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Österreich
Debatte um den Doppelpass

Viele türkischstämmige Österreicher haben auch einen türkischen Pass. Doppelte Staatsbürgerschaften sind in der Alpenrepublik allerdings verboten. In Salzburg wurden den ersten Menschen jetzt ihre österreichischen Pässe aberkannt. Mit gravierenden Folgen für die Betroffenen.

Von Susanne Lettenbauer | 11.01.2018
    AUT, STUDIO, AUFNAHMETISCH; 2017-04-02; STUDIO THEMENBILD - STREIT UM DOPPELTE STAATSBUERGERSCHAFT VON OESTERREICH-TUERKEN: ; Foto: Roland Muehlanger |
    Bei dem Streit geht es vor allem um die doppelte Staatsbürgerschaft von Österreich-Türken (www.picturedesk.com / Roland Muehlanger)
    "Also wenn Sie sich das Regierungsprogramm der jetzigen Regierung anschauen, muss man eh nicht viel sagen." Osman Günes sitzt in seinem türkischen Supermarkt und wundert sich über gar nichts mehr. Mit elf Jahren kam der heute 30-Jährige aus der Türkei nach Österreich. Gab seinen Heimat-Pass ab, als er die österreichische Staatsbürgerschaft annahm, und sitzt heute für die SPÖ, die österreichischen Sozialdemokraten, im Salzburger Stadtrat.
    Viele seiner türkischen Landsleute bekamen in den vergangenen Wochen einen Brief vom Land Salzburg, sie sollten doch erklären, warum sie eine doppelte Staatsbürgerschaft hätten. Darunter auch einige, die sofort beweisen konnten, dass sie nur einen Pass besitzen. Für Osman Günes ist klar: das hängt mit der neuen Mitte-Rechts Regierung zusammen:
    "Vorher hat es nie Diskussion über den Doppelpass gegeben"
    "Ja, das war im Regierungsprogramm der FPÖ ganz offen, und genauso auf der Liste Kurz. Die haben das ja seit zwei, drei Jahren populisiert, das haben sie versprochen und halten es jetzt ein."
    Eine doppelte Staatsbürgerschaft ist in Österreich verboten, Ausnahmen bilden Kinder von Eltern aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Wer einen österreichischen Pass beantragt, muss vorweisen, dass er seiner früheren Heimat abgeschworen hat, zumindest juristisch. Das sei auch alles kein Problem, betont Osman Günes.
    Doch jetzt plötzlich müssten Türken, die seit Jahrzehnten in Salzburg leben, alte Urkunden hervorsuchen, nur um zu beweisen, dass sie ausschließlich Österreicher seien: "Die Menschen leben seit über 50 Jahren hier und es hat nie irgendwelche Diskussionen gegeben über doppelte Staatsbürgerschaften."
    Beim Land Salzburg verweist man auf eine Anfrage vom Wiener Innenministerium. Ins Rollen kamen die Kontrollen über eine von dort an alle Landesbehörden verschickte Liste, erklärt Michael Bergmüller vom Salzburger Referat für Wahlen und Staatsbürgerschaften.
    In bisher zehn Fällen wurden Pässe eingezogen
    Einer Radiostation des Österreichischen Rundfunks sei im vergangenen Jahr von ein Verzeichnis zugespielt worden mit Namen von über 100.000 türkischen Staatsbürgern, die einen österreichischen Pass haben und laut Liste an türkischen Wahlen wie dem umstrittenen Referendum im April 2017 teilnehmen durften. Ein klarer Rechtsbruch, so Michael Bergmüller. Im Land Salzburg leben rund 5.500 türkischstämmige Menschen:"Wir haben jetzt in monatelanger Ermittlungstätigkeit rund 800 Personen festgemacht, bei denen wir Hinweise haben, dass sie mit relativer Wahrscheinlichkeit auch türkische Staatsbürger sind und wir eben den Verdacht haben, dass sie diese freiwillig erworben haben und damit seit diesem Zeitpunkt nicht mehr Österreicher sind."
    In zehn Fällen hat das Land Salzburg jetzt eine illegale Doppelstaatszugehörigkeit festgestellt und die österreichischen Pässe eingezogen. Die Betroffenen können dagegen Einspruch erheben.
    Für sie haben die Kontrollen im Ernstfall gravierende Folgen: Sie verlieren alle Rechte eines Österreichers, einer Österreicherin, ebenso staatliche Zahlungen wie Kindergeld, Rente oder Arbeitslosenunterstützung. Leibliche Kinder oder Enkel verlieren de jure ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft, weil sie nicht von Österreichern abstammen.
    Bisher nur wenig Einsprüche gegen den Passentzug
    Da die Türkei nicht zur Europäischen Union gehört, müssten sich die Ex-Alpenländler um einen neuen Aufenthaltstitel kümmern, um ein Visum oder ausreisen, so Bergmüller: "Wir versuchen individuell auf die Leute einzugehen, die Personen auch seriös zu informieren oder zu beraten, was ihre Möglichkeiten in dem konkreten Fall sind."
    Der SPÖ-Politiker Osman Günes kann dem nur machtlos zusehen. Die Sozialdemokraten haben derzeit keine Einflussmöglichkeiten, um das Staatsbürgerrecht flexibler auslegen zu lassen. Günes befürchtet eher eine Verschärfung: "Wir können jetzt eigentlich nichts machen. Die neue Regierung ist da und die haben auch die Mehrheit."
    Vom Salzburger Landesverwaltungsgericht heißt es, dass bislang nur wenige Einsprüche gegen den Passentzug eingegangen seien. Man sehe den Verfahren gelassen entgegen.