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Neue Heimatministerin von NRW
Geheimwaffe gegen Wutbürger?

Seit Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen regiert, gibt es ein neues Ministerium für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung. Ministerin in diesem Ressort ist Ina Scharrenbach. Doch noch ist unklar, wofür es das Ministerium braucht und wen die Heimatministerin mit ihren Themen erreichen will.

Von Moritz Küpper | 14.12.2017
    Die nordrhein-westfälische Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) beantwortet am 04.09.2017 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) die Fragen von Journalisten.
    NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) (dpa / Federico Gambarini)
    Das Tagungszentrum Bethel in Bielefeld. Es ist später Montagabend, draußen ist es dunkel und stürmisch, drinnen – im hell erleuchteten Tagungszentrum – sitzen rund einhundert Delegierte der Landessynode der Evangelischen Kirchen von Westfalen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben bereits das Abendessen hinter sich, als Ina Scharrenbach, ihres Zeichens neue Heimatministerin in Nordrhein-Westfalen, den Raum betritt:
    "Vielleicht können wir zunächst einmal Ministerin Scharrenbach begrüßen, da kommt sie zur Tür herein. Wir freuen uns, dass Sie da sind"
    Freundlicher Applaus. Scharrenbach, etwas abgekämpft nach einem langen Tag, eilt durch den Raum. Ein Grußwort zum Abschluss des Tages in Vertretung für Ministerpräsident Armin Laschet – der politische Betrieb ist mitunter pragmatisch. 41 Jahre alt ist sie, trägt Brille, dunkle, glatte Haare, die im Nacken enden und fast wie ein Schutzhelm wirken. In einem roten Blazer tritt sie ans Mikrofon – und versucht direkt zu punkten: Die Arbeit der Delegierten hier sei ihr, sei der CDU und auch ihrem neuen Ministerium ein Anliegen, …
    "… weil im Besonderen die Träger der christlichen Kirchen natürlich auch dazu beitragen, dass das Werteverständnis, was uns eint, in Nordrhein-Westfalen genauso, wie in der Bundesrepublik, erhalten wird und getragen wird und auch weitergetragen wird. Und das hat aus unserer Sicht sehr viel mit Heimat zu tun, mit dem, was Sie dort tun."
    Werte weitergeben, das sei gerade im Hinblick auf die nächste Generation besonders wichtig:
    "Und das setzt voraus, meiner festen Überzeugung nach, dass Kinder auch sehr früh den christlichen Jahreskreis dürfen …, kennenlernen dürfen."
    Dürfen …, kennenlernen dürfen. Es ist ein neues, ein heikles Thema. Ein Thema, das einschließen soll – aber auch ausgrenzend wirken kann. All das macht dieser eine Satz der neuen Heimatministerin in Nordrhein-Westfalen deutlich.
    "Dann wird es ein neues Ministerium geben, für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung."
    Es war schon eine Überraschung, was NRWs frisch gewählter Ministerpräsident Armin Laschet Ende Juni verkündete.
    "Und Ministerin in diesem Ressort wird Ina Scharrenbach werden."
    Ministrable Frauen sind in Nordrhein-Westfalens CDU rar gesät
    Einmal das neu geschaffene Ressort Heimat, der Zuschnitt – so fällt etwa das Thema Gleichstellung darunter –, dann aber auch die Personalie Scharrenbach: Bei der Landtagswahl 2017 hatte die gelernte Betriebswirtin den Wiedereinzug ins Parlament verpasst. Dass sie dennoch gute Chancen hatte, Ministerin zu werden, dafür sprachen mehrere Gründe. Denn: Ministrable Frauen waren und sind in Nordrhein-Westfalens CDU rar gesät, dazu fehlt es an Personal, das aus dem Ruhrgebiet stammt – ein Pluspunkt für Scharrenbach, die aus Unna kommt. Zudem hatte sie sich in den letzten Jahren eine Machtposition aufgebaut, wurde Vorsitzende der Frauen-Union in NRW und profilierte sich über den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Silvesternacht. Aber, dieses Ministerium?
