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NSU-Ausschuss in Baden-Württemberg
Drohungen gegen Ausschuss – und mutmaßlich gegen Zeugen

Seit heute werden im baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss um die Ermordung einer jungen Polizistin wieder Zeugen gehört. Doch es gibt Drohungen, ein zentraler Zeuge erschien nicht und ein anderer meldete sich krank - offenbar nachdem er eine Patrone auf seinem Briefkasten gefunden hatte.

Von Uschi Götz | 05.03.2018
    Das Bild zeigt den runden Tisch mit den Ausschussmitgliedern in einem Konferenzraum.
    Der NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtages soll Licht in die Ermordung der jungen Polizistin Michèle Kiesewetter bringen, arbeitet aber derzeit unter erschwerten Bedingungen (dpa / Marijan Murat)
    Auch die heutige Sitzung findet unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt. Polizeieinheiten stehen vor dem Landtag, auch im Foyer des Gebäudes. Der Ausschuss hat vor seiner letzten Sitzung ein Bedrohungsschreiben erhalten, ebenso der Vorsitzende des baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschusses, Wolfgang Drexler (SPD):
    "Mehr ist dazu bis jetzt nicht zu sagen, es wird ermittelt."
    Der aus Thüringen stammende Zeuge Sven Rosemann ist zur letzten Sitzung des Ausschusses nicht erschienen, er meldete sich krank. Es habe einen Sicherheitsvorfall gegeben wurde bekannt; demnach wurde bei Rosemann eine Patrone auf dem Briefkasten gefunden. Heute soll er um 15 Uhr vor dem Ausschuss als Zeuge gehört werden. Drexler:
    "Rosemann gilt als ehemaliger Anführer der Skinheadszene in Rudolstadt und wird in Verbindung mit Waffengeschäften im nahen Umfeld des NSU gebracht. Außerdem soll er zu Verbindungen zu den Ludwigsburgern befragt werden, die ja wiederum Kontakt zum NSU-Trio gehabt haben.
    Zeuge bestätigt Waffenkauf für möglichen Mittelsmann
    Es geht um Waffengeschäfte im Umfeld der rechtsradikalen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund. Der Ausschuss hört zur Zeit Zeugen an, die möglicherweise Kontakt zu dem Terroristen-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hatten.
    2007 wurde die 22-Jährige Polizistin Michèle Kiesewetter in ihrem Dienstwagen in Heilbronn erschossen; ein Kollege von ihr wurde bei der Tat schwer verletzt. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen die Täter gewesen sein, davon geht die Bundesanwaltschaft aus.
    Die Waffe der getöteten Polizistin fand sich später im Wohnmobil in Eisenach wieder, wo sich Mundlos und Böhnhardt das Leben genommen haben.
    Vor dem Untersuchungsausschuss bestätigte heute ein aus Baden-Württemberg stammender Zeuge, er habe Waffen über die Schweiz beschafft. Der Zeuge lebte bisweilen in Erfurt. Die Waffen seien für Rosemann gewesen, das habe er bereits vor einigen Jahren gestanden. Ausschussvorsitzender Drexler erklärte vor Beginn der Sitzung noch einmal die Verbindung von Rosemann zu den Terroristen:
    "Rosemann und Böhnhardt lernten sich als Zellengenossen in Haft kennen. Weiter stand Rosemann auf der 'Garagenliste' und im Briefkontakt mit Mundlos."
    Ralf Marschner erscheint nicht
    Als Zeuge geladen war heute auch der aus Zwickau stammende Neonazi Ralf Marschner. Marschner gilt als Schlüsselfigur im Umfeld des rechtsterroristischen NSU und wurde später als V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz enttarnt.
    "Der aus Zwickau stammende Zeuge, der auch Manole genannt wird, spielt eine zentrale Rolle in der rechtsextremen Szene, im gesamten NSU-Komplex. Er war im Zeitraum von 1992 bis 2002 als später enttarnter 'Priumus' für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Im Jahre 2010 sollen die Akten hierüber vernichtet worden sein. Des Weiteren war Maschner Sänger der Band Westsachsengesocks und Veranstalter von Konzerten, als einer der Hauptfiguren des sächsischen Blood-and-Honour-Netzwerkes war er bekannt mit NSU-Trio.
    Ob gegen den im Ausland lebenden Marschner ein Haftbefehl vorliegt, weiß Ausschussvorsitzender Drexler nicht, allerdings ist er sicher:
    "Wenn der Herr Maschner hierherkommt und hier aussagt und anschließend den Ausschuss verlässt, gehe ich davon aus, dass er verhaftet wird, weil entsprechende Dinge vorliegen gegen ihn. Wir haben uns nur bemüht, dass er die Ladung, als Zeuge bekommt."
    Bis zur Stunde ist Marschner nicht im baden-württembergischen Landtag eingetroffen – vermutlich wird er auch nicht kommen. Die Empfangbescheinigung der Ladung als Zeuge vor dem Untersuchungausschuss kommt indes aus Lichtenstein. Die Schweiz hatte zuvor die Zustellung der Ladung abgelehnt.