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Nur ein Bruchteil kommt als Organspender überhaupt infrage

Die Neureglung der Organspende könne das Problem des Spendermangels lindern, sagt der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery. Es sei aber zu bedenken, dass nur ein geringer Bruchteil der Menschen, die in Deutschland sterben, überhaupt als Organspender infrage kommen.

Dr. Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit Christian Floto | 27.03.2012
    Christian Floto: Dr. Frank Ulrich Montgomery ist Präsident der Bundesärztekammer und zugleich der Ärztekammer Hamburg. Ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Schönen guten Tag, Herr Doktor Montgomery.

    Frank Ulrich Montgomery: Guten Tag, Herr Floto.

    Floto: Die Neuregelung der Organspendesetzt ja strikt auf Freiwilligkeit. Lässt sich aus Ihrer Sicht so das Problem des Organspendermangels zumindest lindern?

    Montgomery: Sie haben genau den richtigen Ton getroffen. Lindern wird man es damit können und Sie haben auch völlig recht, komplett lösen wird man das Problem nie, aber es wäre eine Riesenhilfe, wenn es uns gelingen würde, die Lücke zu schließen, zwischen den 75 Prozent der Bevölkerung, die sich grundsätzlich für eine Organspende bereit erklären und den nur 25 Prozent, die dies durch einen Organspendeausweis dokumentieren.

    Floto: Was ändert sich für die Kliniken? Alle Kliniken mit einer großen Intensivmedizinischen Abteilung werden ja zu sogenannten "Entnahmekliniken". Und es wird auch "Organspende-Beauftragte" geben. Mal abgesehen von der Wortwahl, gibt es hier so eine Art bürokratische Durchadministrierung des Problems ganz nach deutscher Art?

    Montgomery:Jein, muss man darauf eigentlich antworten. Sie haben natürlich Recht, dass hier sehr bürokratische Prinzipien gewählt werden. Aber das geht vielleicht auch in unserem System in Deutschland auch gar nicht anders. Wo ist das Problem? Sie haben nur wenige Kliniken in Deutschland, die Organe transplantieren, ich sage das jetzt mal sehr flapsig, die Organe einbauen. Aber Sie haben in 2.000 Kliniken in Deutschland Situationen, wo Menschen zu Organspendern werden können. Und Sie müssen jetzt die Organspender- und die -empfängerkliniken zusammenbringen. Und dazu brauchen Sie eine Struktur, das haben uns die Spanier übrigens sehr gut vorgemacht, indem sie in jeder Klinik, die gar nicht transplantiert, dennoch einen Transplantationsbeauftragten haben, der sozusagen meldet, dass hier ein potenzieller Spender vorhanden ist, der aber auch besonders geschult ist, die Gespräch mit Angehörigen zu führen, denn das ist eine unwahrscheinlich schwierige ärztliche Aufgabe. Und das geht dann so typisch über so furchtbare Namensbegriffe, die Sie da eben auch dargestellt haben, trotzdem ist das im Kern ein sehr gutes und vernünftiges Ansinnen.

    Floto: Dennoch noch mal ein Blick auf diese sogenannten Entnahmekliniken. Geraten diese nicht irgendwie dann auch in eine Art Zugzwang zu "liefern", nach dem Motto wir machen da Statistiken, wer liefert denn wieviel und könnte es nicht bitte etwas mehr sein?
    Montgomery: Nein, das glaube ich nicht. Ein Zugzwang kann es in der ganzen Situation nicht geben. Vergessen wir eines bitte nie: Hirntot und Organspender wird man nicht so eben und sehr einfach. Also von den etwa 820.000 Menschen, die jedes Jahr in Deutschland sterben kommen weniger als 10.000 überhaupt jemals, selbst unter optimistischen Prognosen, als Organspender infrage. Und wenn wir schon nur so wenige Menschen haben, die überhaupt von der medizinischen Situation in der Lage wären, Organe zu spenden, dann muss man ein System aufbauen, damit die auch mit den Organempfängern zusammenkommen. Ich glaube, dass die Ärzte das verantwortungsvoll und gut machen werden.

    Das vollständige Gespräch mit Dr. Frank Ulrich Montgomery können Sie bis zum 27. August 2012 in unserem Audio-on-Demand-Angebot als MP3-Audio hören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.