Freitag, 29. März 2024

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"Ob er Präsident bleiben kann, entscheiden die Mitglieder"

Die Steueraffäre um den Unternehmer und Manager des FC Bayern München Uli Hoeneß gehe weit über den Fußball hinaus, meint Dagmar Freitag, Vorsitzende des Bundestag-Sportausschusses. Der Fall "zeigt, dass wir in keinem gesellschaftlichen Bereich vor ganz großen Enttäuschungen bewahrt werden".

Dagmar Freitag im Gespräch mit Sandra Schulz | 22.04.2013
    Sandra Schulz: Sportlich war der FC Bayern München fast erfolgreicher als erlaubt in dieser Spielzeit, aber wegen der spektakulär früh gesicherten Meisterschaft in der Bundesliga, wegen der Erfolgsserie in Champions League und DFB-Pokal, deswegen ermittelt jetzt natürlich nicht die Staatsanwaltschaft, sondern der Präsident des Vereins, Uli Hoeneß, der beschäftigt die Ermittler. Seitdem seine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung am Wochenende bekannt wurde, beschäftigt der Fall die Republik und der Streit um die Steuerhinterziehung.
    In Berlin bin ich jetzt verbunden mit der Vorsitzenden des Sportausschusses des Bundestages, mit Dagmar Freitag (SPD). Guten Tag!

    Dagmar Freitag: Schönen guten Tag.

    Schulz: Frau Freitag, Herr Hoeneß hat über Jahre den Staat betrogen, eine im Sport an Prominenz wohl kaum zu überbietende Figur. Was heißt das für den Fußball?

    Freitag: Na ja, ich würde das über den Fußball hinaus durchaus ausdehnen wollen. Wenn wir daran denken, dass Uli Hoeneß zum Beispiel im Jahr 2009 mit der Goldenen Sportpyramide ausgezeichnet worden ist - das ist eine der höchsten Auszeichnungen, die der deutsche Sport insgesamt zu vergeben hat -, dann geht die Signalwirkung natürlich aus meiner Sicht schon über den Fußball hinaus, auch wenn er jetzt im konkreten Fall Präsident des FC Bayern München ist.

    Schulz: Wenn wir den Fokus genau darauf verkleinern, was heißt das jetzt für seinen Verein?

    Freitag: Das muss in erster Linie der Verein mit seinen Mitgliedern entscheiden. Ich denke, wenn ich Mitglied des FC Bayern München wäre, würde ich mir eine entsprechende Meinung auch dazu bilden. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass das in erster Linie jetzt zwischen Hoeneß und seinem Verein geklärt werden muss.

    Schulz: Den Fokus will ich noch weiter verengen. Kann Uli Hoeneß Präsident des FC Bayern bleiben?

    Freitag: Ich habe ja gerade schon gesagt: Das müssen die Vereinsmitglieder entscheiden. Uli Hoeneß hat, wenn ich den aktuellen Pressemeldungen trauen darf, einen Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls ausgeschlossen und ich denke, die Mitglieder werden da aber durchaus gespaltener Meinung sein.

    Schulz: Dass der Verein das selbst entscheiden muss, das ist klar. Was würden Sie sagen?

    Freitag: Ich habe ja gerade gesagt, es ist schwierig, von außen, wenn man bisher nur aus den Medien auch nicht bestätigte Informationen hat, dazu Ratschläge zu geben. Das ist auch nicht meine Aufgabe. Wenn ich Mitglied im Verein wäre, würde ich wahrscheinlich die eine oder andere Nachfrage stellen wollen. Mehr möchte ich da im Moment nicht zu sagen.

    Schulz: Frau Freitag, es tut mir leid, ich muss an der Stelle noch mal kurz nachfragen, denn was bestätigt ist, ist ja, dass Uli Hoeneß über Jahre den Staat betrogen hat. Kann er Präsident des FC Bayern bleiben?

