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NSA-Untersuchungsausschuss
Verfassungsschutz-Chef hält Snowden für russischen Agenten

Ein bemerkenswerter Auftritt: Eigentlich habe er Wichtigeres zu tun, als hier Rede und Antwort zu stehen. Das ließ der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, den Bundestags-Untersuchungsausschuss zur NSA-Spähaffäre wissen. Und dass er die Echtheit der Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden anzweifele. Maaßen verdächtigte ihn gar, ein russischer Agent zu sein.

Von Falk Steiner | 10.06.2016
    Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen
    Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen musste dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur NSA-Spähaffäre Fragen beantworten. (picture alliance / dpa/ Reiner Jensen)
    Es ist ein überaus bemerkenswerter Auftritt des amtierenden Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Bundestags-NSA-Untersuchungsausschuss. Mit einem Frontalangriff auf die Parlamentarier und auf Edward Snowden eröffnet Hans-Georg Maaßen seine Zeugenvernehmung, die bis Mitternacht andauert. Er teilt den Abgeordneten mit, dass der Untersuchungsausschuss die Kapazitäten der Behörde in hohem Maße binden würde – und dass dies die Terorrismusbekämpfung einschränke, auch wenn er nicht hoffe, dass es zu einem Anschlag komme.
    Die Parlamentarier sind daraufhin erzürnt: Was er denn damit sagen wolle, fragt etwa Christian Flisek von der SPD. Maaßen antwortet: Er könne sich vorstellen, dass im Falle eines Anschlages die Frage komme, wie das passieren konnte, was das BfV, statt diesen zu verhindern, denn gemacht hätte. Derzeit hätte aber die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses Priorität. Damit hatte der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der in anderem Zusammenhang für seine Amtsführung stark in der Kritik steht, eine gefährliche Strategie gewählt:
    "Herr Maaßen hat heute keinen Anfall von Demut hier gehabt in einer solchen Situation. Er hat vielleicht gedacht, dass die Strategie, sich offen nach vorne zu verteidigen, die beste sei", schätzt SPD-Obmann Christian Flisek zum Ende der Sitzung Maaßens Auftritt ein.
    Maaßen: Snowden ein russischer Agent?
    Auch Edward Snowden griff Deutschlands Inlandsgeheimdienstchef frontal an: Die Veröffentlichungen seien der Versuch gewesen, einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben. Ob Snowden ein Agent des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR oder des Inlandsgeheimdienstes FSB sei, könne derzeit nicht belegt werden. Auch ob manche Dokumente – wie die zum Kanzlerinnen-Handy – überhaupt echt seien, wäre nicht klar, nicht überprüfbar, vielleicht seien sie auch Operationen anderer Geheimdienste unter falscher Flagge.
    Konstantin von Notz, Grünen-Obmann: "Dass man bis heute nicht weiß, wie das nun genau mit dem Kanzlerinnen-Handy ist, ist eigentlich ein Armutszeugnis."
    Das Echo auf Maaßens Aussagen kommt prompt: Der Grüne Hans-Christian Ströbele fragt den Verfassungsschutzchef, ob er sich nicht selbst an der Spitze einer Desinformationskampagne sehe, hält ihm Interviewaussagen vor. Der weist den Vorwurf scharf zurück. Auch André Hahn, Linke, fragt, welche Tatsachen Maaßen denn vorbringen kann.
    Deutschlands oberster Verfassungsschützer führt vor allem an, dass Edward Snowden sich in Russland aufhalte – was die Parlamentarier für wenig stichhaltig erachten. Snowden selbst schaltet sich per Twitter aus seinem russischen Exil ein: Ob Maaßen Agent des SWR oder des FSB sei, könne derzeit nicht belegt werden, spielt er den Ball zurück - gefolgt von einem achselzuckenden, lächelnden Smiley.
    Fromm: Fehler gemacht bei der Datenweitergabe
    Doch auch inhaltlich gibt es einiges zu klären: Während Heinz Fromm sagt, dass es sein könne, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Weitergabe von Daten zu Extremismusverdächtigen an US-Dienste auch Fehler gemacht worden sein könnten, ließ sein Nachfolger Hans-Georg Maaßen wenig Raum für Selbstkritik: Aus seiner Sicht seien die Datenweitergaben korrekt erfolgt – und vor allem Handynummern reichten auch heute nicht zur Lokalisierung von Verdächtigen aus, trotz gegenteiliger Aussagen eines US-Drohnen-Bedieners im Untersuchungsausschuss. Ein halbes Dutzend Fälle Tötungen nach einer Datenweitergabe sind bislang bekannt.
    Sowohl Maaßen wie auch sein Amtsvorgänger Fromm erläutern, warum die Spionageabwehr eine Baustelle sei: Maaßen sagt, dass es keine befreundeten, sondern nur "verpartnerte" Geheimdienste gebe und dies allen Beteiligten klar sei. Insbesondere Fromm legt Wert darauf, dass auch Entscheidungen der Politik die Spionageabwehr geschwächt hätten.
    Allerdings würden Staaten wie die USA stets nur bei konkreten Anlässen Aktivitäten der Spionageabwehr auslösen – systematisch überprüft wurde nie, was Briten, Amerikaner, Neuseeländer, Australier und Kanadier in Deutschland tun. Linkenpolitikerin Martina Renner fasst es so zusammen:
    "Man ist fast auf beiden Augen blind, was dort passiert."