Platon zur Großen Koalition

Gut regiert, wer nicht regieren will!

Büste von Platon
Platon argumentiert, der Staat werde unglücklich bleiben, solange er nicht einen Philosophen als König habe. © imago / Heinz-Dieter Falkenstein
Von Peter Trawny · 03.12.2017
Der Philosoph wolle keinesfalls regieren, schreibt Platon. Nur eins könne ihn dazu treiben: Die Gefahr, von einem Schlechteren regiert zu werden. Eine Szenario, das die Parteien in der gegenwärtigen Situation zur Regierungsverantwortung zwingen könnte.
Das Scheitern der ersten Koalitionsverhandlungen hat den Bundespräsidenten veranlasst, Druck auf die SPD auszuüben. Schließlich könnten solche Kräfte an Zuwachs gewinnen, die, man denke an das Ende der Weimarer Republik, nicht nur eine andere, sondern eine ganz andere Politik im Sinn haben. Diese Kräfte – ich denke an die AfD – könnten dem Land meines Erachtens erheblichen Schaden zufügen.
Sollte die Große Koalition nun zustande kommen, hätten wir es sozusagen mit einer erzwungenen Regierung zu tun. Spontan mag das wenig hoffnungsfroh stimmen: Kann eine Regierung, die sich nicht freiwillig bildet, überhaupt gut sein für das Land?

Philosophen streben nicht nach Macht

Ein Blick in die Philosophiegeschichte jedoch legt eine andere, entgegengesetzte Deutung nahe. So hat der antike Philosoph Platon ausgeführt, dass im Grunde nur jene in der Lage sind, gut zu regieren, die dieses Amt überhaupt nicht anstreben. Gemeint hat Platon damit eine ganz spezielle Gruppe von Leuten, denen er selbst angehörte: die Philosophen.
Entwickelt hat Platon diese These in seiner berühmten Schrift vom "Staat". Dort zeigt er, dass der Staat unglücklich bleiben werde, solange er nicht einen Philosophen als König habe. Und wenn nicht schon das, dann wenigstens einen König, der philosophiert. Interessant daran ist nun ein Gedanke, an den in diesem Zusammenhang selten erinnert wird. Er geht davon aus, dass die Philosophen gar nicht regieren wollen.
Philosophen streben nämlich weder nach Geld, noch nach Ehre, schon damals der Lohn fürs Regieren. Auch streben sie keineswegs nach Macht, sondern einzig und allein nach der Wahrheit. Und so besteht das philosophische Leben darin, sich zum Beispiel in einem Garten mit seinesgleichen über philosophische Fragen auszutauschen. Unter Umständen ist der Garten auch ein Symposion, will sagen, ein Trinkgelage, in dem zu Fragen geistige Getränke gereicht werden. Mit anderen Worten: Der Philosoph lebt glücklich. Darum sagt Platon ausdrücklich: "Man muss also Zwang und Strafe gegen die Philosophen anwenden, wenn sie sich zum Regieren entschließen sollen. So kommt es dann, dass es für verwerflich gilt, wenn sich jemand freiwillig ans Regieren macht und nicht wartet, bis man ihn zwingt."

Wie bringt man Philosophen zum Regieren?

Wie aber bringt man nun die Philosophen dazu, ihr glückliches Dasein gegen das eintönige Regierungsgeschäft einzutauschen? Platons Antwort: Für einen Philosophen sei es die größte Strafe, von einem Schlechteren regiert zu werden. Droht so etwas, beginnt der Philosoph zu regieren.
Womit wir wieder bei der eingangs formulierten Befürchtung wären, dass in der gegenwärtigen, krisenhaften Situation schlechte Kräfte an die Macht kommen könnten. Es scheint genau dieses Szenario zu sein, das die Parteien im guten, "Platonischen" Sinne, in die Regierungsverantwortung zwingt. Man sollte die Chance, die in diesem Zwang liegt, nicht übersehen. Wäre doch der Grundimpuls der auf diese Weise gebildeten Regierung keine Jagd nach Ämtern, die Geld und Ehre bedeuten, sondern die Sorge um das Gemeinwohl, die auch für Platon im Zentrum stand.
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