Freitag, 19. April 2024

Archiv

Oberharzer Schneelüge
Region setzt trotz Erderwärmung auf Skitourismus

25 Millionen Euro soll es kosten und spätestens Anfang 2017 fertig sein: Das neue Ski-Paradies am Winterberg im Oberharz. Doch bis heute ist nicht klar, an wie vielen Tagen der Ski-Lift überhaupt laufen wird. Denn Beschneiungsanlagen benötigen eine Mindesttemperatur von minus vier Grad. Und das ist höchstens an 35 Tagen im Jahr der Fall.

Von Christoph Richter | 07.12.2015
    Ein Wanderweg im Oberharz.
    Ein Ski-Paradies im Harz trotz Klimawandel? Für die Investoren und Planer anscheinend kein Problem. (picture alliance / dpa / Reinhard Kaufhold)
    Es ist Dezember, die Bergbäche rauschen. Im Harz klettern die Temperaturen auf Rekordhöhen. Man könnte glauben, der Frühling sei im Anmarsch. Dennoch träumt man im Harz den Traum vom nördlichsten alpinen Skigebiet Deutschlands. So will die Stadt Wernigerode im Ortsteil Schierke für etwa 25 Millionen Euro ein Ski-Paradies errichten. Mit Ski-Lift, also einer Tal-, Mittel- und Bergstation und entsprechenden Anlagen, wie Schneekanonen.
    "Vom Herzen her finde ich das gut",
    sagt Denis Roeffke. Er ist der Bürgermeister der Anrainergemeinde Ilsenburg am Fuße des Brocken, dem höchsten Gipfel des Harz.
    "Wir hatten letztes Jahr drei Monate Winter, also da hat es schon mal funktioniert. Na klar, davor hatten wir keinen Winter. Es ist ein Risiko, aber wenn die Kollegen meinen, das funktioniert, dann bin ich der Letzte, der ihnen das ausredet."
    Andere nennen es Irrsinn, dass man aus dem sachsen-anhaltischen Schierke ein St. Moritz des Nordens machen wolle.
    "Das wird im Harz niemals passieren, da wette ich alles drauf, was ich hab. Das wird nicht gelingen, das Klima wird sich erwärmen. In St. Moritz und in den Alpen gehen die Gletscher zurück, die werden ja nicht größer. Wie kommt man da auf die Idee, dass im Harz mehr Schnee fällt, als in den Alpen. Das ist eine abstruse Vorstellung",
    sagt Biologe Oliver Wendenkampf vom BUND in Sachsen-Anhalt mit Blick auf die steigenden Temperaturen. Die Schneetage am 1.142 Meter hohen Brocken – der etwa 500 Meter höher liegt als der Ort Schierke – seien laut einer Studie des Deutschen Wetterdienstes in Potsdam seit 1994 kontinuierlich gesunken, erläutert Wendenkampf. So hätten die Freiburger Mittelgebirgsexperten Johannes Schönbein und Christoph Schneider bereits 2005 festgestellt, dass neben dem Südschwarzwald insbesondere der Harz besonders hart von der Erderwärmung betroffen sei. Andreas Mehling, Sprecher der Stadt Wernigerode ficht diese Fakten nicht an, sagt aber:
    "Gibt halt unterschiedliche Modelle von Wissenschaftlern, die einerseits sagen, dass es in den Mittelgebirgen immer schwieriger wird Schneesicherheit herzustellen, aber andererseits auch sagen, dass es in den nächsten 15 bis 20 Jahren realistisch sei, dass es in den Höhenlagen um 800 Meter Schnee gebe."
    Ein tiefer Eingriff in den Harz
    Der Leiter des Nationalparks Harz Andreas Pusch nennt das geplante Skigebiet am Schierker Winterberg – der den Ost – mit dem Westharz verbinden soll – einen tiefen Eingriff in die Einzigartigkeit des Harzes. 20.000 Hektar Wald müssten für das neue Ski-Gebiet gerodet werden.
    "Also wenn Sie mich ganz persönlich fragen, muss ich gestehen, Kunstschnee ist nicht das, was ich als Skiläufer genießen würde, da warte ich lieber auf die natürliche weiße Pracht. Und insofern ist es schon schwierig."
    Ende 2016, Anfang 2017 soll der neue Ski-Lift am Winterberg in Betrieb genommen werden. Doch bis heute ist nicht klar an wie vielen Tagen er überhaupt laufen wird, da Beschneiungsanlagen eine Mindesttemperatur von minus vier Grad benötigen. Diese Temperatur wird durchschnittlich an etwa höchstens 35 Tagen im Jahr erreicht, weshalb bereits Stimmen laut werden, die behaupten, das Skigebiet würde zwar gebaut, aber nie in Betrieb genommen.
    Wirtschaft versus Umweltschutz
    Dem widerspricht vehement Sachsen-Anhalts Tourismus-Minister Hartmut Möllring, CDU. Wir sind mit unseren Investitionen auf dem richtigen Weg, sagt er.
    "Sehe Probleme, dass wir immer versuchen, wenn etwas wirtschaftlich vorangetrieben wird, wir immer nur sehen, wie können wir es verhindern. Anstatt zu sagen, wir leben alle davon, dass Geld verdient wird in der Region. "
    Wer Tourismus wolle, müsse eben bereit sein, zu investieren, so Möllring weiter.
    "Und wenn wir hier wirtschaftlich vorankommen wollen, müssen wir etwas bieten, damit die Touristen auch etwas Geld da lassen. Dafür wollen wir eine weitere Seilbahn hier haben, von Schierke nach Braunlage und am Winterberg ein bisschen Ski fahren, sodass man nicht nur Langlauf machen kann, sondern auch ein bisschen alpin."
    Dem halten Naturschützer entgegen, dass der Skiwachs, die Chemikalien aus dem Kunstschnee am Ende aus dem Trinkwasser der Bode wieder herausgefiltert werden müssen. Auch die schweren Kettenfahrzeuge zur Präparierung der Skipisten würden die Quellgebiete der Bode nachhaltig zerstören. Argumente, die Tourismus-Minister Möllring nicht gelten lässt. Stattdessen unterstreicht er, dass winterliches alpines Skifahren genau wie die Brockenhexe, einfach zum Harz gehöre.