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NSU-Prozess
Zschäpe lässt antworten

Anfang Dezember hatte sich Beate Zschäpe erstmals im NSU-Prozess geäußert, überzeugte das Gericht damit aber nicht - viele Fragen blieben offen. Heute wird der Prozess fortgesetzt, auf die 50 schriftliche Nachfragen soll Zschäpes Anwalt dabei Antworten der mutmaßlichen Rechtsterroristin verlesen.

Von Tim Aßmann | 12.01.2016
    Beate Zschäpe am 10.11.2015 am Oberlandesgericht München
    Beate Zschäpe am 10.11.2015 am Oberlandesgericht München (dpa / picture-alliance / dedimag)
    Es ist der 253. Verhandlungstag und im Mittelpunkt sollen heute und auch morgen und übermorgen Antworten stehen. Zuerst wird voraussichtlich Beate Zschäpe antworten - beziehungsweise antworten lassen. Zschäpe-Verteidiger Mathias Grasel teilte mit, er könne im Namen seiner Mandantin die schriftlichen Antworten auf die mehr als 50 Fragen verlesen, die das Gericht Grasel vor der Weihnachtspause diktiert hatte.
    Nach der Erklärung blieben viele Fragen
    Der Fragenkatalog machte deutlich, dass Zschäpes schriftliche Erklärung Anfang Dezember dem Gericht zu oberflächlich war. Es will von der Hauptangeklagten unter anderem mehr über mögliche NSU-Unterstützer sowie über Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wissen, zum Beispiel über deren Gewaltbereitschaft und politische Einstellung. Auch zum Verhältnis zwischen Zschäpe und den beiden Männern stellte das Gericht mehrere Fragen.
    Die Erklärung der Hauptangeklagten habe hier vieles offen gelassen, sagt Nebenklage-Anwältin Doris Dierbach. "Sie hat es hier ein bisschen berichtet wie einen Stummfilm. Danach hat es ja kaum Gespräche gegeben über die Dinge, die die beiden Männer so veranstaltet haben tagsüber. Außer, dass sie hin und wieder mal die beiden dann beschimpft haben soll, wegen irgendwelcher Geständnisse. Man muss ja immer sehen, dass das immerhin 13 Jahre Untergrund waren. Das kann nicht so gewesen sein", sagt Dierbach.
    Unglaubwürdig - so beurteilen viele Prozessbeteiligte die Zschäpe-Erklärung. Und eine Überprüfung der Angaben erschwert die 41-Jährige dadurch, dass sie Fragen bisher nur schriftlich beantworten will. Das entwertet Zschäpes Aussage, findet Rechtsanwalt Yavuz Narin, der Angehörige der Münchner Opfer der Mordserie im Prozess als Nebenkläger vertritt: "Wenn solche Fragen natürlich nicht spontan beantwortet werden, dann wird sich das auf die Glaubhaftigkeit der Antworten auswirken. Das wird der Senat bei seiner Würdigung entsprechen berücksichtigen müssen."
    Mitangeklagter Wohlleben antwortet selbst
    Der Angeklagte Ralf Wohlleben antwortet, anders als Zschäpe, selbst und er lässt im Gegensatz zu der Hauptangeklagten auch Fragen von allen Prozessbeteiligten zu. Genau wie Zschäpe streitet Wohlleben allerdings die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weitgehend ab und gibt die Schuld an den Morden und Bombenanschlägen, die der Terrorzelle zur Last gelegt werden, anderen. Gewalt habe er stets abgelehnt, erklärte der Ex-NDP-Funktionär in seiner Aussage vor Gericht im Dezember vergangenen Jahres. Daran zweifelt nicht nur Opferanwalt Stephan Kuhn: "Diese gänzliche Ablehnung von Gewalt seitens Herrn Wohllebens, halte ich für absolut nicht glaubwürdig. Das widerspricht auch allem, was wir in der mittlerweile über zweieinhalb Jahre dauernden Beweisaufnahme erlebt haben." Ralf Wohlleben wird voraussichtlich ab morgen Fragen beantworten.
    Schon vorher steht in einem zentralen Punkt Aussage gegen Aussage. Der Mitangeklagte und Kronzeuge Carsten S. hatte kurz nach Prozessbeginn im Mai 2013 die Beschaffung jener Ceska-Pistole gestanden, mit der neun von zehn Morden begangen wurden, die dem NSU zur Last gelegt werden. Wohlleben habe den Waffenkauf in Auftrag gegeben und finanziert, erklärte Carsten S. damals. Wohlleben streitet das aber ab. Deshalb wird sich wohl auch Carsten S. noch einmal Fragen stellen müssen, sagt dessen Verteidiger Johannes Pausch: "Es ist davon auszugehen, dass mehrere Prozessbeteiligte, inklusive der Senat, unseren Mandanten auch fragen wird: 'Was sagen Sie dazu?' Denn es stehen ja nun zwei Wahrheiten sich gegenüber."
    Das Gericht muss auch noch über einen weiteren Entpflichtungsantrag von Beate Zschäpe gegen ihre sogenannten Altverteidiger entscheiden. Das Verhältnis zwischen der Hauptangeklagten und den Pflichtverteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ist zerrüttet. Zschäpe hat mittlerweile zwei weitere Anwälte. Das Gericht wird ihren Antrag aber voraussichtlich erneut ablehnen um die Fortsetzung des Prozesses zu sichern.