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Österreich
Mehr Imame braucht das Land

Laut Islamgesetz dürfen nicht länger Imame aus dem Ausland in österreichischen Moscheen predigen. 65 Religionsgelehrte sollen das Land verlassen, aber neue sind noch nicht in Sicht.

Von Jakob Mayr | 19.07.2017
    Moschee in Telfs (Tirol), Österreich
    Laut dem neuen österreichischen Islamgesetz dürfen islamische Glaubensgemeinschaften nicht mehr dauerhaft aus dem Ausland bezahlt werden. (imago stock&people)
    Integration von Menschen muslimischen Glaubens - da hat Österreich von den EU-Staaten die längste Erfahrung. Anfang des 20. Jahrhunderts annektierte Österreich-Ungarn das großenteils muslimische Bosnien-Herzegowina. In der k.u.k-Armee kümmerten sich Imame um die muslimischen Soldaten. Das Islamgesetz von 1912 erkennt den Islam als Religionsgesellschaft an. Gut hundert Jahre später hat Österreich ein modernes Islamgesetz beschlossen. Der Vorteil: Die alte Regelung hatte organisatorische Grundlagen geschaffen, sagt der Wiener Kirchenrechtler Richard Potz:
    "Man muss das so sehen, dass in Österreich durch das Islamgesetz der Dachverband, eine Superstruktur, da war und sich für die hereinkommenden Muslime die Frage stellte: Sollen wir unsere Vereine da drunter bringen und sollen wir das anerkennen? Während in anderen europäischen Ländern, die das nicht hatten, erst einmal die Vielzahl der Verbände da war und die können sich im Regelfall bis heute nicht auf einen Dachverband einigen."
    Keine Finanzierung aus dem Ausland
    Das neue Islamgesetz gibt den 500.000 Muslimen in Österreich mehr Rechte, aber auch mehr Pflichten. Das Ziel laut Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz:
    "Es darf in Österreich kein Widerspruch sein, selbstbewusster Österreicher und gleichzeitig gläubiger Moslem zu sein."
    Umstrittener Kernpunkt: Islamische Glaubensgemeinschaften dürfen nicht mehr dauerhaft aus dem Ausland bezahlt werden.
    "Es wäre nicht möglich, dass die Regierung direkt einen Priester bezahlt, es ist nicht möglich, dass Angela Merkel einen Priester nach Österreich schickt", sagt Kurz. "Und deshalb ist es auch legitim dass wir sagen, wir wollen keine Imame, die Angestellte anderer Regierungen sind, die hier in Österreich predigen und tätig sind."
    Die meisten muslimischen Verbände kritisieren die Vorschrift als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz oder als schwer umsetzbar. ATIB ist nach eigenen Angaben die größte Organisation, faktisch ein Ableger der türkischen Religionsbehörde. Sprecher Selfet Yilmaz:
    "Wir haben gefordert, dass wir zumindest drei bis fünf Jahre Übergangszeit haben, wo wir Imame aus der Türkei bezahlen lassen, jetzt müssen wir sie selber bezahlen, das ist finanziell schon eine große Herausforderung für die einzelnen Vereine."
    Nur noch Imame aus Österreich
    Laut Islamgesetz dürfen nicht länger Imame aus dem Ausland in österreichischen Moscheen predigen; 65 sind betroffen, der erste hat Österreich im Februar verlassen. Stattdessen sollen Prediger künftig in Österreich ausgebildet werden. Aber das dauert zu lange, sagt ATIB-Sprecher Yilmaz:
    "Wir warten sehnsüchtig darauf, dass wir die Imame dann auch in unseren Vereinen einsetzen, weil Kinder verstehen immer weniger Türkisch, deshalb ist unser Anliegen, dass die Imame auch eine exzellente Deutsch-Ausbildung bekommen."
    Mehr Imame in Österreich - das ist nutzt nicht nur den Muslimen im Land, sagt der Gefängnisseelsorger Ramazan Demir:
    "Es sind so viele, die Hilfe brauchen, dann kann es sein, dass sie sich sogar mehr radikalisieren, weil sie sagen: Der Staat, Katholische Seelsorger sind da, aber der muslimische, den bringen sie nicht her, also will der Staat gar nicht, dass es uns gut geht. Und dann wird es gefährlich für uns."
    Bis es die ersten österreichischen Imame gibt, wird es aber noch dauern. Das Islamgesetz sieht für die Ausbildung sechs Dozenten-Stellen an der Universität Wien vor. Wie sie besetzt werden, das soll sich im Herbst herausstellen.