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NSU-Untersuchungsausschuss einberufen

Um das Neonazitrio aus Sachen, auch als NSU-Terrorzelle bekannt, wird es einen Untersuchungsausschuss im sächsischen Landtag geben. Das Delikate: Die NPD wird an diesem Ausschuss teilnehmen, obwohl die Terrorzelle in Verdacht steht, der rechtsextremen Partei nahe gestanden zu haben.

Von Claudia Altmann | 12.04.2012
    Der sächsische Landtag im Zentrum von Dresden. Hier wird Ende des Monats der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Behördenversagens im Fall des Zwickauer NSU-Trios seine Arbeit aufnehmen. So ruhig, wie die gleich danebenliegende Elbe fließt, so hoch schlagen die Wellen um das Gremium, denn auch die rechtsextremistische NPD wird mitarbeiten.

    In der zweiten Etage des Landtags sind die Räume der acht NPD-Fraktionsmitglieder untergebracht. Das Partei-Logo hängt im Eingangsbereich des Flurs. In einem der Büros nimmt Arne Schimmer, der für die Partei im Ausschuss sitzen wird, an einem Beratungstisch Platz. Die schwarzen Haare kurz geschnitten, Dreitagebart. Er trägt ein schwarzes Cordjacket und Jeans.

    "Also ich denke, das ist eine sehr, sehr interessante Aufgabe. Ich habe jetzt auch schon sehr viel Literatur zum Thema Geheimdienste durchgearbeitet. Zum Thema NSU gibt es ja noch keine Literatur. Und natürlich freue mich sehr auf diese Aufgabe. Das ist eine Herausforderung, die man ja nicht jeden Tag gestellt bekommt."

    NPD-Informationsausschuss, so hatte ein CDU-Abgeordneter seine Bedenken drastisch auf den Punkt gebracht. Denn die vom Verfassungsschutz überwachte NPD bekommt Einsicht in Akten und Geheimdokumente und erhält so Kenntnis von der Arbeitsweise der Behörde. Darauf angesprochen beeilt sich Schimmer mit der Antwort.

    "Nein also, das kann ich, eh, mit aller Entschiedenheit, diese Unterstellung zurückweisen. Es ist mit Sicherheit kein NPD-Informationsschuss. Das ist ein Untersuchungsausschuss, der Behördenversagen kontrollieren soll. Und ich glaube, dass es ein völlig übertriebenes Affentheater ist, das um den Vertreter der NPD im Untersuchungsausschuss gemacht wird."

    Auch Christian Piwarz ist Ausschussmitglied. In seinem Büro blättert der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU in Unterlagen. Seine Partei war gegen die Einsetzung des Gremiums.

    "Man hat ganz deutlich gemerkt nach der Aufdeckung des Terrortrios wie die NPD auch im sächsischen Landtag agiert hat und wie sie geradezu panisch versucht hat, das Thema in ihre Richtung umzudrehen und möglichst die Schuld in den eigenen Reihen weit von sich zu weisen. Und das lässt einen Demokraten doch hellhörig werden, dass da offensichtlich mehr dahinter steckt."

    Piwarz blickt durch seine blau-weiß umrandete Brille und zieht die Augenbrauen hoch, als er seine Sorge vorbringt.

    "Wenn man ihre Reden im Plenum und ihre Veröffentlichungen genau verfolgt, dann weiß man, dass sie sich sehr sehr akribisch vorbereiten werden auf diesen 3. Untersuchungsausschuss. Das wird ihr Hauptkampffeld werden. Die werden sehr sehr genau schauen, wo sie ihre Ansatzpunkte finden und sie werden insbesondere die Zeugeneinvernahmen nutzen, um für sie relevante und wichtige Informationen zu bekommen, Informationen, wo wir eigentlich der Auffassung sind, dass sie besser nicht öffentlich in einem Ausschuss behandelt werden sollten."

    Das Aufklärungsinteresse der NPD sei ebenso neutral wie das der anderen Mitglieder, betont dagegen deren Landtagsabgeordnete Schimmer. Er hat die Hände vor sich auf dem Tisch ineinander gelegt und verzieht beim Reden keine Miene. Schimmer sitzt seit 2009 im sächsischen Parlament - damals war die NPD mit 5,6 Prozent der Wählerstimmen zum zweiten Mal in den Landtag eingezogen. In seiner Fraktion gilt der studierte Ökonom als einer der intellektuellen Köpfe, als guter Rhetoriker und Wirtschafts- und Finanzkenner. Im Untersuchungsausschuss, so schimpft er, solle er ausgegrenzt und seiner Partei die ihr zustehenden Rechte streitig gemacht werden.

    "Wir wollen uns auf jeden Fall natürlich auch mit Beweisanträgen beteiligen. Wir wollen verschiedene Zeugen laden. Wir wollen natürlich auch in die Zeugenbefragungen aktiv eingreifen. Die Zeugen natürlich möglichst genau befragen, auch in alle Richtungen befragen auch auf möglichen Geheimdiensteinfluss hin. Wir haben uns schon einige Beweisanträge überlegt, die wir stellen wollen. Das will ich jetzt aber noch nicht alles verraten, was wir da machen wollen."

    Die anderen Parteien haben angekündigt, dies zu verhindern, indem sie seine Zeugenbefragungs- und Beweisanträge ablehnen werden. Schimmer kündigt an, dagegen notfalls vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof klagen zu wollen.

    Dieser Drohung aber sieht der stellvertretende Ausschussvorsitzende Klaus Bartl von den Linken eher gelassen entgegen.
    Der grauhaarige Mann mit Brille räumt einen Stapel Akten und Papier von dem kleinen Tisch in seinem Büro. Einen Plastikbecher mit Kaffee in der Hand - schüttelt er den Kopf.

    "Der Ausschuss bekommt nie Dokumente und bekommt nie Aussagen oder Aussagegenehmigungen, wo Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz zu Quellen, zu konkreten Menschen, die als Quellen mit den verschiedenen Kontaktpersonen, Vertrauenspersonen usw. gearbeitet haben. Das ist generell nicht zulässig. Da gibt es ein Sperrvermerk des Ministers. Und er bekommt auch nie Dokumente - das ist dann immer alles geschwärzt - aus denen man Aufschluss gewinnt über die Arbeitsweise des Landesamtes."

    Der Linke ist sich mit seinen Kollegen von der SPD und den Grünen einig: Der Ausschuss sei das einzige Mittel, um die von der CDU angeführte Landesregierung zur Aufklärung zu zwingen.

    "Entweder ich mach den Ausschuss und ich untersuche es und prüfe es. Und beherrsche das auch so, dass ich darauf vertraue, dass wir intelligent genug sind, der NPD nicht irgendwelche Munition für ihre eigene Frontbegradigung zu liefern. Oder ich lass das liegen und verhindere damit, dass die Dinge auf den Tisch kommen."

    Die NPD sei in den anderen beiden Untersuchungsausschüssen des Landtages weder störend noch hilfreich, sagt Klaus Bartl nimmt einen Schluck aus dem Kaffeebecher und schlussfolgert.

    "Reale Gefahr, dass die NPD daraus Honig saugen kann, sehe ich nicht."