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OECD-Bericht
Ungleichheit hemmt Wirtschaftswachstum

In Deutschland ist die Vermögensungleichheit im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten besonders stark ausgeprägt - das stellt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem jüngsten Bericht fest. So könne das Wirtschaftspotenzial nicht ausgenutzt werden. Positiv sei nur, dass das Ungleichgewicht in den letzten Jahren nicht größer geworden sei.

Von Daniela Siebert | 21.05.2015
    In Deutschland verdienen die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher rund sechseinhalb mal so viel wie die untersten zehn Prozent. Der OECD-Durchschnitt liegt deutlich höher: beim neuneinhalbfachen. Noch nie in der Geschichte der Organisation sei die Ungleichheit so groß gewesen wie heute bemängelte OECD-Generalsekretär Angel Gurria das Ergebnis heute in Paris. Ein wachsender Einkommensunterschied schade auch dem Wirtschaftswachstum betont Michael Förster, OECD-Experte für Einkommensverteilung und Armut.
    "Hohe Ungleichheiten hemmen die Möglichkeiten breiter Bevölkerungsschichten, zu investieren. Zum Beispiel in Bildung zu investieren. Wenn aber dieses Bildungspotenzial nicht ausgeschöpft wird, kann auch das Wirtschaftspotenzial nicht ausgeschöpft werden."
    Zehn Prozent besitzen 60 Prozent des Vermögens
    In Deutschland sei die Vermögensungleichheit stärker ausgeprägt als in vielen anderen Mitgliedsländern, bilanziert die OECD. Die obersten zehn Prozent der Vermögenden besäßen 60 Prozent des gesamten Nettohaushaltsvermögens. Der OECD-Durchschnittswert liegt "nur" bei 50 Prozent. Dennoch gibt Markus Grabka Deutschland im Ungleichheitsranking vergleichsweise gute Noten. Er hatte als Deutschlandexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung den OECD-Bericht unterstützt.
    "Vielleicht erfreulich ist zu beobachten, dass in den Jahren seit der großen Finanzmarktkrise in Deutschland wir keine weitere Veränderung der Ungleichheit beobachtet haben im Vergleich zu ganz anderen Ländern wie zum Beispiel Griechenland und Spanien oder auch Irland. In Deutschland ist es weiterhin so, dass wir das erreichte Niveau Einkommensungleichheit beibehalten, auch das Maß von Armutsrisiko bleibt auf hohem Niveau, aber zumindest keine deutliche signifikante Veränderung."
    Vier Empfehlungen gegen Ungleichheit
    Atypische Jobs in Teilzeit, mit Befristung oder auch selbstständige Tätigkeiten seien auf dem Vormarsch, führten aber oft zu Lohneinbußen, bilanziert der Bericht. Ein weiterer problematischer Trend: Während hochqualifizierte Berufe etwa im IT- oder Finanzbereich in den letzten Jahren steigende Löhne verzeichnen konnten, war das bei gering qualifizierten Arbeitnehmern nicht so. Um solchen Ungleichheiten entgegenzuwirken, empfiehlt die OECD Politikern im wesentlichen vier Maßnahmen: Mehr Beschäftigung in hochwertigen Tätigkeiten schaffen, mehr Aus- und Fortbildung, mehr Umverteilung durch Steuern und mehr Frauenförderung. Michael Förster: "Es geht darum, die Arbeitsmarktpolitik so zu gestalten, dass es Frauen besser gelingt, integriert zu sein, und zwar nicht nur auf minderqualifizierten oder auf Teilzeitjobs, oder auf befristeten Jobs, sondern auf regulären Jobs."
    Speziell in Deutschland müsste mehr Unterricht in Ganztagsschulen angeboten werden und die Sozialversicherung von Menschen in Minijobs verbessert werden, empfiehlt die OECD.
    Der heutige ist bereits der dritte Bericht, den die Organisation zum Thema Ungleichheit vorlegt, mit dem Ziel diese zu verringern. Doch wie dick dieses Brett ist, beschreibt die Organisation auch selbst: Zitat "Weil die wachsende Ungleichheit so tief in unseren ökonomischen Strukturen verankert ist, wird es schwer werden diese zu ändern."