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Obergrenze für Bargeldzahlungen
"Eingriff in Autonomie derer, die datenschutzgerecht leben wollen"

Marit Hansen, Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein, sieht den Plan, Obergrenzen für Bargeldzahlungen einzuführen, kritisch. Sie befürchtet einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz. Sie glaube nicht, dass die Probleme Schwarzgeld und Terrorismusfinanzierung damit gelöst werden könnten, sagte sie im DLF.

Marit Hansen im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 03.02.2016
    Marit Hansen, Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein
    Marit Hansen, Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein (dpa/picture alliance/Carsten Rehder)
    Susanne Kuhlmann: Big Brother für Bargeldzahler? Die SPD hatte sich vorige Woche dafür ausgesprochen, Bargeldzahlungen beim Einkaufen auf 5000 Euro zu begrenzen. Nun ist die Bundesregierung offenbar auch dazu bereit und verficht ein EU-weites Limit. Das konnten Sie eben in den Nachrichten hören. Begründet wird das einerseits mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus und andererseits soll es erschwert werden, Schwarzgeld zu waschen. Der Handel protestierte sofort: Autos, Juwelen, Möbel werden immer noch oft bar bezahlt, auch andere Luxusgegenstände. - Am Telefon in Kiel ist Marit Hansen, die Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein. Guten Tag, Frau Hansen.
    Marit Hansen: Guten Tag!
    Kuhlmann: Was halten Sie von dem Plan, Bargeldzahlungen auf ein Limit von 5.000 Euro zu begrenzen?
    Hansen: Sie müssen erst mal überlegen, was bedeutet das, wenn Bargeld auf einmal eingeschränkt wird. Denn es wird auch noch verfochten von einigen Vertretern, zum Beispiel von dem einen Chef der Deutschen Bank, dass Bargeld ja total abgeschafft werden könnte. Zum Beispiel hat er sich vorgestellt, innerhalb der nächsten zehn Jahre wäre Bargeld völlig abgeschafft, würde das gar keine Rolle mehr spielen. Jetzt sehen wir den ersten Schritt, dass gesagt wird, 5.000 Euro soll die Maximalgrenze sein. Was ist denn das Gute an Bargeld oder was ist das Schlechte an Bargeld und was ist die Alternative? Da geht es aus Datenschutzsicht vor allem um die Datenspuren. Das Gute an Bargeld aus Datenschutzsicht ist, ich kann bezahlen und diese Informationen werden nirgendwo gespeichert. Natürlich wird eine Rechnung erstellt oder an einer Kasse trotzdem ein Bon ausgegeben, aber es ist nicht klar, wer hat dieses Geld hergegeben, und insbesondere kann auch meine Bank nicht diese Transaktionen überall, wo ich Geld bezahlt habe, direkt nachvollziehen. Das kann ein Datenschutz sein, ein Schutz meiner Privatsphäre. Wenn ich jetzt gezwungen würde, ohne Bargeld auszukommen, das heißt, alles mit Überweisungen und Kartenzahlungen abzuwickeln, dann wären sogar Kleinstbeträge, mein vollständiges Verbraucherprofil, Lebensprofil sichtbar und für Jahre gespeichert. Das ist aber jetzt nicht der Vorschlag. Das heißt, der Vorschlag ist im Augenblick, die 5.000 Euro Obergrenze einzuführen, und das betrifft nicht die Umstände des täglichen Lebens.
    Kritischer Blick auf Schweden
    Kuhlmann: In Frankreich liegt die Obergrenze für Bargeldzahlungen bei 1.000 Euro im Moment, in Griechenland bei 500. Sind uns diese Länder da schon einen Schritt voraus?
    Hansen: Ich befürchte beinahe, dass genau dieser Weg eingeschlagen wird, und befürchte dies aus Datenschutzsicht. Wir haben auch in Deutschland schon den Ruf nach 2.000 oder 3.000 Euro. Jetzt können wir mal überlegen: Was ist denn das, was man dann damit schafft? Ist es denn so, dass dann keine hohen Bargeldzahlungen von Terroristen mehr möglich sind? - Natürlich nicht. Das heißt, wer dann trotzdem Bargeldzahlungen austauscht mit seiner Bande, mit seinen weiteren Kontaktpartnern, das ist ja überhaupt gar nicht zu kontrollieren. Es wäre anders herum, dass diejenigen, die jetzt einen Gebrauchtwagen kaufen bei einem Gebrauchtwagenhändler, dass dieser Händler das Geld nicht mehr so entgegennehmen dürfte, oder er hat alles so bepreist, dass die 5.000 Euro gar nicht gesamt ausgeschüttet werden müssen. Das heißt, diese Idee, Schwarzgeld ist dann kein Problem mehr, Terroristen, alle Bargeldzahlungen sind ausgeblieben, das ist damit meines Erachtens nicht lösbar. Jetzt können wir anders herum gucken: Was bedeutet das? Es ist trotzdem ein Eingriff in die Autonomie derjenigen, die datenschutzgerecht leben möchten, die nämlich diese 5.000 Euro oder später vielleicht sogar 500 Euro - Sie haben das Griechenland-Beispiel angesprochen -, die so was noch bar bezahlen wollen.
    Kuhlmann: Wie sehen andere europäische Länder das?
    Hansen: Das ist sehr unterschiedlich in dem Handling, in dem Lebensgefühl auch. Zum Beispiel in Skandinavien. Schweden wird sehr häufig als Beispiel angeführt, weil dort faktisch Bargeld schon eine sehr viel kleinere Rolle spielt als bei uns. Sogar einige Museen akzeptieren gar nicht mehr, dass man in Bargeld bezahlen kann. Man muss per Karte bezahlen, selbst Kleinstbeträge. Die Datenschutzaspekte sind da relativ weitgehend unberücksichtigt. Das heißt, ein großes Auflehnen habe ich nur von Teilen der Bevölkerung gesehen, aber man lebt eher so, dass man sogar per Handy eine kleine Buskarte alles digital bezahlen kann und dass da ein Gewöhnungsprozess schon eingetreten ist. Das halte ich aber für kritisch, wenn das in Deutschland genauso wäre.
    "Ich gehe davon aus, dass wir das Bargeld erhalten werden"
    Kuhlmann: Noch kurz zum Schluss. Wie werden wir bezahlen, wenn wir in fünf oder zehn Jahren zum Italiener um die Ecke gehen?
    Hansen: Ich gehe davon aus, dass wir das Bargeld erhalten werden, denn das ist auch sehr wichtig aus ganz anderen Gründen. Pädagogisch zum Beispiel: Wie bringt man Kindern bei, mit Geld umzugehen? Diese Idee, ich habe ja eine Karte, da ist ständig Geld vorhanden, das darf, glaube ich, nicht zum Eindruck werden. Anders herum: Wir müssen genau aufpassen. Jemand, der alle Datenspuren kennen könnte von solchen Italiener-Restaurantüberweisungen beispielsweise, der könnte auch bestimmen, ich darf da zwar mein Essen zu mir nehmen, aber die Bezahlung für den Wein, die soll gefälligst gesperrt sein. Das heißt, es ist eine Machtposition, die dann eingenommen werden kann.
    Kuhlmann: Danke schön, Frau Hansen - die Landesbeauftragte für Datenschutz in Schleswig-Holstein war das zum Vorschlag, eine Obergrenze fürs Bezahlen mit Bargeld einzuführen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.