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Obama auf Kuba
"Die Amerikaner setzen auf einen Regimewandel"

US-Präsident Barack Obama könnte mit seinem Besuch in Kuba zu einem dortigen Regimewandel beitragen, sagte der ehemalige Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt, im DLF. Es sei eine Weichenstellung, die historische Ausmaße habe und große Chancen biete.

Karsten Voigt im Gespräch mit Dirk Müller | 21.03.2016
    Karsten Voigt.
    Karsten Voigt. (imago/Wolf P. Prange)
    Voigt fügte hinzu, die Castro-Brüder wollten kein Regimewechsel. Er glaube allerdings, dass junge Kubaner noch einen Wandel erleben würden. Die Politik der Umarmung Kubas erinnere ihn an die deutsche Politik, an den Wandel durch Annäherung. Diese Rahmenbedingung sehe er auch in Kuba. All das würden die Castro-Brüder vesuchen aufzuhalten, sie würden es auf Dauer aber nicht stoppen können.
    In den USA hätten sich alle in ihre Schützengräben begeben und bekämpften die Politik Obamas. Der US-Präsident hoffe aber, bei jungen Exilkubanern Stimmen gewinnen zu können. Insofern habe der Besuch auch einen starken innenpolitischen Aspekt.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Dirk Müller: Der Präsident aus Washington also auf Kuba - unser Thema mit dem SPD-Außenpolitiker und USA-Kenner Karsten Voigt, viele Jahre Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Guten Morgen nach Berlin.
    Karsten Voigt: Guten Morgen, Herr Müller.
    Müller: Herr Voigt, ging das alles nicht viel früher?
    Voigt: Es ging theoretisch früher und viele Europäer haben das ja auch gewollt, dass die Amerikaner früher mit einer Kurswende beginnen. Aber es ging auch erst jetzt, weil zwei Dinge zusammentrafen. Eine Mehrheit der kubanischen Flüchtlinge, die besonders bei den Wahlen in Florida auch sehr wichtig sind, ist inzwischen der Meinung, dass man eine Öffnungspolitik gegenüber Kuba betreiben soll. Sie unterstützen Obama. Und dann hat man einen Präsidenten, der mutig ist, das gehört auch dazu, der mutig ist gegen starken innenpolitischen Widerstand und einen Schlussstrich zu setzen und in gewisser Weise aus amerikanischer Sicht ein wesentliches Element des Kalten Krieges jetzt zum Ende zu führen.
    Müller: Gehen wir noch ein bisschen in die Retrospektive. Ist diese oder war diese kleine Zuckerinsel der Albtraum der Amerikaner?
    Voigt: Wenn man daran denkt, dass es während der Kuba-Krise im Jahre 1961 fast zu einem weltweiten Nuklearkonflikt gekommen wäre, dann ist das wichtig. Und psychologisch ist es wichtig, weil viele Amerikaner - besonders wie gesagt in Florida - kubanische Wurzeln haben und von dort geflohen sind. Und wie immer in solchen Fällen sind dann die Flüchtlinge diejenigen lange Zeit gewesen, die gegen eine kooperative Politik mit Kuba waren. Inzwischen ändert sich das langsam. Aber die Republikaner werden ankündigen oder haben das jetzt schon bereits angekündigt, dass sie diese ganzen Schritte wieder zurückdrehen wollen, falls sie den Präsidenten stellen. Aber das wird ihnen nicht gelingen, denn hier ist eine Weichenstellung erfolgt, die aus meiner Sicht für die Beziehungen nicht nur zu Kuba, sondern zu Lateinamerika historische Ausmaße hat.
    Müller: Weil Symbolik häufig auch stärker ist als Argumente?
    Voigt: Nein! Ich glaube, ich würde es etwas anders formulieren: weil in der Politik Symbole auch Substanz sind. Es wird nicht nur gehandelt durch Gesetze, sondern auch durch Symbole. Ich erinnere daran, dass Willy Brandt nach Erfurt gefahren ist und wie er dort begeistert empfangen wurde. Anschließend hat die DDR-Führung mit einer Kampagne gegen Sozialdemokratismus sogar noch die innenpolitische Verhärtung vorangetrieben. Aber auf Dauer gesehen hat diese Politik, die damals von Brandt eingeleitet wurde, zu einem Regimewechsel geführt in der DDR. Und ich glaube, dass Obama mit seiner Politik die Voraussetzungen für einen Regimewechsel in Kuba schafft, die er selber nicht mehr erleben wird als Präsident, sondern er wird vielleicht sogar jetzt in den ersten Wochen konfrontiert sein, dass viele Leute sagen, seine Politik sei nicht erfolgreich, weil die kubanische Führung, die Castros den Kurs gegenüber dem sogar verschärfen werden.
    Müller: Das wollte ich Sie gerade fragen. Wir haben über die amerikanische Perspektive, über die amerikanischen Probleme und Sichtweisen gesprochen. Mit Blick auf Kuba war auch Fidel Castro das entscheidende Problem?
