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Österreich
Van der Bellen will weder Oberlehrer noch Zuchtmeister sein

Der neue österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen möchte seine Persönlichkeit und Erfahrung in das neue Amt einbringen. In der Wiener Hofburg, seinem künftigen Amtssitz, traf er heute schon mal auf Amtsinhaber Heinz Fischer.

Von Stephan Ozsváth | 24.05.2016
    Der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer (r.) und der künftige Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l) sitzen das erste Mal zusammen.
    Der desiginierte österreichische Präsident Alexander Van der Bellen (picture-alliance / dpa/epa/Christian Bruna)
    "Präsident mit blauem Auge"
    "Der halbe Präsident"
    "ein Präsident für beide Hälften"
    "ein Hauch von Obama"
    "Antithese zum Antichrist Norbert Hofer"
    So kommentieren heute die Zeitungen in Österreich den Wahlsieg des Grünen Alexander van der Bellen. Er wird als neuer Bundespräsident in die Hofburg einziehen. Über sein Amtsverständnis sagte er im ORF.
    "Der Bundespräsident ist weder der Oberlehrer noch der Zuchtmeister der Regierung, geschweige denn des Parlaments. Aber er kann durch seine Kontakte, durch seine Persönlichkeit, durch seine Erfahrung dazu beitragen, dass die richtigen Leute zusammen kommen."
    Damit setzt sich Van der Bellen erneut von seinem unterlegenen Herausforderer Hofer von der FPÖ ab. Der hatte immer wieder betont, die Macht, die die Verfassung von 1929 dem Präsidenten in Österreich gibt, auch auszunutzen: Regierung entlassen, Neuwahlen ansetzen etwa. Van der Bellen denkt deshalb auch über eine Reform der Befugnisse des Bundespräsidenten nach.
    "Ich könnte mir vorstellen, dass sich eine Art Konvent damit beschäftigt. Wir haben ja auch ein bisschen Zeit. Das muss ja nicht von heut auf morgen sein. Und einmal sich überlegt: Stimmt das so, wollen wir, dass alles beim Alten bleibt oder sind hier bestimmte Reformen zweckmäßig."
    Polarisierung des Landes
    Viele Pressekommentare heute betonen die Spaltung des Landes durch den polarisierten Wahlkampf – zwischen Stadt und Land, oben und unten. Der Wahlsieger hat schon angekündigt, Brücken bauen zu wollen. Eva Glawischnig, Chefin der Grünen, die Vander Bellens Wahlkampf finanziert haben, erhofft sich einen neuen Schwung von ihrem Kandidaten in der Hofburg.
    "Wir haben große innenpolitische Probleme in den letzten Monaten gehabt. Die muss jetzt aber die neue Regierung lösen, das ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten allein. Ärger über Blockaden, über Stillstand ist auch Sache des Parlamentes, der Regierung. Und da erhoffe ich mir jetzt einen Neuanfang. Gerade auch Christian Kerner als neuer Bundeskanzler hat es gut erkannt, dass es jetzt hier einen ganz anderen Stil braucht und das nicht mehr viel Zeit ist. "
    Österreich sei noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen, hieß es in manchen Pressekommentaren. Aber die FPÖ sei weiter stark. Bundeskanzler Christian Kern von den Sozialdemokraten sagte am Morgen nach der Wahlentscheidung.
    "Österreich ist nach wie vor das Land und wäre es auch bei einem anderen Wahlausgang gewesen, dass 90.000 Flüchtlinge aufgenommen hat und in dem keine Flüchltingsheime brennen und wir haben auch Phänomene wie Pegida eher als Randnotiz bislang wahrnehmen können. Meine Analyse ist, dass ich ganz und gar nicht den Eindruck habe, dass wir über eine Spaltung des Landes reden müssen. Wir sehen einen politischen Wählermarkt, der immer bunter wird, der immer beweglicher wird. Das bedeutet, dass klassische Bindungen immer deutlicher abnehmen. Das bedeutet aber auch, dass alle Chancen vorhandne sind, alle Menschen und Wähler wieder zurückzugewinnen."
    Die Gremien der rechtspopulistischen FPÖ kamen am Vormittag in Wien zusammen, um über die Wahlniederlage ihres Kandidaten Norbert Hofer zu beraten. Der sagte zu einer möglichen Wahlanfechtung, die seine Partei ins Spiel gebracht hatte: Es gebe keine Anzeichen für Wahlbetrug. Nach seinem Wahlerfolg werde er nicht Parteichef Strache als Spitzenkandidat bei der nächsten Parlamentswahl ersetzen, so Hofer zu entsprechenden Spekulationen.
    Der Wahlsieger van der Bellen dagegen war schon mal zum Schnuppern in die Hofburg geladen – Noch-Präsident Heinz Fischer will die Amtsübergabe vorbereiten, sie ist für den 8.Juli vorgesehen.