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Öffentlichkeitsarbeit von Schulen
Fünf Stunden Schul-PR pro Woche

Der Brandbrief des Kollegiums der Berliner Rütli-Schule vor zwölf Jahren war die wohl eindrücklichste öffentliche Wortmeldung aus einer Schule der jüngeren Zeit. Heute ist sie eine Vorzeigeschule. Das zeigt: Gezielte Pressearbeit kann Schulen nachhaltig verändern. Doch die will gelernt sein.

Von Dominik Schottner | 13.03.2018
    Runder Tisch im Lehrerzimmer Gezielte Kommunikation aus der Schule heraus ist wichtig. Sie kann Eltern die Entscheidung für eine Schule erleichtern. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit kann Schule auch verändern.
    Gezielte Kommunikation aus der Schule heraus ist wichtig. Sie kann Eltern die Entscheidung für eine Schule erleichtern. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit kann Schule auch verändern. (imago/Joker/Gudrun Petersen)
    Eine Dachgeschosswohnung in Berlin. Hier beginnt der Bildungsjournalist Christian Füller seine Recherchen, oft mit einem Anruf.
    "Meistens kommt man ja nicht direkt bis zum Schulleiter durch, sondern glitscht irgendwie bei der Sekretärin ab. Die guten Leute rufen dann zurück und sind gleich interessiert."
    Laut Füller sind das oft die Schulen, die er als Journalist von innen sehen darf. Und über die er dann informiert berichten kann.
    "Schulen können ihr Profil und ihre Schülerschaft dadurch ändern, dass sie in der Öffentlichkeit auftreten. Weil Eltern und Journalisten haben oft nicht die Zeit, sich Schulen genau anzugucken und die gucken dann in die Zeitung und gehen dann sofort dahin, weil sie in diesem grauen Meer von Schulen sich die raussuchen. Das heißt: Eine gute Öffentlichkeitsarbeit kann Schule verändern."
    Nachrichten "für den Erfolg der Schule ganz elementar"
    Oder aber: überhaupt erst bekannt machen. Wie im Fall der Kaleidoskop-Gesamtschule in Jena. Ihr Leiter Michael Sühnel widmet der Schul-PR bis zu fünf Stunden pro Woche:
    "Weil wir ne Schule sind, die 2011 gegründet worden ist und die sich hier in der sehr vielfältigen Jenaer Schullandschaft erst mal ein standing verschaffen musste."
    2008 schaffte Jena die Schulbezirke ab, Schüler und Eltern können Schulen seither fast frei wählen. Unabhängige Informationen über Schulen sind entsprechend begehrt.
    "Für den Erfolg der Schule ganz elementar - einen gewissen Takt guter Nachrichten auch in die Jenaer Kommune zu senden und auf uns aufmerksam zu machen und dann zu geeigneten Anlässen über uns berichten zu lassen."
    Kritik an Obrigkeiten "manchmal ein Wagnis"
    Kontakte zu Journalisten aufbauen, Pressemitteilungen schreiben, als Gastautor in der Lokalzeitung oder im Netz Stellung beziehen - für Michael Sühnel ist Schul-PR eine originäre Aufgabe der Schulleitung. Und manchmal ein Wagnis, Stichwort Kritik an Obrigkeiten:
    "Ich habe in den sieben Jahren dreimal die Öffentlichkeit in solchen Fragen gesucht und da war es jeweils so, dass wir nicht vorher gefragt haben, allerdings den Dienstweg insofern eingehalten haben, als wir darüber informiert haben, dass es das geben wird, diese Stellungnahme."
    Nicht überall stößt offene Kommunikation auf Begeisterung
    Schulleiterinnen und Schulleiter, die medial ein blaues Auge riskieren - in Jena gefordert und gefördert, anderswo - weniger. Beispiel Berlin: Ende 2017 hatte Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) in einem Schreiben einigen Schulleitern vorgeworfen, ihre Schulen pressewirksam zur Schrottimmobilie zu erklären. Besser wäre gewesen, schrieb die Senatorin, wenn Schulleiter eine "motivierende Perspektive" anbieten würden, "die ihre Schule interessant macht".
    "Es ist in Berlin relativ klar geregelt, wer wann wie wo spricht", sagt Beate Stoffers, Scheeres Sprecherin. Was sie damit meint: Fragen zum Gebäude gehen an die Bezirksämter, Fragen zum Personal an den Senat. Ansonsten "sollen Schulen über sich selbst natürlich kommunizieren. Denn es ist was ganz anderes, als wie wenn ich das machen würde. Das wäre ja dann Stille-Post-Prinzip."
    Auch der Umgang mit der Presse will gelernt sein
    Nur bei Anfragen von angeblich immer drängelnden Onlinejournalisten rät Senatssprecherin Stoffers zur Vorsicht.
    "Leute, immer die Wahrheit sagen! Aber man muss nicht immer alles sagen, was stimmt!"
    Hier kommt Kaja Godart ins Spiel. Die Münchner Bildungsjournalistin hält im Auftrag des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes Seminare zur Öffentlichkeitsarbeit, lehrt also den Umgang mit der Presse. Godart rät, wie auch ihr Kollege Christian Füller, zu mehr Mut. Das helfe der eigenen Schule - und anderen.
    "Da sitzen Bildungsexperten und die wissen es teilweise gar nicht. Und wenn die großen Bildungsthemen in der Politik diskutiert werden, gibt es für mich als Journalistin eigentlich nichts besseres als die Stimmen aus der Praxis zu hören. Und ich finde, dass die Lehrer und Schulleiter in diesem Land ruhig ein bisschen mehr darum wissen sollten, dass ihre Meinung wichtig ist und gehört werden sollte. Und gehört wird sie beispielsweise, indem sie es uns Journalisten erzählen und wir es weitertragen."