    Voigt: Regime pfeift ökonomisch aus dem letzten Loch
    Voigt: Ja! Das ist er auch weiterhin und das ist ganz offensichtlich, dass die Castro-Brüder und Fidel Castro insbesondere, dass die zwar die ökonomische Zusammenarbeit und die touristische Zusammenarbeit mit den USA intensivieren wollen, aber sie wollen keineswegs einen Regimewechsel. Im Gegenteil: Sie wollen das Regime immunisieren. Wenn man sieht, wie die ökonomische Lage Kubas ist, dass ihre Freunde in Lateinamerika wie Venezuela, die ja unter den gesunkenen Ölpreisen leiden, ihnen nicht mehr ökonomisch helfen können. Dann sieht man, dass das Regime in vielerlei Hinsicht ökonomisch aus dem letzten Loch pfeift. Und dass sie versuchen werden, den Regimewandel politisch aufzuhalten. Das kann man voraussetzen, aber es wird ihnen auf Dauer nicht gelingen.
    Müller: Noch einmal historisch betrachtet, Herr Voigt. Viele Jüngere unter uns können das ja gar nicht begreifen. Wir haben ja gelernt, dass die USA ja auch Verfechter, Anhänger der Realpolitik sind, also Annäherung mit China in den 70er-Jahren, auch die Annäherung mit der Sowjetunion, mit Großmächten, mit Supermächten. Das war alles dann nach vielen, vielen Hürden irgendwann kein Problem mehr, politischer Alltag. Warum, noch einmal die Frage, fiel das so schwer mit diesem kleinen, kleinen, kleinen Kuba?
    Voigt: Weil die Amerikaner dort mit ihrer Politik doch lange gescheitert sind. Sie haben dort versucht, mit militärischer Gewalt, damals mit der Schweinebucht-Aktion, das Regime zu stürzen. Vor ihrer Haustür gelang es der Sowjetunion, eine Militärbasis zu erhalten. Die Castros haben in Lateinamerika immer die Gegner der Amerikaner unterstützt. Und wenn man sich vor Augen führt, dass in Amerika immer gleichzeitig zwei Elemente zusammentreffen, nämlich die USA als Macht und die USA als Idee, so haben die Kubaner in beiderlei Hinsicht die Amerikaner herausgefordert, nämlich als kleiner Staat gegen die großen USA und als kommunistisches, sozialistisches Land gegen die Vormacht, wie sie sich selber empfanden, der freien Welt.
    Müller: Gucken wir mal auf kleine praktische Veränderungen, die jetzt im Grunde schon da sind. Es gibt erstmals wieder direkte Telefonverbindungen zwischen Kuba und den Vereinigten Staaten. Der Postverkehr ist wiederhergestellt. Man darf sogar jetzt mit der US-Kreditkarte bezahlen. Die Amerikaner dürfen das. Und die erste große amerikanische Hotelkette hat jetzt nun auch angekündigt, groß zu investieren. Vielleicht freut sich auch Arnold Schwarzenegger, bin mir nicht ganz sicher, ob er das noch tut, aber vielleicht freut er sich darauf, dass er nun bald wieder legal Kuba-Zigarren rauchen kann. Ist das jetzt der endgültige Sieg des Kapitalismus?
    Voigt: Prozess ist auf Dauer nicht aufzuhalten
    Voigt: Die Castro-Brüder werden das nicht so sehen. Aber ich glaube, dass die Kubaner selber erleben werden, wenn sie jung sind, dass es noch einen Regimewandel geben wird. Das wird wahrscheinlich erst nach dem Tode der Castro-Brüder eintreten. Die Amerikaner setzen auf Regimewandel und diese Politik der Umarmung Kubas bei gleichzeitiger Ausdehnung der Kontakte wird meiner Meinung nach auch dazu führen. Es erinnert mich in vielerlei Hinsicht, obwohl man natürlich immer vorsichtig sein muss, solche Beispiele zu übertragen, an die Politik, die man in Deutschland betrieben hat, Wandel durch Annäherung. Das war ja auch immer umstritten und ist bis heute umstritten, aber sie hat zu einem Ergebnis geführt. Und dieses, glaube ich, sehe ich unter anderen Voraussetzungen, unter anderen Rahmenbedingungen auch in Kuba vor mir. Kuba, das sozialistische Kuba, wie wir es aus der Vergangenheit kennen, da muss man schnell dahin reisen, um es in Zukunft noch zu erleben, denn der Tourismus allein schon wird dazu führen, dass der Dollar als Sekundärwährung eingeführt wird, faktisch, nicht theoretisch. Und dass vieles, was die Kubaner bisher für unmöglich gehalten haben im Alltagsleben, sich allmählich verändern wird und von den USA immer stärker auch auf der gesellschaftlichen Ebene dominiert wird. All das werden die Castro-Brüder versuchen, aufzuhalten, aber sie werden es auf Dauer nicht stoppen können.
    Müller: Und die Republikaner werden auf Dauer die Lockerung der Wirtschaftssanktionen ebenfalls mittragen müssen?
    Voigt: Das wird noch lange dauern. Ich weiß auch nicht, wie lange das sein wird, aber es wird lange dauern. Das hängt auch davon ab, wie die Amerikaner diese Politik Obamas beurteilen werden. Aber natürlich haben sich zurzeit erst mal alle in die Schützengräben begeben und bekämpfen die Politik von Obama. Und Obama hofft natürlich, dass er bei den Latinos in den USA und vielleicht sogar bei der Mehrheit der jungen Exilkubaner, die ihre Wurzeln auf Kuba zurückführen, Stimmen gewinnen kann. Insofern hat das Ganze auch einen starken innenpolitischen Aspekt.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der SPD-Außenpolitiker und USA-Kenner Karsten Voigt. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Voigt: Ich danke auch. Auf Wiederhören!
    Müller: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.