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Oben Jets und unten Büffel

Von oben donnern die Flugzeuge im Landeanflug über sie hinweg und bis 2004 konnte man hier auch noch belgischen Panzern begegnen. Heute findet man auf dem ehemaligen Truppenübungsgelände Wahner Heide vor allem eine abwechslungsreiche Tier- und Pflanzenwelt.

Von Maria Riederer | 02.12.2012
    "Also, Sie müssen ungefähr sagen, wie weit Sie gehen wollen, wenn wir bis zu den Wasserbüffeln runtergehen, dann könnte das eine dreiviertel Stunde oder auch ein Stündchen sein, das müssen Sie mit entscheiden, wie lange wir laufen wollen."

    "'"Ich find toll, dass dieses Wegenetz halt unheimlich gut ausgebaut ist - ich hab mir 'ne Karte gekauft, wo die Piktogramme sind und wir gehen also die Wege sonst ab, mit Buch, und ich find das total klasse, weil man so viele Sachen überhaupt nicht wusste, was hier in der Heide ist und dass man noch so viel lernen kann. Und wir sind eigentlich jedes Wochenende unterwegs in der Heide.""

    Ingrid Shittu und ihre Freundin Martina Schäfer haben sich der Führung mit Stephan Mohr angeschlossen, um wieder etwas Neues über die Wahner Heide zu erfahren. An verschiedenen Eingangsportalen bekommt der Besucher Informationen über die Geschichte und über Tiere und Pflanzen der Heide, es gibt Hofläden mit Biofleisch, Milchprodukten und Kaffee. Aber wie der kleine Wasserbüffel heißt, der plötzlich am Wegrand steht, das erfahren wir nur, weil wir mit seinem Besitzer unterwegs sind. Zusammen mit seinem Kollegen Moritz Perchau betreibt Stephan Mohr einen Bauernhof am Rand der Heide.

    "Kommt mal her, kommt mal hier her, Mädels! - Das ist eine sie, das ist eine Büffelin, genau. Die Kleine heißt Yoda, die ist ja hier geboren, und die haben so schöne spitze Hörner und Yoda ist ja der Jedi-Ritter aus "Krieg der Sterne", und als dann dieses kleine Büffelkalb vor uns lag, hat das total an dieses komische Wesen erinnert, deswegen heißt sie Yoda." - "Am besten halten wir so ein bisschen zusammen vor dem Büffel, dass wir nicht so ausfransen, dass ihr mich alle schützt." - "Also, so ein Büffel könnte auch mal angriffslustig werden?" - "Ist jetzt nicht mit zu rechnen, aber das sind nun mal große Tiere."

    Die schwarze Wasserbüffelkuh mit den gebogenen Hörnern betrachtet uns ebenso neugierig wie wir sie, macht aber keine Anstalten sich zu nähern. Yoda gehört zu einer Herde von 13 asiatischen Wasserbüffeln, die seit zwei Jahren einen wichtigen Job in der Wahner Heide ausführen. Dazu brauchen die Tiere keine Ausbildung. Sie tun nur das, was sie von Natur aus können: Fressen, Trampeln und sich wälzen.

    "Aus Naturschutzsicht ist der Effekt: Büffel haben keine Schweißdrüsen und denen wird im Sommer einfach zu heiß. Und die legen sich in die Tümpel, baden sich darin, und sorgen auf diese Art und Weise dafür, dass diese Tümpel verdichtet bleiben, einfach weil sie mit ihrem Gewicht immer drin sind und sich bewegen und dadurch die ganze Vegetation in einem Tümpel erstmal vernichten."

    Vegetation vernichten – das klingt nicht gerade nach Naturschutz. Aber in der halb offenen Landschaft der Wahner Heide mit einzelnen Baumgruppen und flachem Gebüsch bilden sich durch die so genannten "Trittschäden" der Tiere Biotope für Pionierarten. Das sind oft unscheinbare, seltene Tier- und Pflanzenarten, die nur dort gedeihen, wo sie nicht von starker Konkurrenz verdrängt werden. Zum Beispiel die Kreuzkröte, die sich in Tümpeln ohne Vegetation wohlfühlt.

    Durchziehende Wasser- und Watvögel wie Wasserralle oder Flussregenpfeifer finden Nahrung auf den schlammigen Flächen, und selbst das berühmte Heidekraut fühlt sich nur auf ungedüngtem, magerem Boden wohl.

    "Und wenn man ein Gebiet gar nicht mehr nutzt, dann wächst alles zu, das hört sich im ersten Moment nach Natur an, aber wir sind hier in einem Bereich, der seit vielen Jahrhunderten Natur so gar nicht mehr kennt. Naturschutz hier bei uns ist Kulturlandschaftsschutz, das ist etwas anderes."

    Zur Pflege der Landschaft sind die auch die Esel da, die sich heute um einen Baum herum versammelt haben und friedlich grasen. Sie haben reichlich Auslauf innerhalb einer umzäunten Fläche. Auch sie stammen von Stephan Mohrs Bauernhof.

    "Was mich am meisten fasziniert ist dieses - dass die einfach da sind, um diese Landschaft mit instand zu halten oder - kann man das so nennen, das find ich ja ganz toll." - "Natürlich kann man Esel auch für Fleisch nutzen, das wird ja auch gemacht, Salami vom Esel, durchaus eine Delikatesse, allerdings sind die Esel hier wirklich im Wesentlichen für die Nachpflege der Flächen da und natürlich auch ein gewisser Blickfang und Sympathieträger hier in der Wahner Heide."

