Donnerstag, 28. März 2024

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NSA-Untersuchungsausschuss
"Da ist schon viel passiert"

Der Abschlussbericht des NSA-Ausschusses liegt vor. Ziel sei es, Nachrichtendienste gegen den Terror einzusetzen, betonte der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) im Dlf. Allerdings: Man habe erkannt, dass man nicht nur die Länder, die Spionage betreiben, ins Visier nehmen müsse, sondern auch Staaten, mit denen man kooperiere.

Patrick Sensburg im Gespräch mit Sarah Zerback | 28.06.2017
    BND, Demonstration DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 05.09.2015 Demonstrant mit Kostuem Auge und Kamera waehrend der Demonstration unter dem Motto Bueger legen BND an die Kette vor dem Neubau der Zentrale vom Bundesnachrichtendienst BND in der Chausseestrasse in Berlin-Mitte. Die Demonstration der Initiativem Humanistische Union, Amnesty International Reporter Ohne Grenzen und digitalcourage richtet sich gegen die Online Ueberwachung der US-Geheimdienste, gegen die Ueberwachungsaffaere vom NSA und gegen Prism und Tempora. Zudem wird die abwartende Politik der Bundesregierung kritisiert und Solidaritaet mit dem Whistleblower Edward Snowden geuebt. Wenige Tage vor der Wiederaufnahme vom BND-Untersuchungsausschuss forderten die Demonstranten eine sofortige Aufklaerung vom BND-Skandal.
    Kritik an der Überwachung: Demo vor der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin-Mitte. (imago stock&people)
    Sarah Zerback: Hillary Clinton und Kofi Annan, die OSZE, der Vatikan und so ziemlich jede europäische Regierung – die Liste der Freunde, die vom deutschen Geheimdienst ausgespäht wurden, ist mit den Jahren immer länger geworden, die Empörung größer. Und das Kanzleramt will davon nichts gewusst haben, bis ins Jahr 2015, zwei Jahre also, nachdem der Whistleblower Edward Snowden brisante Unterlagen veröffentlicht hat. Um den Spähskandal, der vom NSA- zum BND-Skandal geworden ist, aufzuklären, hat ein Untersuchungsausschuss des Bundestages in den vergangenen drei Jahren weit über 100 Zeugen vernommen, darunter auch die Kanzlerin. Heute nun soll der Abschlussbericht feierlich vorgestellt werden. Harmonisch wird das aber mitten im Wahlkampf wohl nicht.
    Harsche Kritik der Opposition am Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses, und die können wir jetzt direkt an ihn adressieren, an den CDU-Politiker Patrick Sensburg. Guten Morgen, Herr Sensburg.
    Patrick Sensburg: Schönen guten Morgen, ich grüße Sie.
    Zerback: Wir haben es gerade gehört, Herr Sensburg. Sind Sie ein Demokrat?
    Sensburg: Ja. Ich hoffe, Sie adressieren die Kritik nicht eins zu eins an mich, sondern Sie hinterfragen. Und einiges, was gerade gesagt worden ist, ist ja so nicht richtig. Das Minderheitenvotum der Opposition sollte immer dem Abschlussbericht beigefügt werden und es ist ja auch beigefügt worden. Die Opposition hat es an das Ausschuss-Sekretariat geschickt und sie haben festgestellt, dass einige wenige Passagen eingestuft sind und dass es weitere Passagen gibt, wo sogenanntes rechtliches Gehör zu gewähren ist. Dieses rechtliche Gehör, das haben Zeugen. 14 Tage können sie sich ihre Zeugenaussage im Bericht anschauen und sagen, ob alles richtig wiedergegeben ist. Dann werden diese Passagen auch freigegeben. Die Opposition hat ihren Bericht, ihr Minderheitenvotum sehr spät abgegeben und deswegen laufen diese 14 Tage noch.
    450 geschwärzte Seiten im NSA-Abschlussbericht
    Zerback: Ist es jetzt ein Formfehler, der dazu geführt hat, dass der Abschlussbericht im Alleingang mit der SPD veröffentlicht wurde. Ist das in Ihren Augen der richtige Umgang mit kritischen Stimmen?
