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Nur noch langweilige alte Männer

Umfragen zufolge interessieren sich junge Briten wenig für Politik. Jugendliche, die sich informieren, sind von der Führungsriege der Parteien nicht eben begeistert. Eine Überzeugungspolitikerin im Stil von Margaret Thatcher würde die Leute zumindest wieder aufwecken, finden sie.

Von Ruth Rach | 17.04.2013
    Mia ist 15. Sie besucht eine Gemeinschaftsschule in Lewes, in der Nähe von Brighton, Südengland. Die Ära Thatcher liegt für sie in ferner Vergangenheit.

    "Vor ihrem Tod hat mich Frau Thatcher nicht interessiert. Ich wusste nur, dass sie die erste britische Premierministerin war."

    Aber nach den intensiven Diskussionen der letzten Woche, auch innerhalb ihrer eigenen Familie - Ihre Mutter lehnt die Politikerin ab, ihr Vater bewundert sie, hat sich Mia eine eigene Meinung gebildet:

    "Frau Thatcher hat andere Frauen inspiriert, sich hohe berufliche Ziele zu setzen, und sie hatte einen starken Charakter. Das sollte man respektieren. Auch wenn man ihre Politik nicht gut findet."

    Mias Freundin Ella, 16, ist eine Spur kritischer.

    "Frau Thatcher hat nicht viel getan, um die feministische Sache zu fördern. Sie hat sich im Kabinett am liebsten mit Männern umgeben. Eine vertane Chance."

    Mia und Ella, zwei Mädchen aus einem Jahrgang von über 200 Schülern. Die meisten hätten wenig Interesse an Politik, erzählen sie. Vielleicht liege es daran, dass sie in einer relativ wohlhabenden Ecke Englands wohnten und von den direkten Folgen politischer Entscheidungen – noch – relativ verschont blieben. Wenn sie aus einer verarmten Bergarbeiterfamilie im Norden kämen, würden sie vielleicht anders reagieren, so die beiden Teenager.

    Oder auch nicht. Umfragen zufolge leiden gerade junge Briten landesweit an politischer Apathie. Mia und ihre Freunde sind Ausnahmen. Ihr Klassenkamerad Dominic, zum Beispiel, will Politik studieren. Dominic, 16 – ein passionierter Guardian Leser - macht Margaret Thatcher dafür verantwortlich, dass die sozialen Gräben im heutigen Groβbritannien so tief sind. Gleichzeitig kritisiert der Schüler aber auch Tony Blair: Der Labour-Politiker habe die Politik der konservativen Margret Thatcher sogar noch vorangetrieben. Mit dem Kalkül, endlich selber an die Macht zu kommen.

    "Den heutigen Politikern liegt vor allem daran, sich bei den Wählern einzuschmeicheln. Der konservative Premier David Cameron ist nach links gerückt, Labour wiederum rutscht nach rechts. Wie soll man überhaupt noch zwischen den Parteien unterscheiden?"

    Fragt Dominic. Die Schüler mokieren sich über die Fotoauftritte der Politiker: Labour-Chef Ed Milliband zum Beispiel vor einer Würstchenbude um seine Volksnähe zu beweisen – da könne man nur müde lächeln. Eine Überzeugungspolitikerin im Stil von Margaret Thatcher hingegen würde die Leute zumindest wieder aufwecken.

    "Wir wollen Politiker, die uns wirklich zuhören, und die keine soziale Schicht ausschlieβen."

    Sagt auch Mia. US Präsident Barack Obama findet sie gut, und Bundeskanzlerin Angela Merkel auch: starke Politiker mit klaren Aussagen. In Groβbritannien seien sie nicht mehr zu finden.

    Mia hat sich nie für Blair, Clegg, Brown, oder wie sie alle heißen erwärmen können. Das seien lauter langweilige alte Männer.

    Doch so ausgewogen und überlegt die Kommentare dieser Schüler zu Margret Thatcher ausfallen, die Politikerin polarisiert auch bei der jungen Generation . Ein paar Mitschüler seien wohl auch zu Demonstrationen nach London gereist, um den Tod der ehemaligen Premierministerin zu feiern. Geschmacklos, finden die Daheimgebliebenen. Rory, 16, bringt es auf den Punkt:

    "Das ist eine 87-jährige Frau, die krank war und an einem Schlaganfall gestorben ist. Was wenn ihre eigene Großmutter gestorben wäre? Dann wären diese Leute doch auch entsetzt, wenn jemand eine Party organisieren würde."

    Und die Kontroverse um Frau Thatchers Beisetzung? Dieses Zeremoniell sei viel zu teuer und schlichtweg übertrieben. Ella hätte so ein Ritual höchstens erwartet, wenn ein Mitglied der königlichen Familie gestorben wäre. Für eine Politikerin wie Margaret Thatcher sei das nicht angemessen, weil sie Groβbritannien nicht vertreten, sondern gespalten habe.

    Ihr Tod allein – so Dominic - bedeute gar nichts. Denn das Konzept des Thatcherismus werde weiterleben. Und Frau Thatcher selbst sei zuletzt doch nur noch eine alte Frau gewesen, die gelitten habe.