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Nüßlein: Rettungsschirm soll Bankenkrise verhindern

Eine Insolvenz Griechenlands könnte eine Bankenkrise verursachen, sagt der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Georg Nüßlein. Die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms sei nötig, um in diesem Fall den Banken zu helfen.

Georg Nüßlein im Gespräch mit Martin Zagatta | 12.09.2011
    Martin Zagatta: Während in Deutschland jetzt über eine Insolvenz der Griechen diskutiert wird, geht die CSU noch einen Schritt weiter. Sie droht jetzt Ländern wie Griechenland mit einem Ausschluss aus der Euro-Zone. Euro-Staaten, die sich nicht an die gemeinsamen Regeln der Haushaltsdisziplin halten und dadurch sich und die Währungsunion in Schwierigkeiten bringen, müssen damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen, heißt es in einem Leitantrag, den der Parteivorstand am Nachmittag beschließen will. Dabei ist das in den EU-Verträgen gar nicht vorgesehen, wie Regierungssprecher Steffen Seibert gerade eben noch einmal betont hat.

    O-Ton Steffen Seibert: "Sie haben ja vielleicht auch gehört, was die europäische Kommission zur Rechtslage gesagt hat. Die geltenden Verträge sehen weder einen freiwilligen Austritt, noch so etwas wie einen Rauswurf eines Landes aus der Euro-Zone vor. Also die Rechtslage steht einem solchen Schritt schon mal entgegen."

    Zagatta: Der Regierungssprecher Steffen Seibert, dem wahrscheinlich auch Georg Nüßlein interessiert zugehört hat. Guten Tag, Herr Nüßlein.

    Georg Nüßlein: Hallo! Ich grüße Sie.

    Zagatta: Als wirtschaftspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Herr Nüßlein, warum will die CSU da mit etwas drohen, was rechtlich gar nicht möglich ist?

    Nüßlein: Ich glaube, das Entscheidende ist nicht die Drohung, sondern das Entscheidende ist, dass man sich erst mal über die Frage Gedanken machen muss, wie sanktioniert man ein permanentes Schuldenmachen auf der einen Seite, und auf der anderen Seite muss man sich darüber Gedanken machen, wie kommen Länder wie Griechenland wieder auf die Beine. Der Produktivitätsnachteil der Griechen ist jedenfalls so groß, dass sie die Abwertung der Währung als Ausgleich brauchen, weil die Alternative wäre ein Reallohn-Verzicht in einem unrealistischen Ausmaß. Deshalb bin ich überzeugt, dass sich die Griechen am Ende für einen Austritt entscheiden, wenn wir ihnen nicht eine, wie soll ich sagen, Hängematte flechten, die ein "Weiter so" auf Zeit begünstigt. Und für mich steht fest, Griechenland hätte sich den Beitritt nicht erschleichen und Rot-Grün ihn nicht wider besseres Wissen betreiben dürfen.

    Zagatta: Aber wenn die Griechen dem nicht nachkommen, dann muss man sie rauswerfen. So lautet doch kurz gesagt das, was Ihr Parteivorstand am Nachmittag beschließen will.

    Nüßlein: Das ist das, was der Parteivorstand beschließt, und dazu muss man dann einen Weg finden. Wenn sich jemand nicht an diese Schuldenthematik hält, wenn jemand nicht bereit ist zu sparen und sich auf einen Stabilitätskurs zu begeben, dann muss man natürlich sich darüber Gedanken machen, wie man das dann innerhalb der Euro-Länder so regelt, dass das nicht zu Lasten Dritter geht. Es kann ja auf Dauer nicht sein, dass die einen sparen und die anderen das Geld ausgeben; das haben wir auf Bundesebene allerdings auch.

    Zagatta: Also doch eine Drohung?

    Nüßlein: Natürlich ist das auch eine, das Sich-Gedanken-Machen über die Sanktion. Denn die bisherige Sanktion, die im übrigen nie zum Tragen gekommen ist, heißt ja, wir hängen einer Lokomotive, die den ersten Wagen nicht ziehen kann, einen zweiten an und gucken dann, ob sie den dann zieht.

    Zagatta: Aber wenn Sie jetzt drohen und das rechtlich gar nicht möglich ist, wie Herr Seibert, der Regierungssprecher, eben betont hat, was machen Sie denn dann, wenn die Griechen Ihnen die kalte Schulter zeigen und nein sagen?

    Nüßlein: Die Griechen sind in einer Situation, wo sie kooperativ dafür Sorge tragen müssen, dass sie selber wieder ans Oberwasser kommen.

    Zagatta: Aber man kann ja auch sagen, wenn uns die EU mit Geldern hilft - und im Bundestag soll ja jetzt auch ein zweiter Rettungsschirm beschlossen werden -, dann möglicherweise, ob man das nun billigt oder nicht, ob man das nun gern sieht oder nicht, lenkt Griechenland da nicht ein. Was machen Sie dann?

    Nüßlein: Der Punkt ist doch der: Sanierung hat aus unserer Sicht sicher Vorrang vor einer Staatsinsolvenz. Aber wir müssen doch überlegen, was passiert, wenn wir das nicht verhindern können, wenn der IWF beispielsweise nicht weiterfinanziert - da gibt es ja Anzeichen dafür. Und ein solches Szenario muss man aus meiner Sicht einkalkulieren. Ich bin der Überzeugung, wir kaufen mit unserem Hilfspaket maximal Zeit. Die Zeit gilt es dann auch zu nutzen, und deshalb halte ich es für sinnvoll, den EFSF, also diesen Fonds jetzt so auszurichten, dass wir bei einer Pleite Griechenlands eine Bankenkrise verhindern können. Um das geht es letztendlich.

