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Österreich
Manager for Kanzleramt

Der Weg von der Politik ins Unternehmen gilt in Deutschland als Einbahnstraße. Manager, die in die Politik wechseln – wie der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern – sind hierzulande die Ausnahme. Einige Beispiele gibt es aber dennoch. Und in anderen Ländern gibt es sogar Wörter für dieses Phänomen.

Von Felix Lincke | 17.05.2016
    Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern nach seiner Vereidigung.
    Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern nach seiner Vereidigung. (AFP / DIETER NAGL)
    Es kommt selten vor, dass es einen deutschen Spitzenmanager in die Politik zieht. Einen ehemaligen Vorstandschef wird man in der Regel im Aufsichtsrat in seinem früheren oder in einem anderen Unternehmen wiederfinden oder als Berater, der für viele Unternehmen tätig ist. Aber in einem politischen Amt doch eher nicht.
    "Mein Name ist Utz Claasen, und ich habe im Leben schon die eine oder andere bequeme oder unbequeme Station durchlaufen in Wirtschaft, Wissenschaft und auch sonst wo, und bemühe mich, einen Teil dieser Erfahrung jetzt mal in einem Buch zusammen zu fassen." Der einst so erfolgreiche Manager Utz Claasen war in der Politik eine glatte Fehlbesetzung. Als Wunderkind machte er mit 17 Jahren das erfolgreichste Abitur von Baden-Württemberg, mit 22 war er schon Wissenschaftler und mit 33 Vorstandschef beim Energiekonzern EnBW. Es folgten zwei Rücktritte, hohe Entschädigungen und der Versuch als Buchautor und Politiker Fuß zu fassen. 2013 schloss Classen sogar die Gründung einer eigenen Partei nicht aus, um sich ins Spiel zu bringen.
    Von der Politik in die Wirtschaft und zurück
    So will natürlich kein erfolgreicher Manager enden. Dann schon lieber so wie der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern. Er begann seine Karriere zunächst als vielversprechender Nachwuchspolitiker: "Aber nachdem man nicht ewig in der Politik bleiben sollte – meine ich jedenfalls – habe ich mir dann einen anderen Job gesucht: Quasi als siebenter Zwerg von links in einem großen Energieunternehmen begonnen, bin dann schließlich im Vorstand dieses Unternehmens auch gewesen, um dann 2010 letztendlich zur ÖBB zu wechseln." Die ÖBB, die Österreichischen Bundesbahnen, übernahm Kern als Vorstandschef mit einem großen Defizit, um sie anschließend erfolgreich zu sanieren.
    Eine ähnliche Karriere schaffte hierzulande nur Werner Müller, der ebenfalls als Energiemanager begann und in der rot-grünen Koalition Bundeswirtschaftsminister wurde. Müller wechselte anschließend an die Spitze der RAG-Stiftung. Dass man deutsche Manager in der Politik meist vergebens sucht, mag mit der schlechteren Bezahlung dort zusammenhängen.
    Die USA machen es vor
    In anderen Ländern scheint das aber nicht unbedingt ein Hindernis zu sein. So spricht man in den USA von "Revolving Door", einem Drehtür-Effekt, das viele Manager oft nur eine Zeit lang als Berater der US-Regierung tätig sind, um ihre Karriere damit zu veredeln. Die Investmentbank Goldman Sachs ist dafür bekannt. Aus ihren Reihen stammen unter anderen der frühere US-Finanzminister Henry Paulson und EZB-Präsident Mario Draghi.
    In Frankreich spricht man von "Pantouflage". Das ist eine negative Bezeichnung dafür, dass frühere Absolventen von Pariser Eliteschulen wie der ENA sich Posten in Politik und Wirtschaft gegenseitig zuschieben. Ein geschmeidiger Wechsel von der Politik zurück in die Wirtschaft scheint in Frankreich wesentlich einfacher zu sein als in Deutschland.
    Das mag an dem starken Einfluss des Staates auf große Konzerne liegen, der auch in Japan zu spüren ist. Dort gibt es den schönen Begriff "Amakudari", der so viel heißt wie "vom Himmel oder vom Paradies herabsteigen". Gemeint ist, dass die obersten Staatsdiener das Ende ihrer Karriere in der Wirtschaft fortsetzen. Das kommt allerdings auch in Deutschland vor. Nur der umgekehrte Fall, dass ein Manager wie ÖBB-Chef Kern an höchster Stelle in die Politik wechselt, dürfte in allen Ländern die ganz große Ausnahme sein.