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Österreich
Kein PISA wegen eines Datenlecks

Österreich stoppt die Teilnahme an der PISA-Studie. Anlass für die sozialdemokratische Ministerin, die Notbremse zu ziehen, war ein Datenleck beim Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie), das für die Abwicklung der PISA-Studie zuständig ist.

Von Alexander Musik | 18.03.2014
    Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek steht zu ihrer Entscheidung: Österreich wird an der PISA-Studie nicht teilnehmen.
    "Ich bin interessiert an internationalen Vergleichen, aber dieses Vergleichsinstrument für das kommende Jahr muss leider ausfallen, solange nicht Datensicherheit herrscht."
    Datensicherheit – damit ist die Datenpanne beim Bildungsforschungsinstitut Bifie gemeint: Es geht um 400.000 Datensätze mit Test-Ergebnissen sowie 37.000 E-Mail-Adressen von Lehrern und Schulleitern, die 2011 und 2012 an informellen Tests beteiligt waren und plötzlich auf dem Webserver einer Partnerfirma des Bifie auftauchten. Wie sie dahin kamen, ist ungeklärt. Datenpannen wird es immer geben, wo Menschen beteiligt sind, sagt der Bildungsforscher Stefan Hopmann von der Universität Wien.
    "Das ist Kakanien! Ob es wirklich eine politische Tagesordnung dahinter gibt, kann ich nicht wissen, kann ich nur spekulieren. Aber es beschädigt den Ruf des österreichischen Bildungswesens und der österreichischen Bildungsforschung massiv nach außen wie nach innen. Nach innen machen wir die Erfahrung, dass viele Schülerinnen und Schüler oder auch Eltern zu uns sagen: Wozu sollen wir überhaupt noch mit euch zusammenarbeiten? Ist doch eh egal, wenn die Politik entscheidet. Ich denke, die Folgeschäden, die da angerichtet worden sind, völlig unnotwendigerweise, sind enorm und nach außen hin, wie gesagt, einfach nur peinlich."
    Das Bifie hatte die Ministerin noch selbst vor den Folgen gewarnt, die ein Stopp der PISA-Studie haben könnte. Allein der Druck der Formulare mit den Testfragen soll 900.000 Euro gekostet haben. Genaueres war auf Anfrage des Deutschlandfunks nicht zu erfahren, denn das Institut, das dem Unterrichtsministerium untersteht, hat einen Maulkorb verpasst bekommen. Professor Stefan Hopmann ist auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat:
    "Wir haben schon beim Bifie-Gesetz damals gesagt: Liebe Leute, ihr macht einen grundlegenden Fehler. Ihr vermischt Hoheitsaufgaben mit Forschungsaufgaben. Und ihr macht das Ganze ministeriumsnah. Und das wird früher oder später zu Interessenskonflikten und Widersprüchen führen."
    Will Österreichs Regierung nur solche Ergebnisse von internationalen Bildungsvergleichstests hören, die ihr lieb sind? Ist das Datenleck ein willkommener Aufhänger, um sich von den vielen unterschiedlichen – und oft ungeliebten - Testreihen zu verabschieden, die Lehrer und Schüler in Österreich jahraus, jahrein durchlaufen? Es gibt gute Gründe, bei PISA mitzumachen oder auszusteigen, sagt Professor Hopmann. Doch könne man nicht einfach aussteigen und dann irgendwann wieder einsteigen.
    "Das Problem ist, dass sowohl das PISA-Konsortium wie auch die Politiker die PISA-Daten regelmäßig für Dinge benutzen, die man mit PISA-Daten nicht machen kann. Das habe ich kritisiert, das ist meine Aufgabe, der Öffentlichkeit dann zu sagen: Pass mal auf, da werden Schlussfolgerungen gezogen, die kann man mit diesen Daten nicht ziehen."
    In den nächsten Monaten soll die Kriminalpolizei in einer groß angelegten Prüfung herausfinden, wo das Datenleck im Bifie oder seinem Partnerinstitut zu finden ist. Ein spontanes Angebot der Uni Salzburg, die Abwicklung der PISA-Studie stellvertretend zu übernehmen, lehnte Heinisch-Hosek rundheraus ab.
    "Alles ist vorbereitet, liegt im Bildungsforschungsinstitut. Und jetzt Datenverschnitte zu machen, andere Institute irgendwie hereinzuziehen, das wäre aus meiner Sicht verantwortungslos. Und das mache ich nicht. Und ich kann nicht so mir nichts, dir nichts, sagen: Mache mal du, Institut in Salzburg, etwas. Oder vielleicht kommen noch einige Anbieter, die sagen würden: Frau Ministerin, geben sie mir die Bögen, wir füllen sie aus, dann sperren wir sie ein. So einfach geht's leider nicht."
    2018 könnte Österreich übrigens wieder bei der PISA-Studie mitmachen, verkündete Gabriele Heinisch-Hosek an die Adresse all jener, die da meinten, sie habe kein Interesse an internationalen Vergleichstests. Bis dahin wird sie sich als Unterrichtsministerin jedenfalls nicht mehr mit etwaigen peinlichen PISA-Ergebnissen befassen müssen.