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"Nur das Fieberthermometer"

Die Kritik an der Leipziger Strombörse reißt nicht ab. Der Vorwurf ist angesichts der stark gestiegenen Strompreise immer der Gleiche: Die EEX, die European Energy Exchange, sei gar keine Börse, die Preisbildung verlaufe intransparent, es rieche nach Absprachen unter den großen Stromversorgern. Tatsächlich ist die EEX selbst nur eine Plattform, auf der andere den Strompreis machen.

Von Theo Geers | 09.03.2007
    "Wenn ich mir anschaue was wir gemeinsam dann Ende dieses Jahres anbieten können. Dann haben wir deutschen Strom, wir habe österreichischen Strom, schweizerischen Strom, französischen Strom, belgischen Strom, niederländischen Strom, deutsches Gas, holländisches Gas, belgisches Gas, CO2, Kohle und vielleicht noch ein bisschen mehr - das heißt ein bisschen auch den Weg zu European Energy Exchange werden wir dann schon gegangen sein, das wird dann nicht der ganze Weg sein, aber wir sind frohen Mutes, dass wir diesen weg gehen können."

    Wenn Hans-Bernd Menzel über die Zukunft der EEX, spricht gerät er schnell ins Schwärmen. Menzel ist Vorstandschef der EEX, der European Energy Exchange, und die will er in den kommenden Jahren zu dem machen, was der Name heute schon bedeutet: zu der Europäischen Energiebörse, mit der es in punkto Umsatz, Gewinn und Bedeutung niemand sonst in Europa aufnehmen kann. Doch viele Verbraucher kennen die EEX mit ihren gerade mal 43 Mitarbeitern unter einem ganz anderen Namen, als Leipziger Strombörse. Und da denkt jeder erst einmal an seine gestiegene Stromrechnung und an all die Schuldzuweisungen in Richtung Leipzig, wenn hierzulande über die hohen Strompreise debattiert wird. Das ist dann immer der Moment, in dem auch Vorstandschef Hans-Bernd Menzel die strahlende Zukunft beiseite schieben und in der Gegenwart erst einmal das eigene Unternehmen ins rechte Licht rücken muss:

    "Jemand der sagt, wir schimpfen jetzt einmal auf das Fieberthermometer, das diesen Preis sichtbar macht, der hat nicht verstanden, wie Markt funktioniert."

    Der Markt, also der Ort, an dem die Strompreise für Deutschland und Teile Europas gemacht werden, das ist nichts weiter als ein geräumigerer Büroraum: zwei große Tischgruppen mit zusammen acht Computerarbeitsplätzen und Telefonen, ein weiterer Tisch für die Aufsicht, eine Aufenthaltsecke, an der Wand zwei große Flachbildschirme, auf denen Nachrichtenprogramme laufen. Doch dass dieser Markt funktioniert und die dort entstehenden Preise reell sind, daran lässt Hans-Bernd Menzel keinen Zweifel:

    "Unser Preis ist mit höchster Sicherheit ein repräsentativer Preis, ansonsten würde jemand dafür sorgen, dass er es wird."

    Dieser jemand ist zum Beispiel ein Stromhändler oder ein Großverbraucher aus der Industrie oder ein Stadtwerk oder auch ein Stromkonzern wie E.ON oder RWE, kurz einer von knapp 160 anderen in Leipzig zugelassenen Handelsteilnehmern. Und das gibt Hans-Bernd Menzel Gelegenheit, gleich einem zweiten Vorwurf zu begegnen, der da lautet, die vier großen deutschen Stromkonzerne E.ON, RWE, Vattenfall Europe und EnBW machten den Strompreis unter sich aus:

    "Es ist keineswegs so, dass hier nur vier große Unternehmen verkaufen und dass dann da 156 kleinere am anderen Ende der Leitung sitzen und hoffen, dass da ein bisschen Strom herauskommt. Im Gegenteil: Wir haben in einem ganz normalen Monat immer 40 oder mehr Verkäufer in unserem Spotmarkt, das geht bis auf 70 hoch. Das heißt ,Ausländer spielen bei uns eine ganz wesentliche Rolle, und das sage ich dann auch immer, bitte mal zur Kenntnis nehmen."

    Denn auch diese bestimmen in Leipzig den Strompreis mit, zum Beispiel am Terminmarkt. Hier wird der Strom nur virtuell gehandelt, indem sich die Handelsteilnehmer ihren Strompreis für bis zu sechs Jahre in die Zukunft sichern. Am Spotmarkt hingegen werden die kurzfristigen Verbrauchspitzen für den jeweils folgenden Tag auch physisch gehandelt, also etwa eine Megawattstunde Strom zur Lieferung morgen zwischen 11 und 12 Uhr. Die Strombörse selbst fasst dabei die Strommengen der Anbieter und Nachfrager lediglich zusammen. Der Strompreis bildet sich dann wie an jeder Börse auf dem Niveau, zu dem die größte Menge an Stromkontrakten gehandelt werden kann. Dieser Preis für die Megawattstunde gilt als Referenzpreis, an dem auf dem gesamten Strommarkt niemand vorbei kommt. Hans-Bernd Menzel:

    "Deutschland ist mit Abstand der größte in Europa, und wir sitzen mittendrin,
    und damit bekommen natürlich dieser Markt und seine Teilnehmer und seine Volumina und seine Preise Referenzcharakter für Europa, so dass wir vom Preis her eine Leitfunktion haben. Und das drückt sich dann wieder in den Handelsvolumina aus"

    , was bei der Leipziger Strombörse die Kasse klingeln lässt. Doch entgegen landläufiger Vorurteile verdient die EEX am Strompreis nichts:

    "Wir leben nicht vom Strompreis als solchem. Für uns ist es egal, ob der Strompreis als solcher hoch oder niedrig ist. Uns ist es wichtig dass eine möglichst große Menge gehandelt wird. Um eine Größenordnung zu nennen: Eine Megawattstunde kostet im Moment um die 50 Euro, und wir bekommen 2 Cent."

    Doch auch diese zwei Cent je gehandelter Megawattstunde läppern sich. 2005 lag der Umsatz der Leipziger Strombörse bei 23,5 Millionen Euro, von denen 3,4 Millionen als Gewinn in der Kasse blieben: Der erste Gewinn im achten Jahr nach der Gründung der EEX, womit die Gewinnschwelle ein Jahr früher als geplant erreicht wurde. Auch 2006 war ein Rekordjahr. Das Handelsvolumen hat sich erneut fast verdoppelt auf 1133 Milliarden Kilowattstunden. Zum Vergleich: Der gesamte Stromverbrauch in Deutschland lag 2006 bei 540 Milliarden Kilowattstunden. Diese Explosion der Handelsumsätze in Leipzig ist für Vorstandchef Hans-Bernd Menzel denn auch neben der stetig steigenden Zahl der Handelsteilnehmer das Hauptargument, um alle Zweifler in die Schranken zu weisen, die immer wieder behaupten, der Strommarkt in Leipzig sei intransparent und es gehe dort nicht mit rechten Dingen zu:

    "Wenn in Summe allgemein bei allen Handelsteilnehmern, und wir reden hier über einen Profimarkt, der Eindruck entsteht, der Markt ist nicht transparent, dann werden sie an diesem Markt nicht teilnehmen."