Freitag, 19. April 2024

Archiv

Ökostromdebatte
Heil verteidigt Ausnahmen für Industrie

In der Diskussion über die Ausnahmen für Unternehmen bei der EEG-Umlage hat sich SPD-Fraktionsvize Heil hinter die Industrie gestellt. Im DLF-Interview sagte er, es sei notwendig bestimmte Betriebe zu entlasten. Mit Blick auf Kritik der EU-Kommission daran, fordert er einen Dialog.

Hubertus Heil im Gespräch mit Jasper Barenberg | 07.01.2014
    Jasper Barenberg: Wie sollen die steigenden Kosten für die Energiewende gerecht verteilt werden. Eine wichtige Frage, wenn es um die Zukunft der Energiewende geht. Eine andere ist, ob auch in Zukunft so viele Unternehmen wie bisher von der Ökostromumlage befreit werden sollen, können, dürfen. Misstrauisch schaut da die EU-Kommission auf die Privilegien und Ausnahmeregelungen für die Industrie in Deutschland. Als neuer Wirtschaftsminister wird SPD-Chef Sigmar Gabriel heute in Brüssel über diese Rabatte verhandeln. Und am Telefon begrüße ich Hubertus Heil, Fraktionsvize der SPD im Bundestag, kümmert sich unter anderem um die Themen Wirtschaft und Energie. Schönen guten Tag, Herr Heil!
    Hubertus Heil: Schönen guten Tag, grüße Sie!
    Barenberg: Wir haben einiges gehört über den Hintergrund für die Gespräche, die Sigmar Gabriel heute in Brüssel führen wird. Was will, was kann der Wirtschaftsminister erreichen?
    Heil: Es ist wichtig, dass er sich kümmert. In Gesprächen mit Herrn Oettinger und auch mit Herrn Almunja über Meinungsverschiedenheiten spricht. Richtig ist, dass wir einen Auffassungsunterschied haben, wie eben von Ihrem Korrespondenten beschrieben. Wir sehen das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht als Beihilfe. Wir sind der Meinung, dass nach wie vor die Kompetenzen im Bereich der Energiepolitik nationale sind, und es wird über die Ausnahmen für energieintensive Betriebe zu sprechen sein. Deutschland braucht Grundstoffindustrien, und diese Befreiungen sind notwendig für die Unternehmen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen und auch alle Effizienzmaßnahmen ergriffen haben, wenn ich zum Beispiel an die Stahlindustrie denke oder auch an andere Branchen der chemischen Industrie. Wir werden aber auch im Zuge der EEG-Reform darüber reden, wie wir das EEG grundlegend reformieren und wie wir auch die Ausnahmen tatsächlich auf die Unternehmen konzentrieren, die es brauchen, und nicht, dass Trittbrettfahrer davon profitieren. Es ist wichtig, dass man den Dialog mit Brüssel sucht, damit diese Auseinandersetzungen nicht zum Schaden von deutschen Arbeitsplätzen, zum Schaden der Energiewende eskaliert.
    Befreiungen notwendig für die Unternehmen
    Barenberg: Das heißt aber auch, dass Sigmar Gabriel heute die Aufgabe haben wird, in Brüssel Rabatte und Privilegien für die Industrie zu verteidigen, die die SPD in der Vergangenheit jedenfalls immer, was das Ausmaß angeht, heftig kritisiert hat. Ist das nicht auch eine Zwickmühle für den Wirtschaftsminister?
    Heil: Nein, ich darf sie da korrigieren. Wir haben, als wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz in rot-grüner Zeit unter Bundeskanzler Gerhard Schröder auf den Weg gebracht haben, durchaus auch mit Zustimmung der Grünen Ausnahmen organisiert für die Unternehmen wie gesagt, die aus physikalischen Gründen gar nicht mehr einsparen können, die aber für bestimmte Prozesse brauchen. Ich mache mal ein Beispiel: In meiner Heimatstadt in Niedersachsen gibt es ein Elektrostahlwerk, da müssen Sie eine bestimmte Temperatur erreichen, um Stahl einzuschmelzen, Schrott einzuschmelzen, um im Sinne von Kreislaufwirtschaft Stahlträger zu produzieren. Solche Unternehmen dürfen Sie nicht voll einbeziehen, weil die tatsächlich sonst Standortprobleme bekommen. Schwarz-Gelb, die Vorgängerregierung, hat allerdings die Ausnahmen ausgeweitet, sodass der Eindruck entstanden ist in der Bevölkerung, dass diese Ausnahmen insgesamt ungerechtfertigt sind, und da sind sicherlich auch Trittbrettfahrer dabei. Deshalb muss man die Anzahl, den Umfang und die Branchen tatsächlich überprüfen an zwei Kriterien: Wer steht wirklich im internationalen Wettbewerb und wer hat Energieeffizienz tatsächlich ergriffen. Es ist nicht in Ordnung, wenn Unternehmen davon profitieren, die sozusagen künstlich ihre Maschinen länger laufen lassen, damit sie besonders viel Energie verbrauchen, damit sie dann von Rabatten profitieren, die sind ausdrücklich nicht gemeint.
