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"Nur mit Kunst kann man die Welt verändern"

"Ich werde kämpfen, solange ich kämpfen kann, um der Natur wieder zu ihrem Recht zu verhelfen und auch der Farbe in der Architektur", umschrieb Friedensreich Hundertwasser den Antrieb seines Schaffens. Seine bunten, schrägen Häuser mit unebenen Böden und bepflanzten Dächern oder seine Bilder mit ihren runden Formen, knalligen Farben und den goldenen Zwiebeltürmen bleiben bis heute ein Novum. Dieses Jahr wäre der selbsternannte Weltverbesserer und Autodidakt 80 Jahre alt geworden.

Von Sylvia Bösch | 15.12.2008
    "Ich werde leben und dafür sorgen, dass diese Wandlung vollzogen werden kann. Darin sehe ich meine Aufgabe, und ich werde kämpfen, solange ich kämpfen kann, um der Natur wieder zu ihrem Recht zu verhelfen und auch der Farbe in der Architektur."

    Friedensreich Hundertwasser war ein Kämpfer. Das zeigte sich bereits in seiner Jugend. Monatelang ernährte sich der junge Künstler von Abfällen, um seiner Mutter zu beweisen, dass er auch ohne Geld auskommen konnte. Später war es vor allem die moderne Architektur, die seinen Kampfgeist herausforderte.

    "Unsere Städte sind zu Beton gewordene Schnapsideen von verbrecherischen Architekten. Zwei Generationen von Architekten mit Bauhausmentalität haben unsere Wohnwelt zerstört. Daher brauchen wir dringend einen neuen Berufsstand, nämlich den Architekturdoktor. Der Architekturdoktor ist ein Mann, der kranke Häuser heilt."

    Mit bunten, wellenförmigen Kacheln, schiefen Fenstern, farbigen Säulen oder vergoldeten Türmen wollte er "unmenschliche" Bauwerke von ihrer Sterilität befreien. Ein Kunst- oder Architekturstudium hat Hundertwasser nie abgeschlossen, keine Akademie konnte ihn lange halten. Stattdessen zog er es vor, seine Erfahrungen auf ausgedehnten Reisen durch Europa, Marokko oder Japan zu sammeln. Mit skurrilen Ideen kehrte er stets zurück - Ideen, die er in Raststätten und Bahnhöfen, einem Frankfurter Kindergarten, einer Termalhotel-Anlage und schließlich in dem heute als Touristenattraktion geltenden Hundertwasserhaus in der Wiener Löwengasse verwirklichte:

    "Unebene Böden, unebene Wände, das Haus ist mit Gras bedeckt. Bäume stehen auf dem Haus. Es gibt Baummieter, acht oder zehn Stück, die aus dem Fenster wachsen und die groß werden."

    Am 15. Dezember 1928 in Wien geboren, wurde Hundertwasser zunächst durch seine Bilder bekannt, die - vom Stil der Wiener Secession beeinflusst - auch als Ausgangspunkt seiner Bauwerke gelten. Neben organischen Formen wie Rundköpfen, "Nasen-Flüssen" und "Gras-Bärten" sind es architektonische Motive wie Häuser, Giebel und Zäune, die seine Formenwelt bestimmen. Eines seiner meistverwendeten Motive ist die vegetative Spirale.

    "Die Spirale ist ein ganz, ganz wichtiges Symbol des Universums, bedeutet Tod und Leben gleichzeitig, ganz gleich, ob man von außen oder von innen in die Spirale eindringt. Oder, wenn man vom Zentrum aus hinausgeht, dann bedeutet das Geburt und von außen hin Auflösung und Tod."

    Der Idee des Organischen und Ungeraden setzte der Künstler eine Verachtung der geraden Linie entgegen. Sie sei gottlos und mache krank, da sie in der Natur nicht vorkomme. In Schriften wie dem "Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur" forderte er sogar ihre Abschaffung.

    Er selbst verstand sich als "Weltverbesserer", der mit seiner Mission weit über die Grenzen der Kunst hinausgreifen wollte.

    "Denn nur mit Kunst kann man die Welt verändern."

    Seinen bürgerlichen Vornamen Friedrich wandelte er in Friedensreich um, aus seinem Nachnamen "Stowasser" machte er Hundertwasser, da in den slawischen Sprachen das Wort "sto" hundert bedeutet. Der Aktionskünstler vertrat stets radikale Positionen und provozierte beispielsweise mit seinen sogenannten "Nacktreden", mit denen er gegen seelenlose Kunst und Architektur demonstrierte. Seinem Erfolg hat dies nicht geschadet:

    "Zehn Jahre lang habe ich überhaupt nichts verkauft. Das heißt, die ersten Bilder, die ich verkaufte, waren nur 100 Schilling wert, also zwölf Mark so ungefähr. Geld interessiert mich überhaupt nicht. Ich bin ein absolut nicht Profit orientierter Mensch. Wenn ich natürlich mit Geld Häuser bauen kann oder Dinge stiften kann oder Dinge in Bewegung setzen kann, dann ist das natürlich schon eine gute Sache."

    Bis zuletzt liebte und lebte er einen spartanischen Stil. Seine Schuhe fertigte er selber, dazu trug er aus Prinzip verschiedenfarbige Socken, eine alte ausgebeulte Hose, seinen verschlissenen Malerkittel und immer wieder eine Ballonmütze. Als Friedensreich Hundertwasser am 19. Februar 2000 auf der Rückreise von seiner neuen Heimat Neuseeland nach Österreich starb, befand er sich zwar an Bord eines Luxusschiffes, aber nur weil er eine Abneigung gegen das Fliegen hatte und zu alt war, um - wie früher - die Weltmeere eigenhändig zu besegeln.
    Der Architekt Friedensreich Hundertwasser im Jahr 1990
    Friedensreich Hundertwasser. (AP Archiv)