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Nutzen und Schaden der Klimagesetze

Das deutsche Erneuerbaren-Energiegesetz mache das Land zwar unabhängiger von Importen, am Klimawandel ändere sich dadurch aber gar nichts, so kritisierte der "Spiegel"-Redakteur Anselm Waldermann Anfang Februar die Gesetzgebung der Bundesregierung. Die schickte nun ihrerseits zwei Fachleute zu einer Gegenrede in Berlin.

Von Dieter Nürnberger | 11.03.2009
    Der Hauptvorwurf, den Claudia Kemfert, die Energieexpertin bei Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, und Reinhard Kaiser, Leiter der Unterabteilung Erneuerbare Energien im Bundesumweltministerium, den Kritikern machen, ist vor allem der, viel zu vereinfachend zu argumentieren. Tenor der Kritik ist es ja zu sagen, dass in Europa sozusagen kein Gramm CO2 durch die erneuerbaren Energien eingespart werde, weil dafür dank des Emissionshandels anderswo in Europa mehr Kohlendioxid verpulvert werden könne. Zuallererst, sagt Claudia Kemfert, dürfe man die Erneuerbaren Energien nicht allein nur unter dem Aspekt Klimaschutz bewerten.

    "Die erneuerbaren Energien haben auch einen Klimaschutzeffekt, indem sie natürlich CO2 einsparen. Aber sie können ja noch mehr: Sie sind industriepolitisch wichtig, sie stärken die deutsche Wettbewerbsfähigkeit. Es ist eine neue Technik, eine Zukunftstechnik. Zudem stärken die erneuerbaren Energien auch die Versorgungssicherheit. Das muss man einfach so einordnen. Wichtig ist, dass man sich die Wechselwirkungen mit anderen Klimaschutzinstrumenten anschaut. Das muss man aufeinander abstimmen. Die Schlussfolgerung kann aber nicht sein, dass man sagt, die erneuerbaren Energien tragen nicht zum Klimaschutz bei. Wir brauchen hier alle Instrumente, man muss sie aber miteinander abstimmen."

    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat inzwischen auch ganz konkret nachgerechnet, natürlich hätten die geförderten erneuerbaren Energien einen positiven Klimaeffekt in Deutschland. Allein 2007 seien dadurch rund 57 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden. Dass der europäische Emissionshandel derzeit diese Einsparungen zum Teil wieder relativiert, sei von der Theorie her richtig, nur müsse man dann in der Praxis aber die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Ansetzen müsse man dann an den Justierungen im Emissionshandel und nicht etwa bei der Förderung der erneuerbaren Energien, sagt Reinhard Kaiser aus dem Bundesumweltministerium. An der Förderung der Erneuerbaren zu schrauben, sei der falsche Weg.

    "Photovoltaik zum Beispiel betreiben wir im Moment nicht wirklich wegen des Klimaschutzes. Der Klimaschutzbeitrag der Photovoltaik ist derzeit recht begrenzt. Wir betreiben aber die Förderung der Photovoltaik, weil wir dort eine Technologielinie haben, Strom anders zu erzeugen als durch Verbrennung von Kohle und Gas. Das ist eine ganz starke Zukunftsinvestition."

    Verändern müsste man also die Bedingungen im europäischen Emissionshandel, sagt Claudia Kemfert. Sie denkt vor allem an eine Anpassung der Obergrenzen nach unten, das heißt, die Preise für die CO2-Zertifikate müssten teurer werden, eine Art dynamische Obergrenze, keine feste, wie sie derzeit die EU vorsieht. Zudem sollte der Emissionshandel generell ausgeweitet werden, der Bereich Verkehr beispielsweise sollte dazukommen.

    "Idealtypisch müsste der Emissionsrechtehandel alle klimarelevanten Sektoren abdecken. Es müssten international auch alle Länder berücksichtigt werden. Das haben wir in der Realität leider nicht. Aber man kann ja in diese Richtung streben, damit es Schritt für Schritt optimaler wird. Man sollte den Vorteil, eine Obergrenze zu haben nicht in dem Moment verlieren, dass viel Klimaschutz betrieben wird. Sonst wäre das Instrument ja wirkungslos. Wir müssen die Obergrenzen dynamisch anpassen, alles aufeinander abstimmen. Dann wird es auch funktionieren."

    Nur in einem Punkt hätten die Kritiker recht: Eine bessere Verzahnung der Instrumente würde noch mehr für den Klimaschutz bringen als es heute schon passiert.