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Österreichisch-ungarischen Beziehungen
Kern und Orban sprechen über Flüchtlinge

Österreichs Bundeskanzler Christian Kern ist zu Gast beim ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban in Budapest. Bei dem Treffen geht es vor allem um die Flüchtlingspolitik, die künftig über diese beiden Länder nach Deutschland kommen. Keine einfache Aufgabe, denn es gilt Gräben zu überbrücken.

Von Ralf Borchard | 26.07.2016
    Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern nach seiner Vereidigung.
    Der erste Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Christian Kern in Ungarn wird mit Spannung erwartet. (AFP / DIETER NAGL)
    Für Christian Kern wird es ein Spagat. Einerseits hat der österreichische Kanzler kurz nach Amtsantritt Viktor Orbans autoritären Regierungsstil scharf kritisiert. Kern sagte, man könne "die Asylproblematik nicht wegzaubern", in dem man "den Staat in einen Führerstaat" verwandle.
    "Ich will in einer Gesellschaft leben, die mit Respekt und Menschenwürde, mit Respekt vor der Menschenwürde versucht, die Frage der Flüchtlingsthematik zu lösen."
    Kern hat auch für eine gerechte europäische Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen plädiert:
    "Faktum ist, dass man auch hier beweisen muss, dass man in Europa gemeinsam Probleme lösen kann. Weil das kleine Österreich wird es nicht schaffen, die Außengrenzen der EU zu sichern. Das kleine Österreich wird auch nicht in der Lage sein, Hilfspakete vor Ort zu entwickeln, damit die Menschen tatsächlich nahe ihrer Heimatregion betreut werden können. Das wird eine gemeinsame Aufgabe sein müssen."
    Andererseits weiß auch Kern, dass Viktor Orbans harte Haltung, vor allem der Grenzzaun zu Serbien mit dafür sorgen, dass derzeit vergleichsweise wenige Flüchtlinge nach Österreich kommen. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil hat zugesagt, 20 Polizisten aus Österreich an die serbisch-ungarische Grenze schicken und auch die Entsendung von Soldaten zu prüfen. Doskozil vor wenigen Tagen beim Besuch des Grenzübergangs Röszke:
    "Es muss ein Ziel sein für uns alle, für uns beide, dass wir die Außengrenzen schützen. Und ich glaube es ist jetzt angebracht, europäisch zu denken und bilateral zu handeln."
    Orban sorgte mit markigen Worten zum Thema Flüchtlinge für Aufsehen
    Viktor Orban hat seinerseits kurz vor dem Kern-Besuch erneut mit markigen Worten zum Thema Flüchtlinge für Aufsehen gesorgt. Die EU sei schwach geworden, so Orban:
    "Europa hat seine globale Rolle verloren, es hat jetzt nur noch eine regionale Rolle. Es kann seine eigenen Bürger nicht verteidigen. Es kann die eigenen Grenzen nicht verteidigen. Migration bedeutet Gefahr", so Orban wörtlich, "sie verstärkt Terrorismus, erhöht Kriminalität. Massenmigration vernichtet Nationalkultur. Wenn wir diesen Standpunkt nicht akzeptieren, wenn dies kein europäischer Standpunkt wird, dann werden wir nicht fähig sein, gegen diese Bedrohung vorzugehen."
    Orban sagte dies in Tusnadfürdö in Rumänien vor Vertretern der dort lebenden ungarischen Minderheit. Als erster EU-Regierungschef warb er dabei für US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump.
    "Ich bin nicht Trumps Wahlkampfmann. Ich hätte niemals gedacht, dass er für Europa und Ungarn der Bessere wäre. Aber ich muss sagen, er hat drei Vorschläge zur Bekämpfung des Terrorismus gemacht, die ich selbst nicht besser für Europa hätte formulieren können."
    Orban meinte damit Trumps Forderungen, die Zuwanderung vor allem von Muslimen zu stoppen, die Geheimdienste zu stärken und die Politik des Demokratie-Exports in Länder wie Syrien oder Irak zu beenden, um dort, zur Not mit autoritären Regimen, für Stabilität zu sorgen.
    Wie Christian Kern es schafft, seine Kritik an Viktor Orbans Populismus mit Angeboten zur Zusammenarbeit beim Thema Flüchtlinge zu verbinden, ist die entscheidende Frage beim Aufeinandertreffen in Budapest. Welchen Ton Kern und Orban anschlagen, wird auch ein Zeichen dafür sein, ob die EU-Staaten überhaupt noch gemeinsame Positionen finden können und in welcher Richtung sich Europa in diesen Zeiten der Verunsicherung entwickelt.