    Mit einem Streichelzoo oder Wildpark hat die Heide allerdings nichts zu tun. Im Gegenteil. Auf Hinweisschildern werden Besucher vor allem dringend darum gebeten, die Tiere nicht zu füttern.

    "Wenn man überhaupt nicht mehr kontrolliert, was gefressen wird, kann es natürlich von irgendetwas viel zu viel sein, und gerade bei den Eseln aber auch bei den Kühen kann es dann zu sehr starken Koliken führen, die bis zum Tod der Tiere führen, auch wenn man glaubt, man hat etwas vermeintlich Gesundes gefüttert. Zum anderen würden die Tiere auf Dauer einfach am Zaun stehen bleiben und warten, bis es was Leckeres gibt, sie haben nun mal alle hier einen Job zu erledigen, sie sollen in die Flächen gehen und Landschaft pflegen und nicht sich am Zaun die Nasen platt drücken."

    Wenn man Glück hat, stehen die Big Five gut sichtbar im Gelände: Glanrinder, Wasserbüffel, Esel, Ziegen und Schafe. Es kann aber auch passieren, dass man bei einem Spaziergang zwar – je nach Jahreszeit - Vögel und Reptilien entdecken oder die Farben von Heidekraut oder Ginster genießen kann, aber kein einziges Weidetier zu Gesicht bekommt. Das Gelände, auf dem sie stehen, ist weitläufig, und oft verstecken sie sich hinter Büschen und kleinen Bäumen. Auch heute sehen wir hauptsächlich die Spuren der Tiere. Ohne Führung würde man einige davon wahrscheinlich übersehen, aber Stephan Mohr schult unser Auge.

    "Wir sehen vor allem einen Effekt, den die Büffel hier haben, sie schälen im Moment stark die Weidenbüsche und tragen so dazu bei, dass diese Fläche in Zukunft freier sein wird, was dann nicht maschinell gemacht werden muss, das machen hier bei uns die Weidetiere."

    Mitten auf dem Weg zwischen Bauernhof und Weide liegt ein großer Fladen, den Stephan Mohr mit Kennerblick taxiert.

    "Wenn man hier so einen Kuhfladen öffnet, dann wimmelt der vor Leben, das ist übrigens auch ein Effekt, den die Weidetiere hier in die Flächen hereinbringen, durch den Dung der Tiere werden wahnsinnig viele Insekten angelockt, die einfach dieses Futterangebot nutzen und diese Insekten sind wiederum Futter für die ganzen Vögel, die herkommen."

    Bis 2004 waren hier noch andere Kräfte mit am Werk. Die Wahner Heide war belgischer Truppenübungsplatz, und riesige Panzer rollten kreuz und quer über die Flächen. Ingrid Shittu erinnert sich gut an das flaue Gefühl, das diese Fahrzeuge bei ihr auslösten.

    "Ich hätte mich auch am Wochenende nicht hin getraut, ich hab zwei dreimal einen Panzer erlebt, der über die Straße nach Kleineichen fuhr, es ist so ein schwieriges Thema für mich und ich bin da ungern hingegangen."

    "Zu der Zeit haben wir die Kühe gehütet, ganz klassisch, wie man das früher gemacht hat, mit Hund gehütet, wir konnten einfach keine Zäune bauen, damit die Panzer die freie Bewegung haben, und es war natürlich teilweise sehr mulmig, wenn man zwischen übenden Soldaten, zwischen Panzern, mit seinen Tieren durchgeht, das Gefühl kann man eigentlich gar nicht beschreiben."

    Trotzdem waren auch die Panzer wichtig für den Erhalt der charakteristischen Heidelandschaft.

    "So komisch das klingt, die Heide hat eigentlich nur durch das Militär hier überlebt. Es gab in früheren Jahrhunderten riesengroße Heidegebiete hier überall, über ganz Deutschland, verstreut und die meisten sind halt im Rahmen der Intensivierung der Landwirtschaft, durch Düngung, so intensiv genutzt worden, dass der Heidecharakter verloren gegangen ist."

    "Frei und sonnig - das ist offene Heidelandschaft und wir sehen jetzt das, was zwischen dem Ginster so unscheinbar braun ist, das ist Heidekraut, die Charakterart der Heide, wenn man hier im August kommt, dann blüht die wunderbar lila, das ist ein traumhaft schönes Bild. Genauso wie der Ginster im Frühling dann gelb blüht, und die Heide eben ganz oft ihre Farben und ihr Erscheinungsbild ändert."

    Die Weite der Landschaft und der Anblick der seelenruhig grasenden Weidetiere hat uns vergessen lassen, dass wir uns in unmittelbarer Nähe des hektischen Flughafens befinden. Wenn der Wind günstig steht, hört man die Maschinen kaum starten oder landen.

    "Ich kann nur sagen, wir leben halt hier in einem Ballungsraum (...) und für mich gehört das in einem gewissen Rahmen auch dazu. Das hat auch einen gewissen Reiz hier. Dass es mitten in Afrika schöne Landschaft gibt, weiß jeder. Dass es auch hier möglich ist, weiß noch lange nicht jeder."