    "Heimat sind aus meiner Sicht unsichtbare Wurzeln, die jeder und jede von uns in sich hat."
    Scharrenbach ist nach ihrem Grußwort rasch aus der Halle geeilt. Sie ist zurückhaltend, wirkt im Gespräch misstrauisch, schüchtern oder einfach nüchtern-knapp. "Ministerium für Gefühle" nannte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" den Trend vor allem unionsgeführter Bundesländer, ein Heimatministerium zu errichten. Der Eindruck: Das Ganze solle eine Art Geheimwaffe gegen Wutbürger darstellen, gegen die AfD. Scharrenbach schüttelt den Kopf:
    "Für mich ist das keine Rückwärtsbetrachtung, von dem, was irgendwann war. Oder, dass es Personen gibt, die dann sagen: Heimat ist nur für Inländer. Die gibt es ja auch. Und dann sage ich immer relativ offen: Nein, das ist es nicht. Weil: Jeder Mensch, auch die, die zuwandern, bringen eine Geschichte mit sich. Eine Heimat mit sich."
    Nordrhein-Westfalen ist das Resultat einer "Zwangsheirat"
    Ein Umstand, der auch eng mit der Landesgeschichte verbunden ist. Denn: Nordrhein-Westfalen ist das Resultat einer "Zwangsheirat", eine Landesidentität gibt es bis heute nicht, stattdessen Unterschiede: Rheinland, Westfalen, das Münsterland, das Ruhrgebiet. Dazu kommen historische Einwanderergruppen wie die Ruhrpolen oder die Gastarbeiter der Wirtschaftswunderjahre. Für Scharrenbach sind die Kategorien zu Beginn aber erst einmal andere: Man arbeite nicht wie die Vorgängerregierung, …
    "…, weil wir nicht das Trennende suchen in Nordrhein-Westfalen, zwischen Stadt und Land, sondern wir suchen das Verbindende. Städte wie ländlicher Raum haben unterschiedliche Herausforderungen, ob das bei Wohnen ist oder eben bei der Handlungsfähigkeit der Städte. Aber beide Räume verdienen es eben, dass man sich aufrichtig und ernsthaft mit den Problemen auseinandersetzt und auch Lösungen anbietet."
    Die Mittel sind bescheiden
    Doch: Was genau Scharrenbach beim Thema Heimat will – bleibt eher unklar. Und die Mittel dafür sind eher bescheiden: Die Haushälter in NRW stellten für den "Themenbereich Heimat" für das kommende Jahr bescheidene elf Millionen Euro zur Verfügung. Im Jahr darauf sollen es 29 Millionen, dann 34 Millionen und 2021 schließlich 39 Millionen Euro sein.
    "Ich halte das für PR, ehrlich gesagt. Also, natürlich gibt es in Nordrhein-Westfalen unterschiedliche Regionen, es gibt unterschiedliche Mentalitäten, Traditionen, aber wofür es ein Ministerium in Nordrhein-Westfalen braucht, also politisch konkret, das ist mir bis heute nicht klar."
    Arndt Klocke, nunmehr Fraktionschef der Grünen im NRW-Landtag, ist zugleich auch Sprecher für Bauen und Wohnen seiner Fraktion – und damit Scharrenbachs politisches Gegenüber. Der 46-Jährige kann keine Systematik erkennen – hat stattdessen einen anderen Verdacht:
    "Es geht um Präsenz der Ministerin vor Ort. Jeder Heimatverein, freut sich doch, oder fast jeder wahrscheinlich, wenn die Ministerin mal vor Ort ist. Und das sind ja auch Wählerkohorten, die ihre Stimme oft bei der CDU machen."
    Das Ganze also ein parteipolitisches Subventionsprogramm? Scharrenbach schüttelt den Kopf:
    "Nein, das sollte es jedenfalls nicht. Im Interesse aller demokratischen Vertreter muss es eben gelingen, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern. Von daher ist für mich Heimat nicht politisch gefärbt, weil Heimat eben alle einschließt."
    Nur wie sie das erreichen will, das muss NRWs Heimatministerin wohl noch sortieren.