    Barenberg: Je mehr Sigmar Gabriel allerdings die Rabatte verteidigt, das Prinzip jedenfalls, das Sie gerade erläutert haben, desto weniger können wir Stromkunden jedenfalls auf finanzielle Entlastungen hoffen. Auch das ist doch richtig, oder?
    Heil: Nein, das ist auch nicht richtig. Denn es geht nicht nur darum, die Frage der Ausnahmetatbestände kritisch zu überprüfen, sondern es geht ja um viel mehr. Es geht um eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Um mehr Kosteneffizienz beim Umbau unserer Energiewirtschaft. Es geht um eine saubere, aber eben auch um eine bezahlbare und auch eine versorgungssichere Stromversorgung in Deutschland. Das ist eine Riesenaufgabe, weil in den letzten vier Jahren von Schwarz-Gelb da ziemlich viel an Planungs- und Investitionsstau entstanden ist, an Unsicherheiten, an Chaos. Und jetzt haben wir die Herkulesaufgabe in dieser großen Koalition, unter Federführung von Sigmar Gabriel die Energiewende wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen.
    Barenberg: Bayerns Wirtschaftsministerin Aigner, ich hab das vorhin schon im Gespräch mit unserem Korrespondenten in München angesprochen, hat jetzt dazu einen Vorschlag gemacht. Sie bleibt bei der Ankündigung, es muss eine grundlegende Reform des EEG geben, aber ein Teil der Kosten könnte man auch über einen speziellen Fonds strecken. Wie viel Charme hat diese Idee aus Ihrer Sicht?
    Heil: Der Vorschlag, die Kosten der Energiewende ganz oder teilweise über einen Fonds zu finanzieren, ist nicht gerade neu. Deshalb finde ich es in Ordnung, wenn da neue Vorschläge kommen, dass man die auch prüft. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das in der CSU-Staatsregierung nicht ressort-abgestimmt ist. Es gibt ja heftigen Streit darüber. Und man muss ganz grundsätzlich sagen, dieses Fonds-Modell löst nicht das Kostenproblem, sondern es verschiebt die Finanzierung lediglich in die Zukunft. Das heißt, entweder die Steuerzahler oder die Verbraucher, oft sind es dieselben, werden später die Zeche zu zahlen haben, und es kann deshalb die EEG-Reform nicht ersetzen. Unabhängig davon, dass es tatsächlich auch ein Schattenhaushalt wäre, den man da aufmacht und dass uns da im Übrigen zu Recht die europäische Union vorhalten werden kann, dass diese Form der Finanzierung dann eine Beihilfe sein könnte. Also insofern, ich glaube, das ist noch nicht alles so zu Ende gedacht, es ist ja auch nicht wirklich ein Vorschlag, sondern ein Diskussionspapier für eine CSU-Klausurtagung. Insofern, wir gucken uns an, wenn da wirklich Vorschläge vorliegen, ob da was Brauchbares dabei ist, aber es darf uns nicht davon ablenken, dass wir wirklich eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes brauchen. Das ist kein Ersatz.
    Barenberg: Und zu der grundlegenden Reform des EEG gehört dann auch beispielsweise mehr Effizienz und Sparsamkeit beim Energieverbrauch, sprich steuerliche Förderung von Altbausanierungen?
    Förderung von Energieeffizienz als Kostenbremse
    Heil: Das ist ein weiteres Thema, das ist nicht Teil des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Für die Reform des EEG, und das ist sehr ehrgeizig, werden bis Ostern Eckpunkte vorgelegt, und wir müssen dann in die Gesetzgebung kommen. Das ist das Wichtigste und das Dringendste. Die Finanzierung von Energieeffizienz, die muss man zielgerichtet machen. Und da ist ganz klar, dass die steuerliche Förderung in diesem Bereich natürlich auch zu Einnahmeverlusten bei Ländern und Kommunen führen kann. Deshalb ist es manchmal vernünftiger, mit direkten Hilfen oder mit zinsverbilligten Krediten zu arbeiten, wie wir das über die Kreditanstalt für Wiederaufbau auch tun. Das heißt, Energieeffizienz fördern ist natürlich die beste Kostenbremse, weil die billigste Kilowattstunde die ist, die man nicht verbraucht. Aber das muss im Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Da ist nicht nur der Wirtschaftsminister, sondern auch die Umweltbauministerin gefragt. Laura Hendricks und Sigmar Gabriel werden das in Angriff nehmen.
    Barenberg: Sagt Hubertus Heil, der Fraktionsvize der SPD im Bundestag. Ich bedanke mich für das Gespräch heute Mittag!
    Heil: Schönen Tag wünsche ich!