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Ölkonzerne pfeifen auf den Klimaschutz

Klimaschutz. - Bei der Öl-Förderung anfallendes Erdgas wird in der Regel an Ort und Stelle abgefackelt. Von der Verschwendung des Energieträgers abgesehen ist die CO2-Bilanz verheerend. Laut einer Studie im Auftrag der Weltbank wurde das Problem bislang unterschätzt.

Von Volker Mrasek | 05.09.2007
    "Gentlemen, wir erreichen jetzt das Ekofisk-Feld. Ich wünsche Ihnen einen sicheren Aufenthalt offshore."

    Fertigmachen zur Landung auf einer Öl-Plattform im Meer. Schon beim Anflug mit dem Hubschrauber springen nicht nur die wuchtigen Bohrtürme ins Auge, sondern auch eine meterhohe, hell lodernde Flamme am Ende eines Außenstegs. Es ist ein vertrautes Bild aus vielen Förderfeldern: Erdgas wird hier abgefackelt - einfach so, als lästiges Begleitprodukt, das zusammen mit dem Öl nach oben kommt, aber nicht sinnvoll verwertet werden kann.

    "Große Mengen Öl werden in entlegenen Gegenden gefördert, weit weg von potenziellen Abnehmern des Gases."

    Bent Svensson hat bei der Weltbank vor fünf Jahren eine Initiative gestartet, um das Ausmaß des unnützen Abfackelns zu reduzieren. Und er legt jetzt eine neue Studie zum Thema vor. Trotz Klimawandel und künftiger Ressourcen-Verknappung: Die Öl-Industrie lässt demnach unverändert große Mengen Erdgas einfach so abbrennen. Seit 1995 waren es Jahr für Jahr zwischen 150 und 170 Milliarden Kubikmeter.

    Das ist eine enorme Menge. Sie entspricht in etwa 30 Prozent des jährlichen Erdgasverbrauchs in der EU. Svensson spricht von einer großen Energieverschwendung:

    "In Afrika werden jedes Jahr 40 Milliarden Kubikmeter Gas abgefackelt. Wenn man sie nähme und in modernen Gaskraftwerken verfeuerte, könnte man die Stromerzeugung südlich der Sahara glatt verdoppeln."

    Mit dem Abfackeln ist zugleich eine starke Klimabelastung verbunden. Schätzungsweise 400 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid produzieren die Ölförderer durch ihre Art der Gas-Entsorgung.

    "Vergleicht man diese 400 Millionen Tonnen mit den CO2-Emissionen, die die Industrieländer nach dem Kyoto-Protokoll bis zum Jahr 2012 vermeiden müssen, dann sind das immerhin 13 Prozent von dieser Gesamtmenge."

    Mit der Studie hatte die Weltbank den nationalen US-Wetterdienst NOAA betraut. Dessen Spezialisten gingen ungewöhnlich vor. Sie analysierten Nachtaufnahmen von Spezialkameras an Bord verschiedener Erdbeobachtungssatelliten. Weil Öl meist in entlegenen Gebieten gefördert wird, treten die Gasfackeln in den Bildern deutlich hervor. Aus der Lichtintensität leiteten die Forscher dann ab, wieviel Erdgas in den Dauerfeuern verbrennt und wieviel CO2 dabei entsteht. Dabei halfen ihnen spezielle Rechen-Algorithmen.

    Die Studie lässt nun vor allem Russland in einem schlechten Licht erscheinen. Dessen Öl-Industrie fackelt offenbar dreimal so viel Gas ab, wie sie offiziell einräumt: mehr als 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Mit weitem Abstand folgen Nigeria, der Iran und der Irak. Über 20 Länder verbrennen heute sogar mehr Erdgas in ihrer Förderfeldern als 1995, darunter China und Saudi-Arabien.

    Bei dem derzeitigen Öl-Preisniveau besteht für die Energiekonzerne kein Anreiz, in zusätzliche Infrastruktur für eine Gas-Verwertung zu investieren. Ausnahmen sind erste Projekte in Entwicklungsländern, die die Weltbank fördert. Dort wird die alternative Nutzung des Gases mit CO2-Zertifikaten belohnt - ein zusätzlicher finanzieller Anreiz. Doch die Projekte kommen nur schleppend voran. Und gemessen an ihrem eher geringen Umfang sind sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein.