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Ökologie
Frankreich will Pestizide aus öffentlichen Parks verbannen

Null Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel: Seit Beginn des Jahres dürfen in Frankreichs öffentlichen Grün- und Sportanlagen keine chemischen Unkrautvernichter mehr eingesetzt werden. Ab 1. Januar 2019 sind Pestizide dann auch in Privatgärten untersagt. Und am liebsten würde man das Pestizidverbot auf ganz Europa ausdehnen.

Von Suzanne Krause | 19.06.2017
    Parkanlage "Jardin des Tuileries " (dahinter der Louvre).
    In öffentlichen Gärten sollen Pestizide nicht mehr zum Einsatz kommen. (picture alliance / Reinhard Kaufhold)
    Coulommiers, 60 Kilometer östlich von Paris gelegen, mitten in der Brie, wo der gleichnamige Käse herstammt. Coulommiers, ein Städtchen mit knapp 15.000 Einwohnern, ist stolz auf seine blühenden Grünanlagen. Direkt gegenüber vom Rathaus steht Gemeindearbeiter Thomas Chappeleau vor einem bunten Blumenbeet und reißt Schlingpflanzen aus. Der Boden zwischen den Pflanzen ist bedeckt mit Holzschredder, ist gemulcht.
    "Das ist sehr praktisch, um den Wildwuchs von Unkraut zu verringern. Und wir müssen weniger gießen."
    Unter dem Schredder liegen die Rohre der automatischen Sprenkleranlage, erklärt Pascal Besnard, Chef des Gartenbauamts. "Dass die Wasserrohre versteckt sind, verhindert Vandalismus."
    Für das Mulchen werden in Coulommiers die Reste vom kommunalen Holzschlag recycelt. 2014 begann die Stadtverwaltung, beim Kampf gegen Unkraut nicht mehr auf die chemische Keule zu setzen. Das Gartenbauamt stellte um auf mehrjährige, pflegeleichtere Pflanzen. Vor kurzem wurden tragbare Apparate angeschafft, die Unkraut mit kochendem Wasser verbrühen.
    "Auf dem Sportplatz setzen wir nun einen Traktor mit einer Mähvorrichtung ein, die alles Grün direkt am Boden abschneidet und einsammelt. Das funktioniert prima."
    Schädlingsbekämpfung ohne Gift
    Schädlinge werden nun mit biologischen Methoden bekämpft. Dass es schneller ginge und einfacher sei, Unkraut einfach wegzuspritzen, gibt Pascal Besnard zu. Dennoch zieht er eine positive Bilanz.
    "Ja, der Aufwand ist die Mühe wert. Allein schon, weil wir so die Gesundheit unserer Gemeindearbeiter schützen. Für den Umgang mit chemischen Pflanzenschutzmitteln mussten sie eine Art Astronautenkluft anlegen, mit Atemmaske. Bei hochsommerlichen Temperaturen war das alles andere als angenehm. Und trotz der Schutzkleidung atmeten sie Giftstoffe ein. Ausserdem gelangen die Stoffe in die Flüsse und verunreinigen das Grundwasser. Der Verzicht auf Pestizide schützt also unsere Wasservorräte. Und nun sehen wir auch wieder Bienen, Insekten und Tierchen, die lange Zeit verschwunden waren."
    Gewöhnen an den Naturlook
    Dass das Grüne an manchen Stellen heute weniger gepflegt aussieht als zuvor, daran muss sich mancher Bürger in Coulommiers noch gewöhnen. Vor zwei Jahren bat der konservative Bürgermeister die Einwohner in einem Brief, verstärkt vor ihrer eigenen Haustür gegen Unkraut vorzugehen. Mit bislang sehr bescheidenem Ergebnis. Doch Rathaus-Vertreter Pascal Fournier sieht, dass die Abkehr von Pestiziden immer mehr im Trend liegt.
    "Wir sind hier mitten im Herzen der bäuerlichen Region Brie. In unserer Gegend haben sich sehr viele Landwirte mittlerweile zu einem vernünftigen Umgang mit chemischen Pflanzenschutzmitteln entschieden, sie spritzen heute so wenig wie möglich. Rund um Coulommiers gibt es auch einige Biobauern, deren Ware reissenden Absatz findet."
    Im Rathaus von Coulommiers begrüssen die Verantwortlichen das Ansinnen der französischen Regierung, dafür zu werben, das Pestizidverbot auf ganz Europa auszudehnen. Umso mehr angesichts einer kürzlich vorgestellten Erhebung, mit der französische Gesundheitsforscher Alarm schlagen. Sie haben festgestellt, dass im Südwesten und im Landeszentrum die Fälle verfrüht einsetzender Pubertät deutlich über dem Landesdurchschnitt liegen. Ein Grund dafür könnte sei, dass es dort viel industrielle Landwirtschaft mit hohem Pestizideinsatz gibt. Chemische Pflanzenschutzmittel, die verdächtigt werden, auf das menschliche Hormonsystem einzuwirken.