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Nüßlein: Transaktionssteuer ist im Bundeshaushalt bereits eingeplant

Der Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein (CSU) hat eingeräumt, dass eine nicht flächendeckende Finanztransaktionssteuer zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Dennoch sei die CSU mehrheitlich für die neue Steuer, noch zumal sie im Bundeshaushalt bereits eingeplant sei.

Georg Nüßlein im Gespräch mit Martin Zagatta | 10.01.2012
    Martin Zagatta: Bis März will Angela Merkel Nägel mit Köpfen machen und - so hat sie gestern nach Absprache mit Frankreichs Präsident Sarkozy angekündigt - die Finanztransaktionssteuer auf den Weg bringen, notfalls im Alleingang der Eurozone. Dumm nur, dass der Koalitionspartner, die FDP, dagegen ist. Verbunden sind wir jetzt mit Georg Nüßlein, wirtschaftspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Guten Tag, Herr Nüßlein.

    Georg Nüßlein: Ich grüße Sie.

    Zagatta: Herr Nüßlein, die FDP - das haben wir gehört - lehnt diese Finanztransaktionssteuer ab, die jetzt geplant wird von Frau Merkel. Sie hält diese Steuer, diese Börsensteuer für höchst schädlich für den Finanzplatz Frankfurt. Sie, die CSU, haben solche Bedenken nicht?

    Nüßlein: Zunächst einmal verstehe ich komplett die Position der FDP-Kollegen, schlicht und schlank deshalb, weil natürlich, wenn nicht alle mitmachen und insbesondere sich Großbritannien herausnimmt und London außen vor lassen will, das natürlich schon etwas ist, was man diskutieren muss, auch mit den europäischen Nachbarländern, und da muss man auch von den Briten noch mal ein bisschen mehr Solidarität einfordern. Nichtsdestotrotz stelle ich fest, dass wir mit dieser politischen Forderung auf der Stelle treten, wenn wir das nicht schrittweise machen. Deshalb ist die CSU mehrheitlich geneigt, hier an der Stelle schon auch Sarkozy und Merkel zu folgen.

    Zagatta: Und die Briten haben ja schon klipp und klar gesagt, sie werden das auf keinen Fall machen, ihnen geht es um ihren Finanzplatz. Schweden hat sich ähnlich geäußert. Also wenn die beiden Länder bei ihrem Nein bleiben, dann macht man das trotzdem, obwohl das dann, wie die FDP wahrscheinlich zurecht einwendet, zu einer Wettbewerbsverzerrung führt?

    Nüßlein: Das mag sein. Man muss dann eben mal sich ansehen, wie groß die Wettbewerbsverzerrung am Schluss sein wird. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Schäuble auch in künftigen Bundeshaushalten diese Finanztransaktionssteuer bereits eingeplant hat. Das ist auch der FDP bekannt.

    Zagatta: Das heißt ja, Sie sind auch überzeugt, dass das viel bringt, denn Experten sagen jetzt, diese Finanztransaktionssteuer, die würde ja an Kunden weitergegeben, das würde die Finanzinstitute, die man eigentlich in der Eurokrise beteiligen will, gar nicht so sehr treffen. Das ist aber aus Ihrer Sicht dennoch ein gutes Instrument?

    Nüßlein: Das ist die Frage, wie die marktliche Situation ist, wer am Schluss was bezahlt. Ob das zulasten der Gewinnsituation der Institute geht, oder ob man dort die Preise erhöht, kann ich Ihnen so nicht sagen. Aber es ist ein Instrument letztendlich, um auf der einen Seite diese Transaktionen etwas zu belasten, auf der anderen Seite die Banken mit in die Sanierung einzubeziehen, und andererseits natürlich in dem Zusammenhang die Lasten, die der Vater Staat da übernommen hat, wieder zurückzuführen. Größenordnung 2013, wenn der Plan vom Kollegen Schäuble stimmt, zwei Milliarden Euro.

    Zagatta: Die Banken sagen allerdings, die Zahlen seien infrage zu stellen, weil wenn sich die Geschäfte nach London verlagern, der Effekt gar nicht so groß sei und das dem Finanzstandort Frankfurt auf der anderen Seite sehr schadet. Das leuchtet nicht ein?

    Nüßlein: Das muss man aber erst mal absehen. Dass die Banken so argumentieren, ist für mich klar.

    Zagatta: Diese Steuer, Herr Nüßlein, die ist ja seit Jahren im Gespräch. Dafür hat sich dann aus dem Koalitionslager der eine oder andere immer wieder auch ausgesprochen. Glauben Sie denn, dass die jetzt ernsthaft umgesetzt wird, oder gibt die Kanzlerin das nur vor und scheitert dann - das ist ja abzusehen - am Nein der FDP?