    Sensburg: Ja, es ist eigentlich kein Formfehler. Es liegt daran, dass die Opposition ihr Minderheitenvotum bis zum Mai abgeben musste. Sie hat das aber erst letzte Woche Dienstag gemacht. Und dann muss ich den Zeugen, die vernommen worden sind, rechtliches Gehör gewähren. Das weiß die Opposition auch. Deswegen hat sie ja diese Textpassagen selber geschwärzt. Und da haben wir immer gesagt, das wird entschwärzt, sobald die Zeugen, Telekom zum Beispiel, die Betreiber des Basic-Knotenpunkts in Frankfurt, die sind anzuhören, sobald das gelaufen ist. Dann wird auch der ganze Bericht freigegeben. Und wenn Sie mal auf den Seiten des Deutschen Bundestages gucken, da ist der Bericht ja. Da sind minimal Seiten dieser 450 Seiten geschwärzt. Und das wird auch wegfallen, wenn 14 Tage abgelaufen sind.
    Zerback: Und doch, Herr Sensburg, ist es zumindest ein einmaliger Vorgang, dass die Opposition ausgeschlossen wurde von einem Instrument, das ja die Regierungsarbeit kontrollieren sollte.
    Sensburg: Nein! Die Opposition wird ja nicht ausgeschlossen und sie ist auch nicht ausgeschlossen. Die Berichterstatter der Opposition haben die letztendliche Unterschrift unter den Bericht verweigert am letzten Tag, wo der Bericht dem Deutschen Bundestag hat zugeleitet werden sollen. Wir hätten dann dreieinhalb Jahre umsonst gearbeitet. Vielleicht war das das Kalkül der Opposition, dass es keinen Abschlussbericht gibt. Nur da musste ich als Ausschussvorsitzender handeln, damit der Deutsche Bundestag einen Abschlussbericht bekommt. Und wenn Berichterstatter ohne Grund ihre Unterschrift verweigern, dann werden sie abgerufen. Das ist auch nicht ein einmaliger Fall, das hat es auch in der Vergangenheit schon gegeben.
    "Sehr viele Veränderungen im BND"
    Zerback: Aber, Herr Sensburg, da muss ich Sie kurz unterbrechen. Da wird die Opposition natürlich sagen, natürlich hatten sie einen Grund, um die Unterschrift zu verweigern, denn die Bewertung der Vorgänge, da lagen sie ja ganz weit auseinander. Da muss man doch sagen, wie viel Wert hat denn so ein Abschlussdokument dann ohne die Kritik der Opposition?
    Sensburg: Das Sondervotum der Opposition ist ja im Abschlussbericht. Sie können es ja schon seit Tagen abrufen auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages. Und dass es unterschiedliche Sichtweisen zwischen Koalition und Opposition gibt, das hat man eigentlich fast bei jedem Gesetz. Trotzdem unterschreiben alle Berichterstatter, bestätigen ja nicht die Meinung des anderen, sondern dass das Verfahren abgeschlossen worden ist und dass man in den Deutschen Bundestag geht. Es unterschreiben immer alle Berichterstatter aller Fraktionen.
    Zerback: Jetzt ist es ja tatsächlich so, dass dieser Streit die eigentlich wichtige Frage zu überdecken droht nach Ihrer dreijährigen Arbeit, die lautet, hat es die anlasslose Überwachung der Daten deutscher Bürger gegeben.
    Sensburg: Richtig. Deswegen ist es ja auch wichtig, dass das Minderheitenvotum der Opposition im Abschlussbericht ist.
    Zerback: Wie lautet denn Ihre Antwort, Herr Sensburg?
