rund elf Stunden an Fischgeräuschen zusammen."
    Auf eine Gattung hatten es die Wissenschaftler ganz besonders abgesehen - den Piranha. Jenen scharfzahnigen Amazonas-Bewohner also, der stets in Schwärmen auftritt und sich bevorzugt von anderen Fischen ernährt und von Krustentieren.
    "Wir konzentrierten uns auf vier Piranha-Arten. Vom Aussehen her sind sie ziemlich ähnlich. Und wir wollten herausfinden, ob man sie durch die Geräusche, die sie von sich geben, unterscheiden kann."
    Piranha-Arten lassen sich an ihren Geräuschen identifizieren
    Und tatsächlich: Schon beim bloßen Zuhören wird klar, dass Art eins anders klingt als Art zwei oder Art drei oder Art vier. Die Unterschiede zeigten sich erst recht, als die Forscher die Geräusche per Computer analysierten - die jeweiligen Klangspektren sahen deutlich anders aus.
    "Damit konnten wir zeigen, dass wir verschiedene Piranha-Arten anhand ihrer Geräusche identifizieren können. Das bedeutet: Künftig ließe sich unsere Methode fürs Monitoring verwenden, zur Überwachung der Fischbestände."
    Mit Kameras nämlich lässt sich im trüben Amazonas-Wasser nicht viel ausrichten. Eine Lauschmethode könnte mehr Erfolg versprechen. Und die Forscher stießen bei ihren Messungen auf ein weiteres Detail: Überall dort, wo sich ein Piranha-Schwarm herumtrieb, änderte sich das Unterwasser-Klangbild - und zwar deutlich.
    Sind Piranhas da, machen die anderen Fische mehr Lärm
    "Wie es scheint, hat die Anwesenheit der Piranhas großen Einfluss auf die anderen Fische - sie machen dann deutlich mehr Lärm. Und zwar vor allem dann, wenn die Piranhas auf der Jagd sind."
    Die Erklärung scheint offensichtlich: Immer wenn sich irgendwo im Amazonas ein Piranha-Schwarm blicken lässt, bricht beim Rest seiner Bewohner die blanke Panik aus. Doch Francis Juanes winkt ab.
    "Wir sind uns noch nicht sicher, ob das tatsächlich eine Stressreaktion der Beutefische auf die Jagdsituation ist. Klar ist nur: Sind keine Piranhas in der Nähe, ist der Amazonas ein sehr, sehr ruhiger Ort."