    Zagatta: Werden Sie persönlich, werden Sie diesem Hilfspaket jetzt im Bundestag zustimmen? Denn möglicherweise wird dann das dafür verwandt, Griechenland mit weiteren Hilfen auszustatten.

    Nüßlein: Ich werde dem zustimmen, wenn es uns gelingt, die Dinge sauber zu trennen und sicherzustellen, dass es ein Instrument ist, das im Falle einer Insolvenz Griechenlands dann eine Bankenkrise verhindert. Diese Bankenkrise einzuplanen, macht aus meiner Sicht absolut Sinn, weil ich der Überzeugung bin, dass die Troika zu dem Ergebnis kommen wird, so wie wir das momentan glauben tun zu können, wird es nicht gehen. Die Griechen haben einen Staatshaushalt von 50 Milliarden Euro und haben 350 Milliarden Euro Schulden. Ich kann nicht erkennen, was sie letztendlich auf der wirtschaftlichen Seite zu bieten haben, das uns optimistisch macht, aus dieser Krisensituation zu kommen.

    Zagatta: Das heißt, Sie glauben gar nicht daran, dass den Griechen jetzt mit einem zweiten Hilfspaket, also mit diesem Rettungsschirm, noch zu helfen ist?

    Nüßlein: Ich bin da sehr, sehr skeptisch.

    Zagatta: Warum wollen Sie trotzdem zustimmen?

    Nüßlein: Noch mal: Wir brauchen diesen Fonds, um dann, wenn hier was passiert an der Stelle, sicherzustellen, dass wir nicht in eine Bankenkrise schliddern. Das heißt, wir müssen dann Teilen der Gläubiger jedenfalls zur Seite stehen, um dann auch ihren Aufgaben als Banken in Zukunft weiter gerecht zu werden.

    Zagatta: Auf gut Deutsch heißt das, man soll oder der Bundestag soll jetzt einem Rettungspaket für Griechenland zustimmen, das aber dann gar nicht für Griechenland bestimmt ist?

    Nüßlein: Das steht ja auch in diesem Gesetz mit drin, dass dieser Fonds auch geeignet ist, den eigenen Banken beispielsweise zu helfen, wenn in der Tat eine Staatsinsolvenz zum Tragen kommt.

    Zagatta: Jetzt gibt es auch Ökonomen, die sagen, die Griechen könnten sich für insolvent erklären, oder man könnte sie für insolvent erklären, sie könnten aber trotzdem in der Euro-Zone bleiben. Halten Sie das für möglich?

    Nüßlein: Ich halte es für theoretisch denkbar, aber es ist ja die Frage aus griechischer Sicht, was denn einen Sinn macht. Wenn sie sich entschuldet haben, müssen sie ja ökonomisch auf die Beine kommen, und aus meiner Sicht ist der Produktivitätsnachteil der Griechen so groß, dass sie entweder die Möglichkeit zur Abwertung haben müssen, oder eben ihre Reallöhne deutlich senken müssen. Das sieht man aber schon an den Demonstrationen momentan, dass sie dazu wohl nicht in der Lage sein werden, und es ist ein schmerzhafter langer Prozess, diesen Weg des Reallohnverzichts zu gehen. Das ist jetzt reine Ökonomie, hat nichts mit Politik zu tun, klingt kalt, weiß ich, aber wirklich: Es ist reine Ökonomie. Ökonomisch gesehen: Wenn die eine eigene Währung haben, die sie abwerten können, sind sie plötzlich wieder dann auch konkurrenzfähig. Nehmen wir diesen Riesenbereich des Tourismus': 40 Prozent der Wirtschaft in Griechenland ist von Tourismus geprägt. In dem Moment, wo die beispielsweise eine Drachme wieder haben, günstig sind, fahren die Deutschen auch wieder nach Griechenland und nicht sonst wo hin.

    Zagatta: Und Sie werden dann nicht Ärger bekommen jetzt mit Ihren Kollegen von der CDU, denn nach dem, was Herr Seibert eben gesagt hat, sieht man ja in den Reihen der CDU - er spricht ja für die Regierung - diese Möglichkeit nicht so von einer Insolvenz?

    Nüßlein: Ich habe deutlich gesagt, die Priorität ist die Verhinderung dieser Staatsinsolvenz. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es uns nicht gelingt, ist relativ hoch, und deshalb muss man sich auf das ganze einstellen. Ich glaube, dass auch die Märkte, die viel zitierten, die ja dieses Risiko einpreisen in den Zinsen, eine Insolvenz nicht für unwahrscheinlich halten. Das heißt, man muss auch die Zeit jetzt nutzen, um die viel zitierten Märkte auf ein solches Szenario vorzubereiten. Deshalb macht es erstens schon mal Sinn, darüber nachzudenken, auch offen, offensiv darüber zu reden. Und der zweite Punkt ist: Ich scheue mich nicht, auch ein anderes Konzept dem Regierungskonzept gegenüberzustellen, das nämlich, das die CSU momentan entwickelt auf Parteiebene. Es macht Sinn in der Phase, man kann sich hier nicht einig sein, es gibt hier keine Patentlösung, sondern es gibt hier verschiedene Wege, über die man diskutieren muss, und da darf uns das Euro-Pathos nicht im Wege stehen, auch nicht das Europa-Pathos, das manchmal überzogen wird, sondern wir müssen sachlich und fachlich richtige Lösungen auf Basis einer Ökonomie finden, die eben von der Realität ausgeht und nicht von dem, was hätte gern sein sollen.

    Zagatta: Georg Nüßlein, der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Herr Nüßlein, ich bedanke mich für das Gespräch.

    Nüßlein: Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.