    Sensburg: Ich bin gerade dabei. – Jeder kann sich diesen Bericht durchlesen, auch das Minderheitenvotum der Opposition, und da gibt es eine unterschiedliche Bewertung zwischen Koalitionsfraktionen und Oppositionsfraktionen. Ich glaube, der Bundesnachrichtendienst hat erhebliche organisatorische und technische Mängel in seiner Arbeit gehabt, und das hat ja nicht nur die Opposition festgestellt, das hat sogar die Bundesregierung festgestellt. Deswegen hat es jetzt schon sehr viele Veränderungen im Bundesnachrichtendienst gegeben – zurecht.
    "Abteilung Technische Aufklärung wird neu organisiert"
    Zerback: Die Opposition, die formuliert das schärfer, wie Sie ja ganz richtig sagen. Die gehen von gravierenden Gesetzesverstößen durch BND-Spionage aus und sprechen da von unzulässiger Zusammenarbeit. Das klingt nicht wirklich, als seien Sie da im selben Ausschuss gewesen.
    Sensburg: Na ja, die Opposition hat 450 Seiten gehabt, ich bei Ihnen vier Minuten. Es hat ein ganz neues Bundesnachrichtendienst-Gesetz gegeben, weil zum Beispiel die rechtlichen Grundlagen in diesem Untersuchungsausschuss nicht als ausreichend angesehen wurden. Der Bundesnachrichtendienst hat in vielen Fällen falsche Suchbegriffe eingesetzt, die gegen die Anweisung der Bundesregierung gestanden haben. Von daher gibt es hier auch eine ganz, ganz neue Grundlage für die Tätigkeit des Bundesnachrichtendienstes. Wir haben das Parlamentarische Kontrollgremium in einem neuen Gesetz gestärkt, damit die parlamentarische Kontrolle ganz, ganz anders abläuft als früher. Und es gibt einen neuen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, der auch die Abteilung TA, Technische Aufklärung, neu organisieren wird. Ich glaube, da ist schon viel passiert.
    "Wirklich gegen die Bösen vorgehen"
    Zerback: Trotzdem ist es ja so, dass der BND weiter seine Abhörinstrumente auch für politische Anliegen nutzen darf. Da ist nur die Liste der ausspionierten Staaten kürzer geworden. Da sagt die Opposition, wo bleiben da die Konsequenzen. Wie reagieren Sie darauf?
    Sensburg: Zum einen: Die Liste der Staaten ist kürzer. Das was die Bundeskanzlerin gesagt hat, Abhören unter Freunden geht nicht, das muss auch durchgesetzt werden. Wir wollen unsere Energie, unsere Kraft im Bereich der Nachrichtendienste einsetzen, um Terror zu bekämpfen, um wirklich gegen die Bösen vorzugehen und eben nicht gegen die Freunde. Von daher ist das der richtige Ansatz, ein 360-Grad-Blick. Seitdem wir diesen Ausschuss gemacht haben, haben wir erkannt, dass man nicht nur gegen die Länder schauen muss, die Spionage machen, die wir immer jedes Jahr im Verfassungsbericht sehen, sondern vielleicht auch gegen andere Staaten, mit denen wir Kooperationen eingehen. Und ich glaube, das haben alle Fraktionen in ihrem Abschlussbericht, es wird auch weitere Punkte geben, über die diskutiert werden muss, und das sieht man ja zum Beispiel auch im Minderheitenvotum der Opposition, was zugänglich ist und dem Abschlussbericht zugeführt ist, dass es da noch viele Vorschläge gibt.
    Zerback: Zum Beispiel auch Dokumentationspflichten für den BND. Die müssten auch strenger sein, sagt die Opposition.
    Sensburg: Ja, auch das ist jetzt schon im Gesetz über den Bundesnachrichtendienst geregelt, dass dokumentiert wird, wenn es Auslandsaufklärung gibt, und mir war wichtig, dass das dann auch dem Kanzleramt zugeleitet werden muss, damit wenn wieder etwas schiefläuft die Verantwortlichkeiten auch klar sind und niemand sagen kann, davon habe ich nichts gewusst.
    Zerback: … sagt der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses Patrick Sensburg von der CDU. Vielen Dank für das Interview heute Morgen im Deutschlandfunk.
    Sensburg: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.