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Occupy Wall Street findet immer mehr Anhänger

Occupy Wall Street - "Besetzt die Wall Street" - heißt die neue Protestbewegung in den USA, die immer mehr Zulauf bekommt und seit Kurzem auch von den Gewerkschaften unterstützt wird. Aus den wenigen Dutzend Protestlern vor der New Yorker Börse ist eine Bewegung geworden, die auch in anderen Städten für Aufregung sorgt.

Von Miriam Braun | 07.10.2011
    So sieht Demokratie aus, rufen die Demonstranten am Zucotti Platz mitten in New York City. Inzwischen schon seit fast drei Wochen. Lange wurden sie von Medien und Bevölkerung nahezu ignoriert – das geht inzwischen nicht mehr. Denn es werden jeden Tag mehr:

    "Es hat hier in New York angefangen. Aber wir sind auch in Washington, in Chicago in San Francisco. Es wird das ganze Land erfassen. Wir nehmen uns ein Beispiel an Europa und den arabischen Staaten, wenn die aufstehen können, können wir es auch."

    Mehr als 10.000 waren es am Mittwoch bei einem weiteren Marsch durch Manhattan. Inzwischen werden bei Beobachtern Erinnerungen wach: Im Jahre 2009 gab es schon einmal Massenansammlungen dieser Art, die ignoriert wurden. Die Anfänge der rechtsgerichteten Tea Party. Wall-Street-Journal-Kolumnist David Weidner - er nennt Occupy Wall Street "die linke Tea Party mit Gehirn":

    "Ob Tea Party oder eine andere Bewegung – am Anfang sind sie immer etwas unorganisiert und durcheinander, Menschen, die unzufrieden sind, aber dann fangen sie an sich zu strukturieren und gewinnen an Macht."

    Vor Jahren belächelt, war die Tea Party 2010 bereits so stark, dass zahlreiche demokratische Kongressmitglieder ihre Sitze an sie verloren. Ihr einfaches Credo: weniger Staat, weniger Steuern – kein Obama. Die Protestler in New York bemängeln ebenfalls den Status quo, fordern aber anderes:

    "Ich glaube nicht an die Tea Party","

    sagt dieser Veteran.

    ""Die Tea Party ist mir viel zu rechts und auch außerdem verrückt."

    "Ich glaube an menschliche Werte und Gleichheit. Jeder Mensch auf dieser Welt verdient ein Zuhause, Nahrung, Kleidung und Ausbildung."

    Einer für alle – alle für Einen, meint diese junge Demonstrantin. Eine unter Amerikanern eher seltene Ansicht. Zwei Drittel in den USA bezeichnen sich als konservativ: Alles ist schaffbar, aber jeder ist für sein Glück selbst verantwortlich. Wo zu viel Staat draufsteht, ist für viele Kommunismus drin. Deswegen hatte die Tea Party von jeher finanzstarke Unterstützer. Richard Brodsky war 25 Jahre Senator im Staat New York.

    "Die Tea Party hat viel Geld von rechtsgerichteten Unternehmen genommen. Die jungen Leute hier werden das nicht machen. Hier kommt der Aufstand von der Basis nicht aufgespritzt und verstärkt von Lobbygruppen. Wir sind gespannt, wo das hinführt."

    Ihn erinnern die Proteste an die massiven Bürgerrechtskämpfe in den 60ern, die zum Bürgerrechtsgesetz von 1964 und zur Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung in der Gesellschaft führten.

    Inzwischen haben die großen Gewerkschaften ihre Solidarität mit den Occupy-Wall-Street-Protesten erklärt. Sozialwissenschaftler sehen hier eine Chance, dass deren verstärkte Unterstützung der Bewegung ein größeres Momentum verschaffen. Aber die Gewerkschaften verlieren mehr und mehr an Einfluss. Weniger als 15 Prozent der Arbeiter in den USA sind überhaupt gewerkschaftlich organisiert.