    Freitag: Richtig ist, dass er eine Selbstanzeige gemacht hat. Das zeigt uns, dass er ganz offensichtlich Steuern hinterzogen hat. Da sind wir uns völlig einig. Ob er Präsident bleiben kann, das entscheiden die Mitglieder. Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass Uli Hoeneß, so wie wir ihn gekannt haben in der Vergangenheit, in einem vergleichbaren Fall, wenn es einen anderen Verein, einen anderen Präsidenten beträfe, genau diese Frage selber auch stellen würde.

    Schulz: Machen Sie es uns noch ein bisschen deutlicher. Warum können Sie uns die Frage nicht beantworten?

    Freitag: Weil es nicht meine Aufgabe ist, als Sportpolitikerin, als Vorsitzende des Sportausschusses eine Meinung wiederzugeben, die noch nicht mal im Ausschuss diskutiert worden ist. Ich spreche hier ja nun nicht nur für mich.

    Schulz: Sie hatten gewiss auch persönliche Begegnungen mit Uli Hoeneß. Welchen Reim machen Sie sich jetzt insgesamt auf diesen Widerspruch, Image als Saubermann und jetzt dieser jahrelange Betrug?

    Freitag: Na ja, mir geht es genauso wie ganz vielen anderen in unserem Land. Sie haben recht, ich habe bei der einen oder anderen Gelegenheit Uli Hoeneß getroffen. Ich war beispielsweise auch bei der Veranstaltung der Stiftung Deutsche Sporthilfe anwesend, als ihm diese Goldene Sportpyramide verliehen worden ist, und das Bild von damals passt natürlich überhaupt nicht zu dem, was wir jetzt erfahren haben.

    Schulz: Ist es denn eigentlich normal? Wir haben im Moment nur Spekulationen darüber, um welche Summen es geht. Danach könnte Uli Hoeneß ein Vermögen von 20 Millionen Euro angehäuft haben. Sind solche Vermögen für Spitzenmanager im Sport eigentlich normal?

    Freitag: Ich habe Sie akustisch gerade mit der letzten Frage nicht verstanden. Würden Sie es bitte kurz wiederholen?

    Schulz: Sind solche Vermögen für Spitzenmanager im Sport normal?

    Freitag: Das kann ich nicht beurteilen. Uli Hoeneß ist ja nicht nur Spitzenmanager im Fußball; Uli Hoeneß ist ja wohl auch ein erfolgreicher Unternehmer. Ich habe mal nachgeschaut: Er ist 1999 nach meinen Informationen auch zum Manager des Jahres gewählt worden. Jetzt weiß ich nicht, ob sich das auf Fußball oder seine unternehmerische Tätigkeit bezogen hat. Aber jedenfalls hat Uli Hoeneß ja neben dem Fußball auch offensichtlich noch viel Geld verdient. Wo er jetzt wie viel Geld verdient hat, ob im Fußball oder als Unternehmer, das weiß ich nicht.

    Schulz: Wie soll der Sport diesen enormen Vertrauensverlust jetzt wettmachen?

    Freitag: Das wird eine ganz spannende Frage sein und dann kommen wir genau zu dem Punkt, den wir auch eingangs hatten: Es geht aus meiner Sicht weit über den Fußball hinaus. Der Sport kämpft in unterschiedlichen Bereichen durchaus mit Glaubwürdigkeitsproblemen, sei es Doping, sei es Match Fixing, sei es Korruption, und das, was jetzt offenbar geworden ist, zeigt einfach, dass wir in keinem gesellschaftlichen Bereich vor ganz großen Enttäuschungen bewahrt werden.

    Schulz: Dagmar Freitag, die Vorsitzende des Deutschen Sportausschusses und SPD-Politikerin. Sie war so nett, uns vom Flughafen aus noch ein Interview zuzusagen. Das haben wir jetzt per Mobiltelefon geführt, was man der Tonqualität auch ein bisschen angehört hat. Dafür entschuldigen wir uns bei unseren Hörern. Ihnen aber ganz herzlichen Dank.

    Freitag: Ja, sehr gerne.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.