    Nüßlein: Also ich glaube, wenn die Verhandlungen so laufen, wie es sich jetzt nach den Gesprächen von gestern abzeichnet, und sich da auch ein weiter Teil der europäischen Länder beteiligen wird, dass dann die FDP unter Druck kommen wird, hier mitzuziehen.

    Zagatta: Die kann aber sagen, es gibt eine klipp und klare Koalitionsvereinbarung und von der soll die Union nicht abweichen.

    Nüßlein: Da muss man miteinander reden, das kann man jetzt nicht vorher abschätzen, wie das läuft. Aber wir werden miteinander reden und werden da, glaube ich, sehr einvernehmlich am Schluss zu einer Lösung kommen.

    Zagatta: Sie haben aber einen Koalitionspartner, der es gerade noch mal laut Umfragen auf zwei Prozent bringt. Warum sollte der jetzt nachgeben und schon wieder als Umfallpartei dastehen? Da würden ja noch die letzten Wähler davonlaufen. Ist das realistisch, dass die FDP da nachgibt?

    Nüßlein: Ich bin mir nicht sicher, dass das dazu führen wird, dass es noch weniger wird. Die FDP muss sich die Frage stellen, warum sie denn momentan bei zwei Prozent ist. Das heißt, die müssen sich überlegen, woran lag es denn. Und dass die FDP in manchen Teilen den einen oder anderen Kompromiss vermissen lässt, die eine oder andere Kompromissbereitschaft, das ist etwas, was mich schon belastet an der Stelle.

    Zagatta: Aber es ist doch kaum anzunehmen, dass dann mehr Leute die FDP wählen, wenn sie zu den Positionen der Union überwechselt?

    Nüßlein: Das kann ich so nicht abschätzen. Ich glaube, dass es durchaus notwendig ist, dass die FDP anfängt, jetzt auch ernsthaft mitzuregieren. Und wenn Regieren sich darauf beschränkt, den Leuten mitzuteilen, wo man überall nicht mitspielen will, dann kommt man am Schluss zu Umfrageergebnissen, wie wir sie jetzt sehen. Ich glaube, dass das sich bei der FDP mittlerweile herumspricht, dass es schon Sinn macht, jetzt auch mal Politik zu machen in der zweiten Phase der Legislatur.

    Zagatta: Herr Nüßlein, aber Regieren könnte ja auch heißen, dass man sagt, man hält sich an das, was die Regierung beschlossen hat?

    Nüßlein: Ja, jetzt schauen wir mal, wie man letztendlich miteinander zurande kommt. Ich sehe es noch gar nicht so problematisch. Ich sehe eher den Punkt, dass man sich überlegen muss, ob es nicht Sinn macht, das, was da international gemeinschaftlich beschlossen wird, am Ende dann auch national hier umzusetzen. Denn die Rettung der Eurothematik und vor allem das Lösen der Schuldenproblematik europäisch ist doch ganz vorne auf der Tagesordnung und da muss man auch formulieren, wie man das tun will, und das heißt, wie man auf der einen Seite einsparen möchte, beispielsweise im Sozialbereich - da werden wir nicht umhin kommen -, auf der anderen Seite aber, wie man dafür Sorge tragen kann, dass auch die notwendigen Einnahmen da sind, und darüber werden wir uns natürlich auch unterhalten müssen, wer das am Ende wie bezahlt.

    Zagatta: Zu diesem Bezahlen gehört ja auch die Schuldenbremse letztendlich, die die Regierung auf den Weg gebracht hat, die beschlossen ist. Da wird jetzt laut "Bild"-Zeitung unter Umständen davon abgerückt. Es gibt zumindest, so Medienberichte, Pläne von Finanzminister Schäuble, wonach der Bundestag in Zukunft zustimmen soll, wenn die nach der Schuldenregel, so heißt es, zuständige Kreditaufnahme überschritten wird. Haben Sie davon als wirtschaftspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe etwas gehört?

