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Vor 200 Jahren
"Aachener Kongress" - Triumph der Restauration

Nach der Niederwerfung Napoleon Bonapartes brauchte es einige Jahre, bis die monarchisch-konservative Herrschafts- und Gesellschaftsordnung in Europa wiederhergestellt war. Der Aachener Kongress der europäischen Großmächte, der vor 200 Jahren endete, manifestierte den Triumph der Restauration.

Von Bert Oliver Manig | 21.11.2018
    "Die Heilige Allianz" - Bildnis der drei Monarchen Kaiser Alexander I. von Russland, Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (v.l.n.r). Gemälde eines unbekannter Malers um 1815. Inv. Nr. GK I 30113. Potsdam, SPSG Berlin-Brandenburg. | akg-images / picture alliance
    "Die Heilige Allianz" - Bildnis der drei Monarchen Kaiser Alexander I. von Russland, Kaiser Franz I. von Österreich und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen (v.l.n.r). (akg-images / picture alliance)
    Seit dem endgültigen Sieg über Napoleon und der Pariser Friedenskonferenz 1815 waren die Monarchen nicht mehr zusammengekommen. Nun, im September 1818, trafen sich Zar Alexander I. von Russland, Kaiser Franz von Österreich und der preußische König Friedrich Wilhelm III. im biederen Aachen. Die Lokalpresse besang das Ereignis in feierlichen Reimen und mit zeitgemäß monarchistischer Gesinnung:  
    "Auf Aachen ist jetzt aller Blick gerichtet, Und von der Kaiserstadt spricht Süd und Nord, Hier heißt es, wird der Völker Zwist geschlichtet, Der Heil’ge Bund versammelt sich ja dort!"
    Metternich lästerte über Konferenzort
    Tatsächlich traf sich in Aachen aber nicht die 1815 gegründete Heilige Allianz der legitimen Herrscher Europas. Das Format war kleiner und effektiver: Der Kongress war eine Arbeitskonferenz der Staatsoberhäupter und Außenminister der vier Siegermächte Russland, Großbritannien, Österreich und Preußen. Doch auch das kulturelle Begleitprogramm mit Ballonfahrt-Vorführungen, Galakonzerten und Kammermusikabenden war umfangreich. Dennoch gefiel die Wahl des Konferenzorts nicht allen Teilnehmern. Der überragende Staatsmann der Epoche, der österreichische Staatskanzler Clemens von Metternich, berichtete missmutig aus Aachen:
    "Es gibt noch nicht einmal beachtenswerte Läden, und die Drogen, die hier angeboten werden, kosten das Doppelte von dem, was man in Paris oder London so wunderbar vorfindet."
    Doch ungeachtet der hohen Preise für Tabak und Alkohol bot die Stadt manchen Vorteil: Sie ließ sich von der Polizei besser als eine Metropole überwachen - angesichts der phantasievollen Gerüchte über Attentats- und Entführungspläne revolutionärer Untergrundgruppen war das keine Kleinigkeit. Pragmatismus und Bewahrung des hergebrachten Rechts prägten den Geist der Verhandlungen in Aachen. Der Publizist Friedrich von Gentz, der als Protokollführer des Kongresses waltete, erklärte:
    "Die Monarchen werden den Frieden der Welt, den jeder missverstandene Neuerungsversuch nur gefährden könnte, durch unerschütterliche Festigkeit in ihren Grundsätzen, durch Eintracht und Mäßigung und Großmut auf eine lange Reihe von Jahren hinaus sichern. Würde jene gefahrvolle Sehnsucht nach Veränderung nur von einem oder dem anderen der großen europäischen Monarchen geteilt, so müsste der gesamte Bau der bürgerlichen Gesellschaft in wenigen Jahren ohne Rettung zerfallen."
    In den Augen Metternichs und Gentz' war mindestens Zar Alexander ein unsicherer Kantonist, dessen liberale Neigungen sie in den vergangenen Jahren mit Argwohn beobachtet hatten. Doch zu ihrer großen Freude zeigte sich der wankelmütige Zar in Aachen von einer neuen, fromm-konservativen Seite.
    Aachener Protokoll stellt europäische Pentarchie wieder her
    Es gelang der österreichischen Diplomatie, meist im Zusammenspiel mit dem britischen Außenminister Castlereagh, alle kühnen Neuerungen abzuwehren, die auf dem Kongress debattiert wurden: So blieb ein kollektives europäisches Sicherheitssystem mit gegenseitiger Beistandspflicht, wie es russische Diplomaten ins Spiel gebracht hatten, Utopie. Auch aus einer europäischen Mittelmeerflotte zur Bekämpfung der nordafrikanischen Piraten oder effektiven Maßnahmen gegen den atlantischen Sklavenhandel wurde nichts.
    Auf anderen Feldern erwies sich der G4-Gipfel als handlungsfähig: So legten die Großmächte im so genannten Aachener Protokoll eine bis heute gültige Regelung diplomatischer Rangfragen fest. Auch einigten sie sich auf den vorzeitigen Abzug der alliierten Besatzungsarmee aus Frankreich und ermäßigten die französischen Kriegsschulden, um dort die Herrschaft des unpopulären Bourbonenkönigs zu stabilisieren. Frankreich wurde eingeladen, künftig als fünfte Großmacht am europäischen "Konzert" teilzunehmen. Die 1789 zerbrochene europäische Pentarchie war damit wiederhergestellt, ergänzt um die konservative Phrase von der monarchischen Solidarität.
    Der Kongress war ein Triumph der Restauration. Als er am 21. November 1818 endete, hatte sich auch Metternich längst mit Aachen angefreundet, zumal er neben den Beratungen noch Zeit gefunden hatte, eine Affäre mit der Frau eines russischen Diplomaten zu beginnen. Seiner Frau hatte der Staatskanzler schon nach einigen Wochen aus Aachen geschrieben:
    "Unsere Angelegenheiten gehen weiter wunderbar voran. Ich habe nie zuvor einen so hübschen kleinen Kongress erlebt."