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Österreich
Ende der Willkommenskultur

Die österreichischen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP wollen beide weniger Flüchtlinge ins Land lassen. Über die Vorgehensweise sind sie jedoch uneins. Die konservative Innenministerin Johanna Mikl-Leitner plädiert für Abschiebungen an der Grenze zu Slowenien, Bundeskanzler Werner Feymann fordert dagegen eine europäische Lösung.

Von Karla Engelhard | 15.01.2016
    Kinder aus Afghanistan stehen am 20.09.2015 auf einer Brücke an der deutsch-österreichischen Grenze bei Salzburg und warten darauf, registriert und zu einer Flüchtlingsunterkunft in Freilassing gebracht zu werden, nachdem sie zu Fuß die Grenze überquert haben.
    Kinder aus Afghanistan an der deutsch-österreichischen Grenze bei Salzburg (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Im österreichischen Schärding, an der Grenze zu Deutschland, stranden täglich bis zu 200 Flüchtlinge. Ein Dolmetscher übersetzt, was einer von ihnen erzählt: "Nach Österreich, nach Deutschland, wieder nach Österreich. Zwei Mal sind sie hin und her geschickt worden. Drei Mal!"
    Österreichischer Polizist: "Slowenien würde in zwei Tagen untergehen"
    Die österreichische Polizei rechnet in den kommenden Wochen damit, dass Deutschland noch mehr Flüchtlinge zurückschickt. Der Landespolizeidirektor von Oberösterreich, Andreas Pilsl geht von bis zu 400 Menschen am Tag aus. Dass auch Österreich beginnen will im Süden, an der slowenischen Grenze, Menschen zurückzuschicken, ist für ihn keine Lösung: "Deutschland ist Zieldestination für 90 Prozent der Menschen. Österreich ist es für 10 Prozent der Menschen, das heißt 90 Prozent wollen Österreich durchqueren und zehn Prozent wollen Deutschland durchqueren. Das heißt, wenn Deutschland die Erfassten zurückschickt, ist das leicht möglich. Wenn Österreich das macht, wird Slowenien untergehen - innerhalb von zwei Tagen. Das heißt, man verlagert die Probleme nur innerhalb Europas."
    Kontroverse in der Regierung
    Seine Dienstherrin, die konservative Innenministerien Johanna Mikl-Leitner, teilt diese Bedenken nicht. Sie will eine Obergrenze für Flüchtlinge festlegen, die es faktisch gäbe und abschieben: "Schauen Sie, was haben wir derzeit für eine Situation an der deutsch-österreichischen Grenze? Dass nun mehr jene durchgelassen werden, die in Deutschland Asyl wollen. Und jene die weiterziehen wollen, werden zurückgewiesen. Und die werden wir ab Ende nächster Woche direkt an unserer Südgrenze stoppen."
    Nach dem Vorbild Schwedens sollen nur noch Asylanträge angenommen, aber nicht mehr bearbeitet werde. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hält nichts von alldem. Nachdem Dänemark und Schweden ihre Grenzen dicht gemacht haben, ist Österreich jedoch das einzige Land in der EU, neben Deutschland, das noch die Politik der offenen Grenze beibehält. Noch steht der Sozialdemokrat an der Seite der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und stellt sich damit nicht nur gegen seinen Koalitionspartner ÖVP:
    "Die Grenzsicherung, und das ist entscheidend. Kann ja nur funktionieren an den Außengrenzen plus Schengen-Grenzen und das Mögliche an unseren Grenzen. Wer da die europäische Ebene aufgibt, gibt die Lösungsmöglichkeit der Flüchtlingsfrage auf. Also: stärkere Kontrollen überall, auch an der österreichischen Grenze. Ausnützen jener Möglichkeiten, die wir haben. Aber nie aus den Augen verlieren: Wer wirklich etwas lösen möchte, muss eine europäische Lösung anstreben, alles andere ist ein Irrweg und eine Sackgasse."
    Mehr Grenzkontrollen
    Österreich war der erste EU-Mitgliedsstaat, der Polizistinnen und Polizisten zu Grenzkontrollen an die europäische Außengrenze entsandte. Rund 150 Männer und Frauen unterstützen die EU-Grenzagentur Frontex, unter anderem in Griechenland. Seit einem halben Jahr sind österreichische Beamte auch an der ungarisch-serbischen und mazedonisch-serbischen Grenze entlang der Schlepperrouten im Einsatz. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner strebt eine engere Kooperation mit Deutschland, Kroatien und Slowenien an. Viele Flüchtlinge bleiben derweil auf der Strecke und Preise auf den Schlepperrouten Richtung Deutschland haben sich vervielfacht.