    Nüßlein: Also allmählich macht sich die "Bild"-Zeitung lächerlich. Die wollen nicht nur Bundespräsidenten berufen und abberufen selber, sondern sind ständig dabei, irgendwie fadenscheinig Politik zu machen. Für ein solches Spielchen, wenn es das denn gäbe - es gibt es nicht -, wird es keine Mehrheit geben, auch schon gar nicht von der CSU unterstützt, sondern wir sind ganz klar stolz darauf, dass wir diese Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben haben, und wir halten es für richtig und wegweisend gesamteuropäisch, und deshalb werden wir auch nichts machen, was diese Schuldenbremse letztendlich infrage stellt. Ich kann insbesondere im Lager der SPD erkennen, wie die mit der Schuldenbremse ständig hadern, weil nicht mal dann der Staat mehr in der Lage ist, konjunkturell umfassend einzugreifen, so wie sich die linke Seite des Hauses das vorstellt. Aber ich kann überhaupt nicht erkennen, die Pläne gibt es nicht.

    Zagatta: Die gibt es nicht?

    Nüßlein: Nein, nein, die gibt es nicht. Diese Pläne, so wie sie die "Bild"-Zeitung schreibt, gibt es nicht. Es geht dabei vielmehr um die Frage, wie man den Haushalt der SoFFin [Anm. d. Redaktion: Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung] ordentlich in den Bundeshaushalt integriert. Das muss unser Anliegen sein. Das halte ich für notwendig und richtig, auch das entsprechend mit der zeitlichen Verzögerung dann auch im Bundeshaushalt einzubauen. Aber ich kann nichts erkennen und niemanden erkennen, der die Schuldenbremse bei uns infrage stellen will und der infrage stellen möchte, dass wir spätestens 2016 zu einem ordentlichen Bundeshaushalt kommen, der dann auch quasi ausgeglichen dafür Sorge trägt, dass wir die nächsten Generationen nicht mit zusätzlichen Schulden und damit Steuern belasten.

    Zagatta: Also ein klares Dementi. - Sie haben den Bundespräsidenten schon angesprochen. Jetzt in der Eurokrise wäre es ja vielleicht auch mal die Zeit, dass unser Bundespräsident sich da in einer Rede äußern würde. Kann er das jetzt überhaupt noch, ohne dass so etwas peinlich wirken würde?

    Nüßlein: Also erstens meine ich, dass er das sehr wohl kann, und zweitens halte ich das mittlerweile für sehr fragwürdig, was da medial letztendlich veranstaltet wird. Das ist eine Hetzjagd. Die eigentliche Frage, ob nämlich irgendjemand amtsmissbräuchlich von Wulff begünstigt worden ist, die wird gar nicht gestellt, sondern ...

    Zagatta: Doch, doch! Die stellen wir nachher auch wieder in dieser Sendung!

    Nüßlein: Das ist auch wichtig, die zu stellen. Da kann ich nämlich nichts erkennen. Ich kann nur erkennen, dass er ein günstiges Darlehen bekommen hat von Privaten und dass er ab und zu bei Freunden übernachtet, so wie das viele von uns auch tun. Ich habe keinen Freund, dem ich für eine Übernachtung Geld aufdrängen könnte, eine Bezahlung aufdrängen könnte, ohne dass der mich aus seinem Haus schmeißt, und jeder sollte für sich mal überlegen, ob er solche Freunde hat, und dann über die Freunde nachdenken und nicht über den Bundespräsidenten an erster Stelle.

    Zagatta: Da gehen wir nachher sicher noch in die Einzelheiten, das soll jetzt auch gar nicht unser Thema sein. Aber wenn eine Mehrheit - das ist ja nach Umfragen so - findet, dass Bundespräsident Wulff inzwischen nicht nur unglaubwürdig, sondern sogar peinlich ist, kann sich denn ein Land wie Deutschland auf Dauer einen solchen Präsidenten leisten?

    Nüßlein: Na da müssen sich aber - - Ich bin da immer sehr skeptisch bei diesen Umfragen. Die sind ja auch gesteuert, so wie die "Bild"-Zeitung momentan scheibchenweise das steuert in einer Kampagne, die unsäglich ist, und ich will da den Bundespräsidenten nicht unnötig in Schutz nehmen. Ich meine, er hat auch Fehler gemacht, insbesondere in der Kommunikation und im Krisenmanagement. Das sehe ich schon. Aber was da veranstaltet wird, das leuchtet einer Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile ein, dass das nicht so sein kann, und wir sind auf dem Weg, medial die Politik, die Demokratie so zu beschädigen, wie es unverantwortlich ist und dafür Sorge zu tragen, dass in Zukunft sich zunehmend weniger honorige Leute in den Dienst des Staates stellen werden und in den Dienst der Politik, und das halte ich für problematisch.

    Zagatta: Also da könnten wir sicher noch lange diskutieren. - Danke schön! - Das war Georg Nüßlein, der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Herr Nüßlein, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Nüßlein: Ich bedanke mich. Auf Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.